Jetzt ist es passiert. Seit Jahren schwebte der Vorgang der Arbitration über der Formel 1, der Gang vor ein Schiedsgericht. Was Frank Williams, Ron Dennis und Vorzeigekämpfer Paul Stoddart einst nicht bis zum Ende umsetzten, hat nun Stoddarts legitimer Nachfolger im Kampf für die Rechte der Kleinen geschafft. Colin Kolles zieht vor die Handelskammer in Lausanne. Angeklagt sind Red Bull, Toro Rosso und Super Aguri. Auslöser ist aber weder eine Regeländerung noch der Fighting Fund. Es sind die Kundenchassis.

Seit Donnerstag dürfen die angeklagten Teams mit Anwaltspost rechnen. Spyker hat die entsprechenden Schritte eingeleitet. "Wir hätten damit kein Problem", sagte Toro Rosso-Mitbesitzer Gerhard Berger Mitte Februar beim Rollout des umstrittenen Autos. Auch Ron Dennis unterstützte den Handlungswillen von Kolles, aber nur diesen. "Wenn jemand Probleme mit der Legalität eines der Autos hat, sollte er die verfügbaren Maßnahmen einleiten - wir würden das machen."

Den Startschuss dafür gab eine Stewardentscheidung aus Melbourne, die Kolles in seiner Annahme bestätigte, dass nicht die FIA, sondern das Concorde Agreement in der Chassisfrage zuständig ist. Darüber zeigte sich der Spyker-Teamboss äußerst erfreut, trotz des zeitgleich abgeschmetterten Protests. Was er dabei anscheinend vergessen hat, ist die Tatsache, dass die FIA schon Entscheidungen der Rennstewards überstimmt, ja sogar selbst angefochten hat. Man erinnere sich nur an die Massedämpfer-Affäre.

Besonders gut erinnert man sich daran bei Renault. Deshalb werden die Franzosen sich den Unterboden des F2007 ganz genau angesehen haben; andererseits hat Renault angesichts der schwachen Vorstellung von Melbourne momentan andere und wichtigere Probleme zu lösen - jene mit der fehlenden Konkurrenzfähigkeit des eigenen Autos.

Im Brennpunkt: der F2007., Foto: Sutton
Im Brennpunkt: der F2007., Foto: Sutton

Aber zurück zum Unterboden. Wenn ein Team der Konkurrenz weit voraus ist, werden in der Formel 1 sofort die Lupen und hoch auflösenden Kameras gezückt. So auch am Melbourne-Wochenende. Wie es sich gehört, wurde schnell ein Bereich ausfindig gemacht, der angeblich nicht regelkonform sein soll. Nämlich der besagte Unterboden des ersten Siegerautos der Saison. Dieser soll sich angeblich absenken, und so einen höheren High-Speed oder eine bessere Balance ermöglichen. So weit die Theorie.

Neu sind weder die Beschuldigungsspielchen noch flexible Aerodynamikteile. Immer wenn ein Team überlegen ist oder nur so erscheint, werden schnell Rufe nach illegalen Methoden laut. Das war bei McLaren Mercedes so, das war bei Ferrari so und das war bei Renault so - wenn auch am umstrittensten. Gerade zu Saisonbeginn führt dies zu vielen Spekulationen, da die neuen Autos möglicherweise noch neue Wege beschreiten, die im Laufe der Saison von der FIA verboten oder eingeschränkt werden. Das zum Beispiel geschah bei den Flexi-Wings im Vorjahr. Zunächst bei den Heckflügeln einiger Teams, dann bei den Frontflügeln, vor allem dem von Ferrari. Disqualifikationen und Strafen bleiben dabei meistens aus - es ist eben immer das gleiche Spiel. Die Grenzen und Graubereiche werden voll ausgenutzt, bis die Regeln nachgebessert werden.

Gleich mehrmals ins Kreuzfeuer der Kritik geriet im letzten Jahr BMW Sauber, deren Heckflügel und Vertical Wings Ungemach heraufbeschworen. Somit konnte man sich in diesem Jahr glücklich schätzen, dass die Konkurrenz in Melbourne keine technischen, sondern nur taktische Beschwerden hatte. Für Ron Dennis taugte die BMW-Strategie von Nick Heidfeld nur zum "Angeben" in den ersten Runden der Saison, nicht für ein sinnvolles Rennen. Dadurch hätte sich McLaren noch mehr Rückstand auf Kimi Räikkönen eingefangen. Der große Abstand zu Ferrari nagt also sehr am McLaren-Boss.

"Ich glaube, es wird bald eine Veränderung an manchen Teilen einiger Autos geben. Das würde die Lücke schließen", sagte er, ohne Namen zu nennen. Gemeint waren natürlich die Roten. Denn das ist die einzige Lücke, die Dennis naturgemäß interessiert - jene auf den ersten Platz. Ferrari reagierte gelassen auf die gewohnten Anschuldigungen. "Das ist Teil des Spiels. Es ist nicht das erste Mal, dass die Legalität in Frage steht. Wenn jemand eine Beschwerde hat, kann er immer zur FIA gehen." Verschwörungstheoretiker dürften antworten, dass sich nur Ferrari eine solche Aussage leisten könne. Bei Gerhard Berger ging sie bis zu einem gewissen Grad bereits schief. Und vergessen wir nicht, Ron Dennis steht im Wort: "Wenn jemand Probleme mit der Legalität eines der Autos hat, sollte er die verfügbaren Maßnahmen einleiten - wir würden das machen."