Es war kein extrem schwieriger Gang für Mario Theissen, aber eine große Geste: Nach dem starken Saisonauftakt von Williams und Nico Rosberg in Bahrain 2006 zählte der BMW-Motorsportdirektor zu den ersten Gratulanten bei Frank Williams. Die Geste zahlte Sir Frank zurück, indem er zwei Rennen später in Australien ein paar Kisten Bier seines Sponsors in die Nachbarbox zu BMW Sauber bringen ließ. Diesmal hatten die Münchner besser abgeschnitten. So sollte es für den Rest der Saison bleiben, der erwartete Zweikampf der beiden ehemaligen Partner blieb aus.

BMW und Williams - das war eine komplizierte Ehe. Die neue Beziehung des Autobauers mit Sauber verläuft viel besser. Schon im ersten Jahr fuhr man zweimal auf das Podest und übererfüllte die eigene Zielsetzung. Für das neue Jahr peilt man nun, gemäß des Dreijahresplans, Podestplätze aus eigener Kraft an. 2008 soll dann der erste Sieg her. Im Gegensatz zu den alljährlichen Vorhersagen von Toyota ist man geneigt, BMW Sauber diese Prognosen abzukaufen.

Der F1.07 überraschte: mit Speed und Problemen., Foto: Sutton
Der F1.07 überraschte: mit Speed und Problemen., Foto: Sutton

Das Team Der Personalzufluss war in den letzten Monaten stetig, erreicht aber langsam sein Ende. Fast alle Stellen sind besetzt, der moderne Windkanal läuft im Dreischichtbetrieb rund um die Uhr, der neue Supercomputer Albert² verstärkt die Rechenleistung für Simulationen und die neuen Köpfe wie Willen Toet und Jörg Zander haben sich gut eingefügt. Trotzdem muss sich das viele neue Personal erst einmal in das Team einfügen. Die Voraussetzungen sind aber bestens.

Das Auto Der F1.07 ist der erste echte BMW Sauber-Bolide. Sein Vorgänger war noch in reinen Sauber-Zeiten entwickelt und konstruiert worden, wenn auch schon mit verstärktem Input von BMW. Bislang übertraf der Wagen bei den Tests alle Erwartungen und war fast immer vorne dabei. Das konnte man nicht unbedingt erwarten, da das zweite Jahr für neue Teams bekanntlich immer als das schwierigste eingestuft wird, besonders, wenn man im Vorjahr die eigenen Ziele so weit übertroffen hat wie BMW Sauber 2006.

BMW Sauber will den Abstand nach vorne halbieren., Foto: Sutton
BMW Sauber will den Abstand nach vorne halbieren., Foto: Sutton

Die Tests Schnell, aber auch schnell kaputt - so könnte man die Wintertests von BMW Sauber zusammenfassen. Robert Kubica fand noch eine andere Beschreibung: "Wenn das Auto fährt, ist es schnell." An einigen Testtagen kamen die Fahrer jedoch nur selten zum Fahren. Die Defektliste wurde immer länger, drehte sich am Ende der Tests aber hauptsächlich um einen Bereich: das neue Getriebe ohne Zugkraftunterbrechung. Trotz intensiver Tests läuft es noch nicht rund. Für Melbourne ist man nicht 100% gerüstet, die Zuverlässigkeit ist noch ein großes Fragezeichen. Der zweite wichtige Punkt bei einem neuen Auto sieht viel besser aus: der Speed. Der F1.07 war sowohl auf Qualifying-Stints als auch auf Long Runs konstant schnell. Dafür gab es sogar Lob von der Konkurrenz, wobei dieses durchaus auch eine gewisse taktische Komponente enthielt, um den Druck und die Favoritenrolle abzuschieben. Trotzdem zählt der F1.07 zu den Punkte- und Podestanwärtern, wenn er denn hält.

Die Fahrer Viel wurde über den Winter über das Fahrerquartett gesprochen. Zunächst gab es den so genannten Kubica-Effekt. Angeblich soll der Pole seinen Teamkollegen Nick Heidfeld im letzten Jahr zu besseren Leistungen angetrieben haben. Heidfeld müsse nun sogar davor zittern, im kommenden Jahr durch Sebastian Vettel ersetzt zu werden. Der Mönchengladbacher nimmt das gelassen hin, schließlich muss Kubica, der gerade einmal sechs Grand Prix absolviert hat, erst einmal beweisen, dass er auch über eine ganze Saison schnell sein kann.

Mit dem aktuellen Getriebe sollte man besser nicht alleine durch die Wüste fahren..., Foto: Hartley/Sutton
Mit dem aktuellen Getriebe sollte man besser nicht alleine durch die Wüste fahren..., Foto: Hartley/Sutton

Allerdings spricht kaum etwas dagegen; trotzdem muss Kubica die Vorschusslorbeeren aus dem Vorjahr bestätigen. Leicht erschwert wird dies, weil seine aggressive Fahrweise nicht perfekt zu den härteren Bridgestone-Reifen passt. Diesbezüglich musste er seinen Stil etwas umstellen. Für Heidfeld gilt das nicht, er ging ohnehin schon immer schonend mit den Pneus um. Und bislang hat er alle seine Teamkollegen bezwingen können, egal ob Weltmeister, Vizeweltmeister oder angehender Superstar. Das Teamduell zwischen Heidfeld und Kubica verspricht also jede Menge Spannung.

Spannungen gibt es unterdessen wegen der Freitagseinsätze von Sebastian Vettel. Die Stammfahrer wollen verständlicherweise beide Freien Trainings bestreiten, Mario Theissen gibt aber mindestens eine Session an Vettel. Damit soll der junge Deutsche mehr Erfahrung sammeln, steht aber auch unter einem größeren Druck, dieses Vertrauen zu rechtfertigen. Bei einigen Rennen könnte auch der vierte Mann, Timo Glock, im Freitagsauto sitzen. Glock wusste bei den Tests zu überzeugen, und möchte sich mit guten Leistungen als F1-Tester und GP2-Titelanwärter ins Gespräch bringen.

Nick lässt sich nicht so leicht aufs Glatteis führen., Foto: swiss-image.ch/Steinegger
Nick lässt sich nicht so leicht aufs Glatteis führen., Foto: swiss-image.ch/Steinegger

Das Fazit Den Rückstand auf die Top-Teams erneut halbieren - so lautet die Zielsetzung von Mario Theissen. Wenn das Team die Zuverlässigkeitsprobleme in den Griff bekommt, und das sollte über kurz oder lang der Fall sein, dürfte dies ebenso gelingen wie die angepeilten Topergebnisse. Ob es schon 2007 zum ersten Sieg reichen wird, lässt sich angesichts des unklaren Kräfteverhältnisses noch nicht sagen. Das Potenzial dafür muss man BMW Sauber aber zutrauen. Denn selbst wenn es dem F1.07 derzeit noch an Speed und Zuverlässigkeit auf die Pacesetter der Wintertests fehlt, hat das Team schon in seiner Debütsaison bewiesen, dass es kreative neue Ideen umsetzen und radikale, aggressive Entwicklungen wie die Vertical Wings und die "flexiblen Flügel" entwickeln kann. Das war vielleicht eine der wichtigsten Lehren der Saison 2006 für BMW Sauber, wichtiger als die beiden Podestplätze und der 5. WM-Rang. Es hat gezeigt: BMW Sauber ist bei der Performance noch nicht ganz oben angekommen, aber auf allen anderen Gebieten arbeiten und denken sie schon wie eines der Top-Teams.

BMW Sauber

Pluspunkte Minuspunkte

+ Windkanal/Albert²
+ aggressive Entwicklung
+ Fahrerquartett
+ Personal

- Getriebe
- Freitagsfahrereinsatz
- Zuverlässigkeit
- Teamintegration

Hausaufgaben gut gemacht? Saisonprognose

Ohne die vielen Defekte hätte BMW Sauber eine blitzsaubere Saisonvorbereitung hingelegt. So bleibt nur Robert Kubicas Analyse: "Wenn das Auto fährt, ist es schnell." Note: 2

Wenn man den Defektteufel vertreiben kann, sollte BMW Sauber auch im zweiten Jahr alle Ziele erreichen. Die ersten Rennen könnten aufgrund der technischen Probleme schwierig werden. Danach scheinen Punkte und Podestplätze realistisch; unter gewissen Umständen vielleicht sogar etwas mehr.