Viele Sportler teilen die Meinung, dass der perfekte Abschied nur auf dem Höhepunkt der Karriere gelingen kann: Die Marke mit dem Bibendum hat dieses Ziel erreicht. Michelin Partner gewannen beim vorerst letzten Formel 1-Rennen des französischen Reifenherstellers die Fahrer- und Konstrukteurs-Krone, und das zum zweiten Mal hintereinander - der krönende Abschluss einer erfolgreichen Ära.

Der Rückzug aus der Formel 1 zum Saisonende 1984 beeinflusste das weitere Motorsport-Engagement der Erfolgsgaranten aus Clermont-Ferrand keineswegs: In der Rallye-Weltmeisterschaft, bei den "24 Stunden von Le Mans" und in den Motorrad-Topserien stieg Michelin zum Rekordsieger auf. Auch die Formel 1 verloren die Franzosen nie aus den Augen. Bis zum Comeback sollten allerdings 16 lange Jahre vergehen.

BMW und Toyota hatten in Le Mans an der Seite von Michelin hervorragende Performances gezeigt. Die bayerische Automarke konnte den Langstreckenklassiker an der Sarthe 1999 sogar gewinnen, und die Japaner blickten auf fünf gemeinsame WM-Titel im Rallyesport zurück. Nun wollten sie den nächsten Schritt vollziehen: Beide Marken fragten bei Michelin an, ob sich der Hersteller aus Clermont-Ferrand ein gemeinsames Engagement in der Königsklasse vorstellen könnte. "Wir konnten", erklärt Pierre Dupasquier, damals und bis Ende 2005 Motorsport-Direktor bei Michelin, mit einem verschmitzten Lächeln, denn er hatte insgeheim immer wieder Grands Prix-Pneus nach dem jeweils aktuellen Reglement entwickeln lassen.

"Wir wären naiv, wenn wir denken würden, die Formel 1 hätte sich in den vergangenen Jahren nicht verändert", trat Edouard Michelin, geschäftsführender Gesellschafter des Konzerns, früh auf die Euphorie-Bremse. "Wir sehen unser neuerliches Grand Prix-Engagement eher als erneuten Einstieg denn als Rückkehr. Die Technologie der Rennwagen hat sich ebenso verändert wie jene der Reifen."

Der rasante Aufstieg: Von Null auf Eins in vier Rennen

Im Jahr 2001 betrat Michelin schließlich die Formel 1-Bühne: Auch wenn die Franzosen diesmal nicht mit einer technischen Revolution aufwarteten, vertrauten von Beginn an zahlreiche etablierte Teams den Spezialisten aus Clermont-Ferrand. Neben BMW WilliamsF1 setzten Renault F1, Jaguar Racing, Prost sowie Minardi auf den Neueinsteiger. Toyota zählte zunächst noch nicht zu den Partnern, der japanische Rennstall mit Sitz in Köln mischte in der Königsklasse erst ab 2002 mit.

Dass Michelin seine Rückkehr bestens vorbereitet in Angriff nahm, zeigte sich bereits im vierten Rennen der Saison 2001. Ralf Schumacher im BMW-Williams fuhr beim Großen Preis von San Marino zum ersten Triumph in der neuen Ära. Bis zum Jahresende stockte Michelin die Zahl der Rennsiege auf vier auf und errang ebenso viele Pole Positions. Zudem gelangen den Partnerteams acht schnellste Rennrunden - ein Einstand nach Maß.

Die Siegesserie setzten die französischen Pneu-Spezialisten zügig fort: Zwar stellten die Ferrari 2002 erneut das Maß der Dinge dar, dahinter aber belegten Michelin Partner die Plätze drei bis neun in der Fahrerwertung. Neben BMW- Williams erwies sich der zu Saisonbeginn zu Michelin gewechselte McLaren-Mercedes-Rennstall als ärgster Rivale der Scuderia um den Titel.

Michelin etabliert sich: Vom Sieger zum Titelanwärter

In seinem dritten Jahr nach der Rückkehr stieg das französische Familienunternehmen endgültig vom Herausforderer zum Titelkandidaten auf und errang sieben Siege sowie 30 Podestplätze. Den Höhepunkt der Saison stellte der Ungarn-Grand Prix dar: Fernando Alonso im Renault R23 krönte sich zum jüngsten Grand Prix-Sieger aller Zeiten, außerdem belegten Michelin Fahrer die ersten sieben Plätze. Auch wenn die Meisterschaft bis Saisonende hart umkämpft blieb, zog Bibendum - das berühmte Michelin-Männchen - erneut den Kürzeren.

2004 stellte sich als unerwartet schwierig heraus. Doch trotz der extremen Dominanz der Ferrari gewann Michelin mit drei unterschiedlichen Partnerteams drei Saisonläufe: Beim prestigeträchtigen Großen Preis von Monaco triumphierte Renault-Pilot Jarno Trulli, in Belgien setzte sich McLaren-Mercedes-Fahrer Kimi Räikkönen durch und beim Finale in Brasilien hatte Juan Pablo Montoya im Williams-BMW die Nase vorn.

Mission erfüllt: Der erste Titel in der neuen Ära

Die Saison 2005 brachte endgültig den Durchbruch: Die Reglement-Änderungen - Reifenwechsel wurden verboten, die Rillenslicks mussten also fortan die komplette Renndistanz plus Qualifying überdauern - spielten Michelin offensichtlich in die Karten. Nach dem Auftaktsieg von Giancarlo Fisichella konterte sein Renault F1-Teamkollege Fernando Alonso mit drei Erfolgen in Serie. Im Laufe der Saison kamen auch die Michelin-bereiften McLaren-Mercedes immer besser in Fahrt. Fernando Alonso und Kimi Räikkönen sowie ihre Rennställe lieferten sich heiße Duelle um beide WM-Kronen. Der Spanier sicherte sich zwar vorzeitig den Fahrertitel, bei den Konstrukteuren fiel die Entscheidung aber erst beim Finale. In China brachte das Renault F1 Team auch den Konstrukteursmeisterschaft unter Dach und Fach.

Auf den Weg zu seinen ersten beiden WM-Titeln in der zweiten Ära konnte der französische Pneuhersteller eine überragende Bilanz aufweisen: Bei 19 Grands Prix holten Michelin Partner 18 Siege, 18 Pole Positions und 16 schnellste Rennrunden sowie 47 von 57 Podiumsplatzierungen. Als einziger schwarzer Fleck auf der Landkarte erwies sich Indianapolis: Aufgrund von technischen Probleme an den Reifen wählten Michelin und seine Partnerteams die sicherere Variante und verzichteten auf einen Start.

Abschied an der Spitze

In der Saison 2006 mussten sich Konstrukteure und Reifenhersteller erneut auf Regeländerungen einstellen: Reifenwechsel feierten ihr Comeback im Grand Prix-Sport, außerdem ersetzten schwächere V8-Motoren die zuvor benutzten Zehnzylinder. Durch den Leistungsverlust von rund 200 PS stellten die neuen Fahrzeuge an die Pneus ganz andere Anforderungen, für die Michelin erneut bestens gewappnet war.

Bereits zu Saisonbeginn untermauerte der Michelin Partner Renault F1 mit drei Siegen, dass der WM-Titel erneut nur über die französische Werks-Equipe führt. Mit vier Erfolgen in Serie verschaffte sich Fernando Alonso noch vor Saisonmitte ein komfortables Punktepolster in der Fahrerwertung. In Kanada erreichte Michelin an der Seite des Spaniers einen historischen Meilenstein: den 100. Sieg in der Formel 1. Rund ein halbes Jahr zuvor - beim Großen Preis von China 2005 - durfte sich Bibendum bei den Pole Positions und schnellste Rennrunden über die Aufnahme in den exklusiven 100er-Club freuen.

Trotz eines kleinen Durchhängers im Spätsommer bescherten Fernando Alonso und das Renault F1-Team ihrem Reifenpartner Michelin den perfekten Abgang aus der Königsklasse: Beim Finale in Brasilien ließen sie sich ihren Vorsprung nicht mehr nehmen und sicherte sich die zweite Doppelweltmeisterschaft in Folge - ein denkwürdiger Tag für den Pneuhersteller aus Clermont-Ferrand. Die Erfolge des Jahres 2006 bedeuteten für Michelin den insgesamt fünften Fahrertitel und den vierten Triumph in der Konstrukteurswertung.