Das Saisonziel: Beide WM-Titel.

Die Ausbeute: 3. WM-Platz - 110 Punkte

Die Bilanz - Auto & Team: 40 Jahre McLaren. Wenn das kein Grund zum Feiern ist? Zumindest vor der Saison waren die Aussichten auf silberne Feten und vielleicht sogar die erhoffte WM-Party mehr als nur groß. Der MP4-20 war das schnellste Auto des Vorjahres und Kimi Räikkönen galt als einer der großen Favoriten auf den WM-Titel. Doch wie so oft sollte alles anders kommen - sieglos. So etwas gab es bei der erfolgsverwöhnten Truppe von Ron Dennis seit der Saison 1996 nicht mehr. Seit zehn Jahren gewann McLaren in jedem Jahr mindestens ein Rennen, notfalls beim Saisonfinale, aber meistens schon vorher und meistens auch mehr. Doch 2006 gab es keinen einzigen Sieg, McLaren Mercedes blieb 18 Rennen ohne GP-Triumph.

Nicht mehr fahrtüchtig., Foto: Sutton
Nicht mehr fahrtüchtig., Foto: Sutton

Dabei traten die ersten Rauchschwaden schon bei den Wintertests mit dem neuen Mercedes-V8 auf. Die Bedenken galten aber nicht nur der Zuverlässigkeit, sondern auch der Power des Aggregats. Zwischenzeitlich mussten sogar wieder V10-Motoren im Heck des orangen Interimsautos eingesetzt werden. Innerhalb weniger Wochen wurde der Mercedes-Motor generalüberholt und aufgebohrt - plötzlich war er einer der besten im Feld. Auch das Aussehen des Autos wurde für die Jubiläumssaison verändert: Aus dem Silberpfeil wurde ein Chrompfeil. Viel Zeit und Geld flossen in die Erforschung des reflektierenden Farbeffekts, schließlich sollte das Auto aus allen Fernsehblickwinkeln gut aussehen, nein, sogar perfekt - immerhin hält bei McLaren der Perfektionist Ron Dennis die Zügel in der Hand. Man hat keine Kosten und Mühen gescheut, aber der Erfolg machte es sich trotzdem andernorts bequem, etwa in Enstone und Viry-Châtillon und zeitweise auch wieder in seinem ehemaligen Hauptwohnsitz in Maranello.

Das silberne Jahr bestand aber nicht nur aus dem vergeblichen Warten auf den ersten Sieg. Es gab auch jede Menge, zumeist sinnlose, Diskussionen um eine Übernahme durch Mercedes, den Abgang von Juan Pablo Montoya und die Zukunft von Kimi Räikkönen. Der Erfindungsreichtum des Mediendschungels bescherte uns sogar Prophezeiungen einer frei erfundenen Alonso-Gate-Affäre. Realität war hingegen der Abgang von Stardesigner Adrian Newey. Laut Ron Dennis hatte dies keine Auswirkungen auf die Konkurrenzfähigkeit des Teams. Immerhin habe man eine Gruppe von schlauen Köpfen und guten Ingenieuren, die schon lange zusammengearbeitet habe. So weit die offizielle Theorie. Aber fehlte dieser Gruppe nicht doch ihr viel gepriesener Kopf? Konnten sie den MP4-21 ohne dessen Schöpfer überhaupt noch verstehen? Oder hatte Newey tatsächlich keinen besonders großen Einfluss mehr auf das Auto? Immerhin stand intern schon lange fest, dass er das Team verlassen würde, egal wohin. Durfte er überhaupt noch bis zum Ende voll am Auto arbeiten und wie sah dies bei seiner rechten Hand Peter Prodomou aus, der Newey dieser Tage zu Red Bull folgte? Wie viel Input konnte und durfte er noch für die Entstehung und Weiterentwicklung des Chrompfeils liefern?

Der MP4-21 kam nicht an seinen Vorgänger heran., Foto: Sutton
Der MP4-21 kam nicht an seinen Vorgänger heran., Foto: Sutton

Eins ist klar: Der MP4-20 war das schnellste Auto der Saison 2005 - nur eben bei weitem nicht das zuverlässigste. Über den Winter ist daraus der MP4-21 entstanden; dieser war weder das schnellste noch das zuverlässigste Auto der Saison. Damit wäre zumindest die Schnelllebigkeit der F1-Welt bewiesen. Vor einem Jahr hätte niemand geglaubt, dass McLaren Mercedes und Kimi Räikkönen 2006 nichts mit der WM-Entscheidung zu tun haben würden und dafür Ferrari wieder an der Spitze anzutreffen wäre.

Was hat die Saison 2006 also für die Silbernen gebracht? Einige Chancen auf gute Platzierungen und Podiumsplätze waren da und wurden auch genutzt. Manchmal gab es sogar mehr als nur den Hauch einer Siegchance, zum Beispiel in Monaco, wo der ersehnte Erfolg greifbar nahe war, nur hatte der Kabelbaum in Kimis Auto zum zweiten Mal an diesem Wochenende andere Pläne. Das war wohl das silberne Schicksal des Jahres 2006: Wenn man einmal eine Chance hatte, versagte entweder die Technik oder die Umstände spielten dem Team einen Streich.

Die Bilanz - Fahrer: Der erfolgreichste McLaren-Pilot des Jahres fuhr 2006 einen Renault. Schon vor Weihnachten machte sich Fernando Alonso selbst ein Geschenk und unterschrieb einen Vertrag bei McLaren Mercedes. Das war der Weihnachts-Hammer 2005, dem viele eine taktische Komponente zuschrieben. Aber hat er die Gegner von Renault wirklich verunsichert? Nein, viel eher hat er bei McLaren für etwas mehr Unruhe gesorgt.

Abschied von JPM., Foto: Sutton
Abschied von JPM., Foto: Sutton

Denn dadurch gab es endlose Diskussionen um die Zukunft des zweiten Top-Fahrers in silbernen Diensten. Würde Kimi Räikkönen mit Alonso bei McLaren fahren oder doch lieber mit Michael Schumacher bei Ferrari? Am Ende entschied wohl die Erfolgsquote oder besser gesagt die Misserfolgsquote zugunsten der Italiener. Räikkönen hatte zu viele Ausfälle und technische Probleme in seiner McLaren-Zeit, das galt auch 2006. Hinzukam die mangelnde Konkurrenzfähigkeit in dieser Saison. Er selbst machte mit einem zweiten und zwei dritten Plätzen das Beste daraus. Mehr als WM-Rang 5 war für den Vizeweltmeister der Vorsaison nicht drin.

Richtig abrupt war der Abgang von Juan Pablo Montoya, der zwar nur eine Halbsaison fuhr, aber immerhin noch WM-Rang 8 belegte. Im Winter wurde Montoya noch von der Chefetage für seinen großen Einsatz gelobt, genau zur Saisonmitte wich das Lob dem Ende seiner Fahraktivitäten. Bis dahin fiel er durch einen zweiten Platz in Monaco sowie einige Unfälle und Dreher auf, wobei die Rennen in Australien und Kanada die Tiefpunkte darstellten. In Melbourne drehte er sich in der Einführungsrunde und flog danach fast ab, bevor er das Auto abstellte; in Kanada kollidierte er nach dem Start mit Nico Rosberg, überholte etliche Fahrer und schlug in der Wall of Champions ein. Die Bekanntgabe seines NASCAR-Wechsels war zwar keine böse Aktion, brachte aber das silberne Fass zum Überlaufen. Von Beginn an wurde darüber gerätselt, ob Ron Dennis den wilden Südamerikaner würde zähmen können, ob Montoya in das silberne Bild passen würde. Die Antwort ist ein klares nein. Ausgerechnet in Indianapolis, vor den Augen seiner wie immer zahlreich angereisten Fans, fand Montoyas F1-Karriere ein unrühmliches Ende - mit einer Kollision mit seinem Teamkollegen in der ersten Kurve. Andererseits war das schon irgendwie ein bisschen Montoya-like...

Voller Einsatz, aber bekommt trotzdem Hamilton das Cockpit?, Foto: Sutton
Voller Einsatz, aber bekommt trotzdem Hamilton das Cockpit?, Foto: Sutton

An seine Stelle trat Pedro de la Rosa, der Montoya schon im Vorjahr als Super-Sub vertreten hatte, damals wegen der "Tennis"-Verletzung des Kolumbianers, der seinen Wechsel zu McLaren übrigens seinerzeit ähnlich früh wie diesmal Alonso bekannt gegeben hatte. Für den Spanier bleibt zu hoffen, dass dies kein schlechtes Omen ist... Der zweite Spanier im Bunde, de la Rosa, konnte seine starke kämpferische Leistung des Bahrain-Ersatzeinsatzes von 2005 nicht ganz wiederholen. Er fuhr zwar solide Rennen, bot aber keine überwältigenden Aktionen.

Deshalb wurde schon während der Saison darüber diskutiert, ob nicht das silberne Juwel Lewis Hamilton an seiner Stelle fahren sollte. Doch Ron Dennis & Co entschieden sich für die sichere Variante: Hamilton sollte nicht verheizt werden. Stattdessen gewann er den GP2-Titel und durfte danach erste F1-Testerfahrungen sammeln. Trotzdem wurde über ihn mehr gesprochen als über den eigentlichen vierten McLaren-Testfahrer Gary Paffett. Dieser war mit großen Hoffnungen in die Saison gestartet und viele sahen ihn 2007 in irgendeinem F1-Stammcockpit. Doch mit fortschreitendem Saisonverlauf testete Paffett immer seltener. Hamilton stahl ihm die Show, obwohl dieser bis dahin noch nie in einem F1-Auto gesessen hatte. Jetzt sieht Paffetts Zukunft weder silbern noch rosig aus. Der Traum vom DTM-Champion zum F1-Piloten könnte 2007 bestenfalls als Spyker-Pilot oder Honda-Testfahrer enden.

Saisonziel erreicht? Nein, kein einziger Rennsieg spricht eine eigene Sprache.