Die wichtigsten Grenzbereiche der Formel 1 liegen neben der Piste. Großzügige Auslaufzonen sorgen für einen Abbau der Geschwindigkeit eines von der Strecke abgekommenen Autos und senken dadurch auch die Aufprallenergie, mit der es in den Reifenstapel einschlägt. Sowohl Auslaufzonen als auch Reifenstapel leisten einen wesentlichen Beitrag zum hohen Sicherheitsstandard in der Königsklasse des Motorsports.

Obwohl das Sicherheitssystem der Formel-1-Strecken in den letzten Jahren stark verbessert wurde, wollen sich die Verantwortlichen mit den erreichten Fortschritten nicht zufrieden geben. "Die Verbesserung der Streckensicherheit", fordert nicht nur Frank Dernie von Williams, "muss auch in Zukunft ein wichtiges Entwicklungsziel der Formel 1 sein."

Wer hat denn da sein Spielzeugauto im Sandkasten vergessen?, Foto: Sutton
Wer hat denn da sein Spielzeugauto im Sandkasten vergessen?, Foto: Sutton

Kommt ein Auto von der Strecke ab, weil sich der Fahrer beim Bremspunkt verschätzt oder mit einem technischen Defekt zu kämpfen hat, wird die Auslaufzone zu einer Art Notbremse. Die Kiesbetten sind etwa 25 Zentimeter tief und gefüllt mit kugelförmigen Kieselsteinen zwischen fünf und 16 Millimeter Durchmessern. Ähnlich wie gestreuter Sand auf einem vereisten Gehweg sollen die Kieselsteine einen möglichst hohen Reibungswiderstand erzeugen und dadurch die Geschwindigkeit des ausgebrochenen Boliden schnell und effektiv reduzieren.

Allerdings tritt bei diesem Konzept oft ein praktisches Problem auf: Mit einer Bodenfreiheit von nur etwa 50 Millimetern und dem glatten Unterboden schlittern die Autos nicht selten ohne ausreichende Verzögerung über die Oberfläche des Kiesbetts. Außerdem besteht die Gefahr, dass sie von dem aufgeschütteten Kies ausgehebelt werden und sich überschlagen. Immer häufiger werden die lockeren Kiesbetten deshalb durch rauen Asphalt ersetzt. Der hat den Vorteil, dass die Fahrer ihr ausgebrochenes Auto unter Umständen wieder unter Kontrolle bringen können. Außerdem versinkt der Überrollbügel im Fall eines Überschlags nicht im weichen Untergrund, was für die Fahrer eine zusätzliche Sicherheitsreserve bedeutet. Auch Williams-Pilot Mark Webber hält Auslaufzonen aus Asphalt für die bessere, weil sicherere Lösung, gibt aber zu bedenken: "Viele Fahrer nutzen das aus, manchmal sogar zum Überholen. Dabei riskieren sie deutlich mehr, weil die Konsequenzen eines Abflugs nicht so dramatisch sind."

Vom rechten Weg abgekommen..., Foto: Sutton
Vom rechten Weg abgekommen..., Foto: Sutton

Nicht an allen Streckenabschnitten machen Auslaufzonen wirklich Sinn. Für spitze Aufprallwinkel von weniger als 30 Grad empfiehlt die FIA eine glatte, durchlaufende und senkrechte Streckenbegrenzung. Im günstigsten Fall gleiten die Autos an dieser Mauer oder Leitplanke entlang, die Aufprallenergie wird abgebaut. Für stumpfere Winkel sind Kiesbetten und Reifenstapel dagegen unbedingt erforderlich. Eine Reifenbarriere muss mindestens so hoch sein wie die dahinter liegende Begrenzungsmauer (mindestens ein Meter) und aus zwei bis sechs Reifenreihen bestehen. Verwendet werden dafür normale Autoreifen, die allerdings nicht zu abgefahren sein dürfen, weil sie sonst beim Aufprall nicht genügend Widerstand leisten. Alle Reifen müssen miteinander verschraubt werden. Die vorderste Reifenreihe wird mit einem zwölf Millimeter dicken Gummiband abgedeckt und verstärkt. Reifenstapel absorbieren im günstigsten Fall rund 80 Prozent der Aufprallenergie.

Auf einigen Streckenabschnitten des von 32 Kilometern Leitplanken gesäumten Stadtkurses von Monaco, wo es praktisch keine Auslaufzonen gibt, werden als Alternative zu Reifenstapeln seit 1995 gefüllte Wassertanks eingesetzt. Für die mit Vollgas gefahrene Steilkurve von Indianapolis wurden so genannte "Soft Walls" entwickelt, die mit Pressplatten aus einem styropor-ähnlichen Kunststoff gefüllt sind und mit Metallkabeln an der Betonwand befestigt werden. Der Vorteil: Da es sich um ein durchgängiges System handelt, weicht es bei einem Aufprall auch als Einheit zurück, das Auto verhakt sich nicht und kann gleichmäßig entlang rutschen und verzögern. Noch in der Testphase sind Luftpolster-Zäune.

Erinnerungen an Juan Pablo..., Foto: Sutton
Erinnerungen an Juan Pablo..., Foto: Sutton

Trotz der großen Fortschritte bei der passiven und aktiven Sicherheit der Serienfahrzeuge ist das Abkommen von der Straße immer noch eines der schwerwiegenden Risiken im Straßenverkehr. ESP ist das wichtigste und wirkungsvollste System, um Schleuderunfälle zu verhindern. Straßenseitige Maßnahmen sind ein wichtiger zweiter Schritt, der Unfälle verhindern und Unfallfolgen reduzieren kann. "Zunächst sollte die Straße so gestaltet sein, dass sich die Fahrer möglichst intuitiv an die Geschwindigkeit halten, für die sie ausgelegt ist", so Dr. Christoph Lauterwasser vom Allianz Zentrum für Technik. "Leitplanken sind sinnvoll und notwendig, um zum Beispiel den Aufprall auf gefährliche Hindernisse in Fahrbahnnähe zu verhindern. Besser als ein Aufprall auf eine Leitplanke ist jedoch eine freie Auslaufzone." Welches System sich in der Formel 1 und im Straßenverkehr letztlich auch durchsetzt - eines ist sicher: Das Rennen um die Optimierung der Streckensicherheit kennt keine Zielflagge.