Günther Steiner ist nicht mehr Teamchef in der Formel 1 und dennoch ist immer wieder von ihm zu hören. Zuletzt kritisierte der jetzige TV-Experte und Miami-GP-Botschafter seinen Ex-Rennstall. Haas hätte die Erwartungen für 2024 absichtlich heruntergespielt, meinte Steiner. Das sei für den Südtiroler ein falsches Verhalten gewesen. Sein Nachfolger Ayao Komatsu will die Kritik nicht einfach auf sich sitzen lassen.

Als Komatsu im Januar Steiners Nachfolge antrat, zügelte der Japaner sofort die Erwartungen. Von der letzten Startreihe war die Rede, da die Entwicklung während der Saison 2023 ins Stocken geraten war. Aber Haas hat diese Erwartungen bislang weit übertroffen. Nach den ersten vier Rennen konnte der amerikanische Rennstall schon vier Zähler anschreiben - Im Gegensatz zu Williams, Alpine und Sauber, die noch punktelos sind.

Zudem kann der VF-24 im Qualifying mit den Racing Bulls, in der Meisterschaft derzeit auf P6, mithalten und die katastrophalen Reifenverschleißprobleme, die Haas im Vorjahr plagten, sind größtenteils behoben. Gab es also wirklich ein Versteckspiel vom Team? So sieht es zumindest Steiner, für den der Haas-Aufschwung keine Überraschung gewesen sei, da er die Windkanaldaten für das 2024-Auto gesehen habe.

Komatsu widerspricht Steiner: Echt und kein Blödsinn

Komatsu will von einer Täuschung jedoch nichts hören. "Wenn man sich die Daten vom Windkanal ansieht, dann ist das nur eine Zahl", erklärt der Haas-Teamchef. "Ich kannte die Zahl und wusste, um wieviel wir uns verbessert hatten. Dennoch musste ich davon ausgehen, dass sich alle anderen Teams mindestens um gleich viel oder mehr verbessert hatten."

Die schlechte Einschätzung des Japaners beruhte vor allem auf der schleppenden Entwicklung im Vorjahr. "Wir haben spät mit der Entwicklung angefangen", erinnert Komatsu. "Wegen den Austin-Upgrades mussten wir zwei Monate lang damit aufhören und außerdem sind wir das kleinste Team. Es ist nicht so, dass wir über fortgeschrittene Methoden verfügen, und ich bin mir sicher, dass alle anderen im Durchschnitt genauso schlau sind wie wir."

Haas-Fahrer Nico Hülkenberg in der Boxengasse
Der VF-24 ist deutlich besser als erwartet, Foto: LAT Images

Der Japaner stellt daher klar: "Es ging nicht darum, Blödsinn zu verbreiten oder in die Irre zu führen. Ich habe damals nur gesagt, was meine Erwartung ist." Schlussendlich hat Haas sich selbst nicht nur unterschätzt, sondern auch die Konkurrenz überschätzt.

"Ich habe die Windkanalnummer gesehen und glaubt mir, es war keine große Zahl", so Komatsu. "Ich hätte daher auf keinen Fall gedacht, dass es für P7 reichen würde. Was mit Alpine passiert ist, kannst du auch nicht vorhersagen. Du kannst dich nicht darauf verlassen, dass es jemand vermasselt. Man muss davon ausgehen, dass sie einen guten Job machen."

Keine Täuschung, sondern Schutz vor Enttäuschung

Noch einen weiteren Grund für das "Versteckspiel" nennt der Haas-Teamchef. "Ich wollte auch nicht, dass meine Leute in Bahrain sehen, dass wir Letzter sind und dann deprimiert werden", so Komatsu. Dass es dazu nicht kommen würde, wusste der Japaner im Januar natürlich noch nicht.

"Ich wollte sicherstellen, dass meine Leute wissen, dass es nicht ihre Schuld ist, falls wir in Bahrain auf P10 sind", sagt Komatsu. "Sie hatten einfach nicht genug Zeit. Das war also eine interne Botschaft, um Enttäuschung zu vermeiden, keine Täuschung."

Erst beim Wintertest im Bahrain dämmerte es dem Teamchef, dass er womöglich untertrieben hatte. "Als ich beim Vorsaisontest unsere Longrun-Pace sah, dachte ich dann, dass wir vielleicht mit zwei oder drei Teams kämpfen können", gibt Komatsu zu. "Das habe ich aber erst gesehen, als wir an die Strecke gekommen sind."

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Dabei fiel dem Haas-Teamchef ein großer Unterschied zwischen Windkanal und Wirklichkeit auf. "Der Abtrieb, den wir mit unserem Auto generieren, unterscheidet sich stark zu dem, was der Windkanal gezeigt hat", erklärt Komatsu. "Das ist an sich schon ein Problem, aber zum Teil ist es auch eine positive Überraschung. Hätte ich das anhand der Windkanaldaten vorhersagen können? Auf keinen Fall."

Hülkenberg und Magnussen einig: Haben uns selbst überrascht

Auch Nico Hülkenberg und Kevin Magnussen unterstützen die Aussagen ihres Teamchefs und verneinen ein absichtliches Herunterspielen der Haas-Performance. "Ich denke, wir haben einfach ehrlich gesagt, welche Erwartungen wir vor der Saison hatten", so Magnussen.

Die Hoffnung auf eine große Verbesserung gab es schlichtweg nicht. "Letztes Jahr war die Fahrzeugentwicklung ein bisschen chaotisch, da wir zwischen dem letztjährigen und dem diesjährigen Auto hin und her schwankten", erinnert der Däne. "Es gab also keinen Grund zu der Annahme, dass wir uns so verbessern würden. Wir hatten zwar dann schon das Gefühl, dass wir das Auto verbessert hatten, aber im Vergleich zu allen anderen dachten wir, dass sie bestimmt noch mehr Fortschritte gemacht hätten."

"Ich glaube nicht, dass wir die Dinge heruntergespielt haben", stimmt Hülkenberg zu. "Von da, wo wir letztes Jahr aufgehört haben, konnte man einfach nicht viel erwarten. Wir haben uns in gewisser Weise selbst mit dem Paket überrascht, mit dem wir aufgetaucht sind."

Haas-Fahrer Nico Hülkenberg in der Box
Hülkenberg kann sich dieses Jahr über sein Auto freuen, Foto: LAT Images

Über die positive Überraschung kann sich der Deutsche freuen. "Wir können mit jedem im Mittelfeld mithalten", sagt der Haas-Pilot. "Im Vergleich zum Vorjahr ist es eine andere Welt. Die Arbeit, welche die Aero-Leute geleistet haben, ermöglicht es uns, vor allem am Sonntag in einer viel besseren Position zu sein."