Politisch geht es in der Formel 1 auch am Rande des Australien-Wochenendes zur Sache. Während sich die Lage rund um Red Bull und Christian Horner etwas beruhigt hat, gerät nun der Automobil-Weltverband FIA in gleich zwei Fällen ins Fadenkreuz, zuletzt durch eine Anzeige von Toto Wolffs Frau Susie. Aufseiten der Formel-1-Teams wird man des Dauerfeuers müde, und fordert mehr Transparenz.

Wolff meldete sich einen Tag nach dem Bekanntwerden der Anzeige seiner Frau erstmals zu Wort. Das Thema betrifft beide Eheleute - geht es doch um eine Untersuchung der FIA nach der Unterstellung, dass die für das F1-Management arbeitende F1-Academy-Chefin und der Mercedes-Teamchef vertrauliche Informationen ausgetauscht hätten. Toto Wolff stellt diesbezüglich klar, dass seine Frau allein die Strafanzeige in Frankreich eingereicht hat.

Wolff zeigt FIA an! Hamilton schießt gegen fehlende Transparenz (15:33 Min.)

"Sie denkt, ihr wurde Unrecht getan, und dass das vor Gericht angehört werden muss", so Wolff gegenüber 'Sky UK'. "Den Prozess hat sie vor Monaten gestartet und war in meinen Augen sehr gründlich." Es geht eben um das Thema Transparenz: "Was für sie am meisten zählt, ist herauszufinden, was passiert ist und welche Leute die Verantwortung dafür übernehmen. Damit Dinge nicht unter den Teppich gekehrt werden."

Im Fall Wolff soll das Problem sein, dass die FIA zwar eine Untersuchung kommunizierte, aber der Kontakt mit den Beschuldigten nur spärlich ablief. Damit war nie eindeutig, warum ermittelt wurde, beziehungsweise warum nach zwei Tagen die Ermittlung wieder eingestellt wurde. Nicht zuletzt, da sich alle F1-Teams mit Statements gegen Gerüchte wehrten, einer von ihnen hätte die Ermittlung angestoßen.

Wolffs in Frankreich eingereichte Strafanzeige folgte nur einen Tag nachdem die Ethik-Kommission des Verbandes den FIA-Präsidenten Mohammed Ben Sulayem vom Vorwurf der Einflussnahme auf Formel-1-Wochenenden freigesprochen hatte. Mehr dazu hier:

Formel-1-Teamchefs: Zeit für absolute Transparenz

Wenn schon Beteiligte wie Susie Wolff über fehlende Transparenz klagen, wie gut informiert sind dann unbeteiligte Beobachter? Auch für andere Teamchefs sind besonders die FIA-Fälle von großem Interesse. Viel mehr als die offiziellen Medienstatements gab es auch für sie nicht, hält McLaren-Sportchef Zak Brown fest: "Nichts wurde uns erklärt, weder im Vordergrund noch im Hintergrund. Ich weiß nur mehr oder weniger, was ich gelesen habe und was ihr geschrieben habt."

Ausreichend ist das in Browns Augen nicht: "Alle diese jüngst ans Licht gekommenen Dinge waren ernste Angelegenheiten. Wir leben im Jahr 2024, nicht 1984. Das heißt totale Transparenz." Natürlich seien das Thema Red Bull, das Thema präsidentielle Einflussnahme und das Thema Wolff grundverschieden, aber: "Solange es diese ganzen unbeantworteten Fragen gibt, werden die Leute Fragen stellen."

"Das ist keine gute Lage", ortet Brown hier als Konsequenz eine Unmöglichkeit, zurück zum Rennfahren zu gehen. "Es gab nicht das entsprechende Niveau an Transparenz, und wir müssen sicherstellen, dass jeder die gleiche Chance hat, sich zu äußern."

Transparenz ist schwierig: Teamchefs sondieren den Ernst der Lage

Schwieriger wird es, wenn man über das Schlagwort "Transparenz" hinausgeht und versucht festzumachen, wie genau diese Transparenz aussehen soll. Dessen mehr als bewusst ist sich Peter Bayer. Er ist heute CEO der Racing Bulls, war davor aber FIA-Generalsekretär für Sport: "Wenn es um individuelle Themen wie eine Whistleblowing-Hotline geht, dann musst du sicherstellen, dass es da eine absolute Garantie und einen absoluten Schutz für diese Whistleblower gibt."

"Transparenz darf nicht mit Neugier vermischt werden", mahnt Bayer. Für ihn geht es darum, dass man volles Vertrauen in den Prozess hat. Sauber-Teamrepräsentant Alessandro Alunni Bravi, ein gelernter Anwalt, führt weiter aus: "Es heißt, dass Quellen gecheckt werden, der Prozess den Regeln folgt, und die Beteiligten alle Beweise bekommen sowie die Chance, sie gegenzuchecken und ein Kreuzverhör durchzuführen."

Es heißt nicht, dass diese Informationen auch Beobachtern zugänglich gemacht werden müssen. "Im Anbetracht von Vertraulichkeiten sind wir nicht unbedingt dazu berechtigt, alle Details zu kennen", schränkt auch Zak Brown ein. "Wir müssen nur darauf vertrauen können, dass ein vorgebrachtes Problem von unabhängiger Seite behandelt wird, und dass alle Beteiligten angehört werden."

Formel-1-Teams schwören auf FIA: Vertrauen ist da

Ein alle zufriedenstellendes System hat die FIA aktuell nicht - aber das bedeutet nicht, dass dieses angesprochene Vertrauen nicht vorhanden ist. Alle Teamchefs bemühen sich am Rande des Australien-GPs mehrmals zu versichern, dass sie dem FIA-Prozess vertrauen. Der ist auch für Unabhängigkeit ausgelegt.

So hat die FIA eine Ethik-Kommission geschaffen, die innerhalb des Verbandes unabhängig operieren und frei von Einflussname sein soll. Sie ist es, die den Fall des FIA-Präsidenten evaluiert hat. Genauso gibt es inzwischen eine "Ethik- und Compliance-Hotline", wo man auch anonym Beschwerden deponieren kann. Das betrifft alles von Belästigung bis zu Vergehen gegen das Finanzielle Reglement der Formel 1.

McLaren-CEO Zak Brown in der Boxengasse
Zak Brown fordert mehr Klarheit in der Formel 1, Foto: LAT Images

"Ich denke, das sind alles recht neue Zwischenfälle", analysiert Brown die Ungewöhnlichkeit der letzten Szenarien. Daher gelte es der FIA etwas Raum zu geben, um daraus zu lernen und die Kommunikation zu verfeinern. Der Gefahr eines Vertrauensverlusts also zuvorzukommen. Zum Beispiel im Fall der angeblichen Einflussname des Präsidenten: "Ein Sammelbericht würde uns vielleicht allen helfen, besser zu verstehen, was die Beschwerden waren und warum am Ende nichts gefunden wurde."

Letztendlich bleibt es die Zuständigkeit der FIA. Unabhängig davon hält Toto Wolff jedoch auch fest: "Manchmal müssen wir Dinge vielleicht aus dem Zuständigkeitsbereich unseres Sportes herausnehmen und mit ihnen in die echte Welt gehen. Um zu sehen, was dann passiert."