Beim ganzen Trubel um die Personalie Christian Horner könnte fast vergessen werden, dass Red Bull auch noch aufgrund einer anderen Thematik in der Kritik steht. Es geht um die immer engere Allianz zwischen dem Weltmeisterteam und den Racing Bulls. McLaren-Geschäftsführer Zak Brown galt in den letzten Wochen als Chefkritiker dieser Verbindung. Nun bekommt er mit Mercedes-Teamchef Toto Wolff einen prominenten Mitstreiter.

Kooperation der Red-Bull-Teams wirft Fragen auf

"Red Bull hat ein Vermächtnis und der Sport schuldet ihnen viel. Sie haben zwei Teams, die sie finanzieren, sie haben ein großartiges Nachwuchsprogramm, eine Rennstrecke und eine Menge Markenwert" erkennt Wolff an. ABER: "Auf der anderen Seite sind wir eine Sportart für Konstrukteure. Ich glaube, dass bei gleichem Anteilseigner, gleichem Standort und gleicher Ausstattung immer eine gewisse Ungewissheit für uns Konkurrenten bestehen bleibt."

In Milton Keynes wird ausgebaut, auch für die Racing Bulls, Foto: AVL
In Milton Keynes wird ausgebaut, auch für die Racing Bulls, Foto: AVL

Der Hauptstandort der Racing Bulls ist weiterhin in Faenza in Italien. Die performance-technisch so wichtige Aerodynamik-Abteilung ist aber fest im Red-Bull-Campus in Milton Keynes eingegliedert. Dieser wird aktuell groß ausgebaut. Neben der hauseigenen Motorenabteilung entsteht auch ein neuer Windkanal. Befürchtungen, dass bald vier Red Bulls vorneweg fahren könnten, bestätigten sich zum Saisonauftakt nicht, aber Wolff fordert bereits strengere Richtlinien für die nächste große Regelrevolution: "Sind die Vorschriften streng genug? Werden sie gut genug überwacht, damit wir uns sicher fühlen können? Sehen wir einige potenzielle Schlupflöcher? Und was brauchen wir für 2026?"

Wolff will komplette technische Trennung der Teams

"Es gibt einen klaren Trennstrich im Reglement, und es liegt an der FIA zu entscheiden, ob er weiß oder schwarz ist", meint auch Ferrari-Teamchef Fred Vasseur. Die Besitzverhältnisse sind für ihn in der technischen Frage zweitrangig: "Man kann sich eine Zusammenarbeit vorstellen, auch wenn man am Ende nicht demselben Unternehmen gehört. Das ist möglich." Sein Team und Haas sind dafür ein gutes Beispiel. Die Amerikaner kaufen alles in Maranello ein, was erlaubt ist.

Wolff hingegen will auch diese Kooperationen nicht mehr. Er würde dafür sogar auf Einnahmen für Mercedes verzichten: "Wir verkaufen Aufhängungen an Aston Martin und Williams sowie Getriebe und aerodynamische Dienstleistungen in Bezug auf den Windkanal an Aston Martin. Das bringt ziemliche Gewinne ein. Aber mir wäre es lieber, wenn wir das alles nicht hätten und alle Konstrukteure wären. Denn dann können wir all diese Diskussionen beenden."

Netflix sammelt Beweismaterial für Zak Brown

Neben der technischen Frage gibt es aber eine Thematik, bei der die Besitzverhältnisse sehr wohl eine Rolle spielen können. Es geht um Entscheidungsmacht und fehlende Eigenständigkeit der Racing Bulls. Zak Brown warnt, dass Red Bull mit dem Besitz zweier Teams bereits in einer anderen Sportart hohe Wellen geschlagen hat: "Ich denke die Champions League ist ein gutes Beispiel. Wenn man sich ansieht, was in der Champions League passiert ist, war das ziemlich umstritten, und sie mussten völlige Unabhängigkeit beweisen." RB Salzburg und RB Leipzig wurden als unabhängig erklärt. Und doch wechseln in aller Regelmäßigkeit Spieler und Personal aus Salzburg nach Leipzig.

Für Brown ist es in der Formel 1 nichts anderes: "Man sieht auf Netflix [in Drive to Survive, Anm. d. Red.], wie der Teamchef von Red Bull eine Entscheidung über den Fahrer trifft, der im AlphaTauri fährt. Wenn man Helmut [Marko] sagen hört, dass sie alles tun werden, was sie im Rahmen der Regeln tun können, um die beiden zusammenzubringen. Wenn der CEO sagt, dass sie ihre Aufhängung verwenden müssen, weil sie der zweitwichtigste Teil des Rennwagens ist, dann erscheint mir das nicht gerade unabhängig."

Toto Wolff, Zak Brown und Fred Vasseur in der Pressekonferenz um Bahrain Grand Prix
Toto Wolff(l.) und Zak Brown(m.) sind Gegner der Red-Bull-Allianz, Foto: LAT Images

Zwei Teams in der F1-Kommission: Zu viel Macht für Red Bull?

Für Toto Wolff hat Red Bull damit zu viel Macht im Sport: "Wenn einer alle Entscheidungen trifft, oder eine kleine Gruppe von Leuten für zwei Teams, was bedeutet das dann für unsere Führung im Sport? Sie haben zwei Stimmen in einer 10-köpfigen F1-Kommission. Sie haben bereits 20 % der Stimmen. Das hat keiner von uns." Den Vergleich mit engen Kundenbeziehungen will er nicht gelten lassen: "Ich weiß, dass es immer das Argument gibt, 'Williams wird wie sie [Mercedes] stimmen'. Aber schauen Sie sich die Statistiken an. Das ist nicht der Fall."

Für Wolff ist klar, dass es sich auf Führungsebene nicht um zwei verschiedene Teams handelt: "Ich habe keine unterschiedlichen Abstimmungen zu fahrwerksbezogenen Themen oder in anderen Abstimmungen zwischen AlphaTauri und Red Bull gesehen. Weil es eine Person ist, die wahrscheinlich entscheidet, wie die Abstimmung ausfällt." Auch Brown stellte klar, dass es ihm um dieses Problem geht: "Ich bin viel mehr an der Unabhängigkeit der 10 Teams interessiert als an der eigentlichen Eigentümerschaft. Es geht dabei um Fragen der Führung und des Abstimmungsverhaltens."

In dieser Thematik hielt sich Vasseur stärker zurück. Die Beziehung zwischen Ferrari und Haas war 2018, als Haas stark auffuhr, bereits ähnlich unter Beschuss geraten. In Sachen Machtverhältnisse in der Formel 1 musste er seinen Kollegen dann aber doch, zumindest vorsichtig, recht geben: "Es stimmt, dass es ein wenig unausgewogen ist, wenn jemand zwei Stimmen im Vergleich zu den anderen Teams hat. Wenn man weiß, dass man für eine Entscheidung eine große Mehrheit braucht und acht Stimmen benötigt, bedeutet das, dass man fast in der Lage ist, die Entscheidung zu blockieren."

Was meint ihr? Ist zu kontrollieren, dass Red Bull und die Racing Bulls nicht gemeinsam entwickeln? Hat der Konzern mit zwei Teams zu viel Macht in der Formel 1? Sagt es uns in den Kommentaren!