Zwölf Monate harte Arbeit waren vonnöten, doch nach den Formel-1-Testfahrten 2024 laufen die Ferrari-Fahrer mit leiser Zuversicht durch das Paddock. Der Fluch des unkontrollierbaren, unberechenbaren, nicht abzustimmenden Autos scheint mit dem SF-24 wieder gebrochen. Nicht nur das Fahrer-Feedback zeigt das. Auch die erste Daten-Analyse.

Es sind also nicht bloß höfliche Floskeln, wenn Carlos Sainz sich nach dem Test hinstellt und verkündet: "Das Auto befand sich von Anfang an in einem guten Fenster." Vor allem positiv: Ferrari scheint nicht die Stärken des Vorjahres signifikant geschwächt zu haben. Auch der neue SF-24 ist auf eine Runde ein schnelles Auto. Mit 1:29,921 schaffte Sainz als einziger Fahrer beim Test eine Runde unter 1:30.

Ferrari hat alte Schwächen 2024 ausgemerzt

Wie im Vorjahr fuhren Sainz und Charles Leclerc auch 2024 ihre besten Test-Runden mit dem unveränderten C4-Reifen, und bei halbwegs vergleichbaren Bedingungen. Das ermöglicht bei ähnlichen Rahmenbedingungen ein Übereinanderlegen der dies- und letztjährigen Runden. Womit man schnell den Verbesserungen auf die Spur kommt.

In der Grafik werden die besten Runden von Leclerc verglichen. Der klarste Schritt nach vorne zeigt sich eindeutig in engen Kurven. Im Bereich der beiden Haarnadeln im Mittelsektor, Kurve 8 bis Kurve 10, erarbeitet sich Leclerc den größten Zugewinn. 0,33 Sekunden war er im SF-24 hier schneller. Ergänzt wird das um 0,26 Sekunden in der letzten Kurve.

In allen langsamen Kurven gewinnt Leclerc im neuen Ferrari auffällig Zeit. Das untermauert, was die Fahrer am Donnerstag schon andeuteten. Der neue SF-24 soll in jeder Runde berechenbar und nicht mehr anfällig für Wind- oder Temperaturänderungen sein. Dadurch können die Fahrer schnell ein optimales Setup herausarbeiten, und haben jede Runde das Vertrauen in das Auto, dass es sich gleich verhält.

Das bedeutet, dass die Fahrer nicht mehr zögerlich in die Kurven einfahren. Ein genauerer Blick auf die zwei Haarnadeln bestätigt das. Sowohl Leclerc als auch Sainz bremsten in ihren schnellen Runden später und durchfuhren die Kurve näher am Optimum.

Im Vorjahr sah das anders aus. Wechselten Wind oder Temperatur, konnte sich das Fahrverhalten manchmal innerhalb einer Runde radikal ändern. Ferrari war oft gezwungen, Untersteuern als Sicherheitsnetz in Setups einzuarbeiten, um die Nervosität abzufedern. Damit wurde allerdings auch das Einlenkverhalten des Autos gedämpft.

Die Fahrer mussten also wählen. Ein aggressives Setup riskieren und das mit vielen Rutschphasen und womöglich sogar überraschenden Unfällen bezahlen? Oder ein passives Setup wählen, und einfach nicht schnell sein? 2024 scheint dieses Problem gelöst, das lässt zumindest der erste Test vermuten. Auch ohne Änderung des Aufhängungs-Konzepts auf Red-Bull-Design. Eine Entscheidung, die bereits hinterfragt wurde. Ferrari aber verteidigt seinen Anti-Red-Bull-Weg bei der Aufhängung.

Ferrari auch im Renn-Trimm besser?

Berechenbarkeit schlägt sich aber nicht nur in Push-Runden nieder. Wirklich bezahlt macht sich ein durch äußere Einflüsse nicht zu beeindruckendes Auto im Renn-Trimm. Wenn es darum geht, in Bahrain 56 Runden lang so wenig zu rutschen und die Reifen auf dem aggressiven Asphalt zu schonen.

Diesbezüglich beeindruckte daher vor allem die Longrun-Pace des neuen Ferrari. Vergleiche mit dem Vorjahres-Test sind hier schwieriger, weil weder Leclerc noch Sainz damals eine volle Rennsimulation fuhren, sprich das Auto auftankten und mit zwei Reifenwechseln einen echten Grand Prix simulierten. Allerdings zeigt eine abgebrochene Leclerc-Simulation vom Vorjahr im Vergleich mit diesem Jahr das Potenzial.

Im Vorjahr begann der Ferrari im Renn-Trimm langsamer, und es wurde schlimmer, je älter der Reifen wurde. Dieses Jahr zeigen Sainz und Leclerc beide einen Schritt nach vorne. Sainz fuhr am Donnerstag drei passive Stints. Dabei fiel vor allem auf, dass seine Rundenzeiten im zweiten und dritten Stint nicht einbrachen.

Leclerc versuchte es am Freitag basierend auf den Sainz-Erkenntnissen aggressiver und startete seinen zweiten und dritten Stint mit deutlich höherer Schlagzahl. Ein Einbruch war zwar die Folge - aber er war nicht gravierend. Am Ende des Mittelstints ließen die Reifen bei Leclerc zwar sichtlich nach, doch das brachte ihn lediglich zurück auf das Niveau von Sainz vom Vortag. Was andeutet, dass ein weiter optimierter Ferrari sogar noch mehr hergeben kann.

Wie nah an den Red Bull kommt der Ferrari?

In absoluten Zahlen beendete Ferrari den diesjährigen Bahrain-Test sogar in allen Wertungen vor Red Bull. Sie hatten eine schnellere Runde (Sainz' 1:29,921 gegen Sergio Perez' 1:30,684). Und sie hatten eine schnellere Rennsimulation. Doch hier beginnt die Realität die Scuderia einzuholen.

Neuer F1 Technik-Trick von Mercedes! Wie funktioniert er? (09:55 Min.)

Sainz und Leclerc fuhren schnelle Runden auf dem weicheren C4, während Perez und Max Verstappen nur C3 benutzten. Dieser Reifen ist um 0,6 bis 0,7 Sekunden langsamer. Und was die Renn-Simulation angeht: Nur Perez fuhr eine, und zu einer ungünstigeren Zeit, nämlich in der Nachmittagssonne. Sainz und Leclerc fuhren am Abend. Verstappen fuhr gar nicht. Die Test-Analyse erklärt im Detail, wo Ferrari sich relativ zur Konkurrenz befindet:

Bei Miteinbeziehen dieser Faktoren wird klar, warum jeder bei der Scuderia fest davon ausgeht, dass Max Verstappen wohl gleich mehrere Zehntel an Puffer noch in der Hinterhand hat. Dennoch - der Grundstein ist bei Ferrari gelegt, um aus der Handling-Hölle des Vorjahres zu entkommen.