Mick Schumacher hat ohne die Aussicht auf einen Platz in der Formel 1 für 2024 rechtzeitig die Weichen für seine Zukunft gestellt. Mit der Bekanntgabe für das LMDh-Projekt von Alpine und seiner Teilnahme beiden 24 Stunden von Le Mans 2024 bestreitet der Deutsche neue Wege und tritt dabei auf eine andere Weise in die Fußstapfen von Vater Michael Schumacher. Die Rückkehr in die Königsklasse bleibt sein erklärtes Ziel, doch den Wechsel in die WEC sieht er keineswegs als Rückschritt. Die Langstreckenweltmeisterschaft hat für ihn nicht nur fahrerisch einen entscheidenden Stellenwert.

"Es ist eine aufstrebende Meisterschaft und ich würde es nicht als Rückschritt bezeichnen. Ich denke, es hat ganz wie die Formel 1 seinen Charme und seine eigene Herausforderung", so Schumacher im Vorfeld des letzten Rennwochenendes der Formel-1-Saison 2023 in Abu Dhabi gegenüber Motorsport-Magazin.com. Bereits früh im Jahr zeichnete sich ab, dass die Chancen auf ein F1-Comeback gegen Null tendieren.

Seine Entscheidung für die WEC war letztendlich wohl überlegt. Schumachers oberste Priorität war, kein weiteres Jahr nur auf der Ersatzbank zu verbringen. "Die Freude ist natürlich, wieder Rennen fahren zu können", so der 24-Jährige, der nach zwei Jahren mit Haas in diesem Jahr die Rolle des Entwicklungsfahrers bei Mercedes einnahm. Abgesehen von einem Reifentest im direkten Anschluss an das Rennwochenende in Barcelona, beschränkte sich seine Arbeit auf Simulatorsessions.

Schumacher schlägt IndyCar und Super Formula aus

Die Arbeit mit dem Top-Team brachte ihm vor allem hinter den Kulissen neue Erkenntnisse, doch für seine Karriere sah er in der Position letztendlich eine Sackgasse. "Es gibt für mich keinen Grund, hier zu bleiben und den Anschluss an alle anderen zu verlieren. Deshalb gehe ich lieber dort raus und entwickle meine Fähigkeiten weiter. Ich freue mich darauf, ob mich das schlussendlich an irgendeinem Punkt zurück in die Formel 1 oder daraus eine neue Karriere entsteht", erklärt er.

Neben der WEC standen für ihn auch die IndyCar und die Super Formula zur Debatte, doch ausschlaggebend war letztendlich die Formel 1. Ein interkontinentales Engagement in den USA oder in Japan hätte bedeutet, dass er aus dem Dunstkreis der F1 verschwindet. "Die Sache ist, dass du dort kaum eine Chance hast, ein duales Programm mit einem Formel-1-Team zu machen", so Schumacher, der auch im kommenden Jahr als Entwicklungsfahrer bei Mercedes an Bord sein wird.

Darüber hinaus ist der Kalender der WEC mit nur acht Veranstaltungen deutlich kompakter als beispielsweise das Programm der IndyCar mit 17 Rennen. Schumacher machte dieser Umstand die Entscheidung am Ende leicht: "Für mich war es relativ wichtig, meinen Job in der Formel 1 behalten zu können. Deshalb war die WEC einfach die Serie, in der ich mich am ehesten sehen konnte, um Rennen zu fahren aber auch die Verbindung zur Formel 1 aufrechtzuerhalten. Von daher ist immer ganz klar gewesen, dass ich in Europa bleibe."

Sebastian Vettel unterstützt WEC-Wechsel von Mick Schumacher

Der Zeitpunkt für den Wechsel zu den Sportwagen kommt dem 43-fachen Grand-Prix-Teilnehmer nicht nur mit Blick auf die eigene Laufbahn gelegen. Im vergangenen Jahrzehnt litt die Prototypenkategorie der WEC unter massivem Herstellerschwund. Legendäre Langstreckenrennen wie die 24 Stunden von Le Mans verloren durch diesen Umstand an Prestige, wodurch das mediale Interesse am Geschehen einen Tiefpunkt erreichte. Seit der Einführung des Hypercar-Reglements erfährt die Serie einen Boom.

"Die WEC ist eine Meisterschaft, die im Moment sehr wächst. Wir sehen, dass sehr viele Hersteller dazu tendieren, bei den Hypercars einzusteigen. Das bringt dem Sport sehr viel und mir selber auch", so Schumacher. 2024 werden mit BMW, Porsche, Ferrari, Toyota, Peugeot, Lamborghini, Cadillac und Alpine mehr Hersteller als je zuvor in der Königsklasse der Prototypen am Start sein.

In den vergangenen Monaten machten auch Spekulationen um ein mögliches Motorsport-Comeback von Sebastian Vettel im Rahmen der WEC die Runde. Der viermalige Formel-1-Weltmeister ließ sich im Gegensatz zu Schumacher noch nicht überzeugen, stand seinem Freund aber bei dessen Entscheidung zur Seite. "Ich habe mit Sebastian kurz darüber geredet. Er hat dabei auch eine Rolle gespielt. Er weiß so viel über den Motorsport und da lag es für mich nahe, dass ich ihn nach seiner Meinung Frage", erklärt Schumacher.

Wie Michael Schumacher bei den 24 Stunden von Le Mans, nur umgekehrt

Auf sportlicher Ebene ist der Wechsel aus dem Formelsport auf die Langstrecke für ihn ein willkommener Schritt in seiner Rennfahrerkarriere. "Ich sehe es als eine Herausforderung, an der ich mich als Fahrer weiterentwickeln kann", sagt er. "Und es ist auch schön, das mit Alpine zu bestreiten. Es wird ihr erstes Jahr und die Ansprüche sind sehr hoch. Hoffentlich kann ich meinen Teil dazu beitragen, mit dem was ich kenne und weiß."

Einen weiteren Ausschlag gab die emotionale Komponente. Michael Schumacher trat 1991 als Mercedes-Junior in der berüchtigten Gruppe-C-Ära bei den 24 Stunden von Le Mans an. "Der einzige Bezug, den ich wirklich dazu habe, ist, dass mein Papa dort gefahren ist", sagt Schumacher mit Blick auf den legendären Langstreckenklassiker. Anders als sein Vater geht er den Karriereschritt allerdings nach der Formel 1.

Michael Schumacher gab wenige Wochen nach dem Debüt in Le Mans seinen Einstand in der Formel 1, als er für Jordan beim Großen Preis von Belgien ins Lenkrad griff. "Ich mache es umgekehrt. Ich habe immer viele Parallelen zur Karriere meines Vaters gesehen. Jetzt da ich Sportwagen fahren werde, wird das für mich vielleicht der Anfang, zur Mitte der Saison in Spa", flachst Schumacher. "Es wird natürlich ein interessantes Kapitel in meiner Karriere, vor allem wenn ich daran denke, was er [Michael Schumacher] damals im Mercedes-Juniorprogramm gemacht hat."