Mercedes und Ferrari duellierten sich vor einem halben Jahrzehnt um die Krone in der Formel 1. Doch 2023 geht es nur mehr um Platz 2. Und selbst dann muss man eines vorwegnehmen: Ein echtes Duell auf Augenhöhe wird es wohl nur geben, wenn Mercedes einmal danebengreift oder die Scuderia ein Traum-Wochenende erwischt. Die "Schwarzpfeile" halten punktetechnisch alle Trümpfe in der Hand, doch bei noch fünf Rennen und zwei Sprints können sie sich noch lange nicht auf ihrem Polster ausruhen.

Punkte: Zunächst einmal der größte Faktor, der das Pendel zugunsten von Mercedes ausschlagen lässt: Die WM-Tabelle. 326 Punkte hat Mercedes im bisherigen Saisonverlauf gesammelt, Ferrari steht hingegen bei 298 Zählern. Mit einem Blick auf die durchschnittliche Punkte-Ausbeute der Roten im bisherigen Saisonverlauf entspricht das etwas weniger als zwei Rennen.

Ferrari im Aufwind?

Im Mittelwert sammelten Carlos Sainz und Charles Leclerc nämlich 15,8 Zähler pro Grand Prix. Wenn man den Sprint-Punkteschnitt dazu addiert, landet man bei etwa 22 Punkten. Die 28 Zähler zu Mercedes sind also alles andere als ein Katzensprung, aber Ferrari benötigt nur ein starkes Wochenende wie in Singapur oder Österreich, um den Druck zu erhöhen. Über fünf GPs verteilt ist die Messe erst recht noch nicht gelesen.

Trend: Ferrari müsste den Silberpfeilen konstant die Pace diktieren. Doch ein allgemeiner Trend in diese Richtung zeichnet sich anhand der Pace nicht unbedingt ab, genauso wenig wie einedie Tendenz in die Gegenrichtung. Je nach Strecke lag im bisherigen Saisonverlauf einmal Ferrari und einmal Mercedes vorne. Aber die Pace ist nur ein Faktor.

George Russell und Lewis Hamilton gelang es lange Zeit besser Schadensbegrenzung betreiben und das verfügbare Potenzial zu maximieren. Doch in den letzten Rennen lässt sich das beileibe nicht mehr behaupten. Seit der Sommerpause hat Ferrari das Momentum auf seiner Seite, wenn auch zumindest teilweise streckenbedingt. In den letzten fünf Grands Prix sammelte die Mannschaft aus Maranello 99 Punkte, Mercedes hingegen nur 73. Der Katar-GP war das einzige Rennwochenende, an dem das Pendel zugunsten von Brackley ausschlug. Ohne die teaminterne Kollision am Start wäre aber auch dort mehr möglich gewesen.

Upgrades: Hier ergibt sich so etwas wie eine Patt-Situation. Ferrari plant 2023 mit keinen großen Änderungen mehr, der Fokus liegt auf 2024. Am Mercedes hingegen soll sich doch noch etwas tun, für Austin ist ein neuer Unterboden geplant. Doch auch das Team rund um Toto Wolff drückt auf die Erwartungsbremse. Mit dem Upgrade will man Erkenntnisse für 2024 gewinnen, kurzfristige Sprünge eher weniger. Wenn überhaupt könnte es Mercedes etwas einbremsen, bis man das eigene Upgrade-Paket erstmal versteht. Wir können aber nicht davon ausgehen, dass es an dieser Front noch zu großen Verschiebungen kommt.

Extrapunkte im Schlussspurt: Wem helfen Sprints und Strecken?

Rennkalender: Ferraris jüngste Formsteigerung ist auch auf günstige Strecken zurückzuführen. Highspeed in Monza lag den Roten, genauso wie der eckige Marina Bay Street Circuit. Mit Blick nach vorne hält sich das wieder etwas mehr die Waage: Las Vegas sollte von der Streckencharakteristik eindeutig wieder den Italienern in die Hände spielen, Brasilien war schon im Vorjahr eine Mercedes-Hochburg.

Mexiko ist Jahr für Jahr ein Ausreißer, da die Kombination aus Highspeed und High-Downforce sonst nirgendwo so geprüft wird. Bleiben nur noch die USA und Abu Dhabi, beides eher Kompromissstrecken bei der Setupwahl. Im Vorjahr glänzte Ferrari sowohl auf dem Yas Marina Circuit als auch im Qualifying auf dem Circuit of the Americas. Im Rennen hatte dort jedoch ein Mercedes wieder die Nase vorne.

Sprints: Gleich zweimal wird beim anstehenden Triple-Header auch ein Rennen am Samstag ausgefahren: In Austin und in Sao Paulo. Wem spielt das in die Karten? In erster Linie natürlich Ferrari, da mehr verfügbare Punkte auch automatisch mehr Chancen bieten, um die Differenz zu Mercedes wieder aufzuholen.

Außerdem waren die Roten in diesem Jahr auch so etwas wie Sprint-Spezialisten, ein Trend der sich nur in Katar nicht bewahrheitete. Zu einem großen Teil ist das auf die Streckenwahl für die Sprint-Wochenenden als auch auf das wiederkehrende Reifenverschleiß-Problem der Scuderia zurückzuzuführen. Kürzere Rennen bedeuten schließlich auch weniger Reifenverschleiß. Ein Schwachpunkt, der inzwischen nicht mehr so präsent ist. Die Strecken, vor allem Sao Paulo, sprechen aber eher für Mercedes.

Formel 1 Kalender 2023, Restprogramm

  • 22. Oktober: Großer Preis von USA (Austin)*
  • 29. Oktober: Großer Preis von Mexiko (Mexiko Stadt)
  • 05. November: Großer Preis von Brasilien (Sao Paulo)*
  • 19. November: Großer Preis von Las Vegas
  • 26. November: Großer Preis von Abu Dhabi

* mit Sprint