Der Österreich GP 2023 wurde nach dem Fallen der Zielflagge noch zur Farce. Aston Martin hatte gegen das Rennergebnis Protest eingelegt, weil ihrer Ansicht nach nicht alle Fahrer für alle Track-Limits-Vergehen bestraft wurden. Tatsächlich wurden Stunden nach dem Rennen noch zwölf zusätzliche Zeitstrafen ausgesprochen, die sich auch auf das Rennergebnis auswirkten.

Carlos Sainz verlor wegen einer 10-Sekunden-Strafe Platz vier und rutschte auf Rang sechs ab. Lando Norris und Fernando Alonso rückten je einen Platz auf. Auch Lewis Hamilton bekam nachträglich noch 10 Sekunden aufgebrummt und verlor dadurch Platz sieben an Teamkollege George Russell. Pierre Gasly verlor durch 10 Strafsekunden einen WM-Punkt und rutschte von neun auf zehn. Profiteur ist Lance Stroll, der den WM-Punkt gewinnt.

Vier Zeitstrafen für Esteban Ocon (insgesamt 30 Sekunden), eine für Alexander Albon (10 Sekunden), eine für Logan Sargeant (10 Sekunden), zwei für Nyck de Vries (15 Sekunden) und eine für Yuki Tsunoda (5 Sekunden) änderten an den Punkterängen nichts mehr. Die Strafen nach dem Rennen wurden zusätzlich zu den Strafen ausgesprochen, die es schon im Rennen gegeben hatte.

Um ein völliges Chaos zu vermeiden, wurden die Stewards beim Strafmaß kreativ. Eigentlich gibt es nach drei Vergehen die Schwarz-weiße Flagge als Warnung, beim vierten Vergehen wird eine 5-Sekunden-Strafe ausgesprochen. Beim fünften Vergehen erfolgt sofort eine Bestrafung mit 10 Sekunden. Um exorbitante Bestrafungen zu vermeiden, führten die Stewards einen Reset nach fünf Vergehen ein. Anschließend begann das Spiel von vorne: Nach weiteren vier Vergehen gab es noch einmal fünf Sekunden, nach einem weiteren Vergehen zusätzliche zehn Sekunden.

Das rettete vor allem Esteban Ocon, der insgesamt zehn Mal die Strecke verlassen hatte. Somit erhielt er fünf Sekunden für das vierte Verlassen, zehn Sekunden für das fünfte Verlassen, weitere fünf Sekunden für Vergehen Nummer neun und noch einmal zehn Sekunden für das zehnte Vergehen. Das ergab in Summe 30 Sekunden extra.

FIA: Neues Ergebnis auch ohne Protest

Schon während des Rennens wurden acht Strafen für das wiederholte Verlassen der Strecke ausgesprochen, insgesamt wurden 96 Rundenzeiten gestrichen. Die Piloten meldeten Vergehen ihrer Kollegen über den Boxenfunk am Fließband, doch die Rennleitung kam mit der Überprüfung gar nicht mehr hinterher.

Deshalb gab es - unabhängig vom Aston-Martin-Protest - nach Rennende ohnehin eine Untersuchung der FIA. Formal wurde dem Protest stattgegeben, das Rennergebnis wäre aber ohnehin angepasst worden - heißt es zumindest von den Stewards.

Die Rennleitung bekam während des Rennens über 1.200 Fälle gemeldet, in denen potenziell die Strecke verlassen wurde. Eine Live-Überprüfung einer solchen Flut an Zwischenfällen ist selbst mit der Hilfs-Rennleitung in Genf nicht möglich, weshalb es nach dem Rennen noch fünf Stunden dauerte, ehe das Ergebnis um 21:45 Ortszeit mit den Strafen korrigiert wurde.

Zwar gibt es in den Kurven neun und zehn, den neuralgischen Stellen der Strecke, Überwachungsschleifen, die in den Asphalt eingelassen sind und Verstöße automatisiert melden, allerdings ist die Technik nicht genau genug. Rennleitung und Stewards können diese Meldungen nur als Anhaltspunkte hernehmen, müssen aber Bilder überprüfen und auf die Berichte der Linienrichter vertrauen.

Dass es in Österreich zu dieser Farce kam, war nicht gänzlich unerwartet. Schon in der Qualifikation am Freitag wurden 47 Rundenzeiten gestrichen. Auf dem Red Bull Ring gibt es seit Jahren Probleme mit den Streckenbegrenzungen, weil neben der Formel 1 auch noch die MotoGP auf dem Alpenkurs fährt. Die Motorradfahrer wollen aus Sicherheitsgründen nicht direkt neben der Strecke Kiesbetten.

FIA empfiehlt Kiesbetten am Red Bull Ring

Trotzdem heißt es von der FIA: "Um das Problem in Zukunft zu lösen, erneuern wir unsere Empfehlung an die Strecke, an den Ausgängen der Kurven neun und zehn Kiesbetten zu installieren. Wir wissen auch, dass das keine einfache Lösung ist, weil andere Serien hier fahren. Aber es hat sich gezeigt, dass das in anderen Kurven und auf anderen Strecken eine effektive Lösung für ähnliche Probleme war."

In der Vergangenheit versuchte man den Tracklimits mit speziellen Sausage-Kerbs Herr zu werden. Teams und Fahrer rebellierten dagegen, weil die Reparaturrechnungen für Frontflügel und Radaufhängungen in die Höhe schnellten.

Seit 2020 sind die quer zur Fahrtrichtung angebrachten Sausage-Kerbs Geschichte. In den ersten beiden Jahren gab es Probleme mit Track Limits, aber bei weitem nicht in diesem Ausmaß. Das hat mit dem Rennleiter-Wechsel zu tun. Bis 2021 war Michael Masi im Amt, seit 2022 Niels Wittich. Der Deutsche legt das Reglement aus, wie es auch geschrieben ist: Die weiße Linie gilt als Streckenbegrenzung.

Masi hingegen definierte die Streckenbegrenzung für einzelne Kurven anders. Auf dem Red Bull Ring zählte er in den Kurven neun und zehn die Kerbs zur Strecke. Dabei verläuft die weiße Linie eigentlich vor den Kerbs. Masis Herangehensweise war pragmatisch, sorgte aber für Chaos, weil für unterschiedliche Kurven unterschiedliche Regeln galten.

Das Strafen-Chaos von Österreich in Zahlen

Insgesamt wurden im Rennen von Österreich 84 Track-Limit-Übertretungen gezählt. Das resultierte in 130 gestrichenen Runden. Die Diskrepanz rührt daher, dass in Kurve 10, der letzten Kurve, bei einem Übertreten sowohl die aktuelle als auch die darauffolgende Runde gestrichen wurden. Im Hinblick auf eine Strafe zählen nur die Übertretungen, nicht die gestrichenen Runden.

Alle Track-Limit-Vergehen aller Fahrer im Rennen:

FahrerVergehen
Ocon10
Albon9
Tsunoda9
Gasly7
Sainz6
Hamilton6
Sargeant6
De Vries6
Magnussen4
Perez3
Norris3
Piastri3
Stroll3
Hülkenberg3
Leclerc2
Bottas2
Verstappen1
Alonso1
Russell0
Zhou0

Noch im Rennen bestätigte Strafen:

FahrerVergehen #Strafe
Hamilton45 Sekunden
Tsunoda45 Sekunden
Sainz45 Sekunden
Magnussen45 Sekunden
Sargeant45 Sekunden
Albon45 Sekunden
Tsunoda710 Sekunden
Gasly45 Sekunden

Erst nach dem Rennen ergänzte Strafen:

FahrerVergehen #Strafe
Sainz510 Sekunden
Hamilton510 Sekunden
Gasly510 Sekunden
Albon510 Sekunden
Ocon45 Sekunden
Ocon510 Sekunden
Ocon95 Sekunden
Ocon1010 Sekunden
Sargeant510 Sekunden
De Vries45 Sekunden
De Vries510 Sekunden
Tsunoda95 Sekunden