Feierstimmung bei Mercedes. Spanien war zwar kein Sieg, aber es war das erste Doppel-Podium der Formel-1-Saison 2023. Das große neue Update scheint tatsächlich zu wirken. Der Rückstand zu Red Bull wurde verkürzt, und die Konkurrenz von Ferrari und Aston Martin wurde stehen gelassen. Doch ist der große W14-Umbau wirklich besser, oder liegt es an Barcelona?

Ganz so einfach ist die Sachlage nämlich nicht, wie Motorsport-Magazin.com in der Rennanalyse des Spanien-GPs hervorhebt. Ja, Mercedes war ungewöhnlich gut - doch hat man sich nicht einfach nur von der Konkurrenz abgesetzt. Stattdessen war diese Konkurrenz auch auffällig schlecht.

Wie gut war Mercedes im Rennen von Barcelona?

Der Rückstand von Lewis Hamilton auf Max Verstappen betrug am Ende des Spanien-GPs jedenfalls noch immer 24,090 Sekunden. Das sind harte Fakten, um die Mercedes nicht herumkommt. Über die ganzen 66 Runden war der Red Bull RB19 deutlich schneller. Im Qualifying erst recht, da fehlte Hamilton eine halbe Sekunde.

Wo Mercedes aber glänzen konnte, war zu Beginn und im Mittelteil des Rennens. Auf dem Soft und dem Medium war der W14 in Barcelona in den ersten beiden Stints stark. Verstappen, der mit Medium-Hard-Soft eine andere Reifenstrategie fuhr, klagte besonders im Mittelteil über den Hard. Bei kühlen Temperaturen war die Abnutzung in Barcelona geringer als erwartet. "Es war ein schlechterer Medium, mit der gleichen Abnutzung, aber mit mehr Rutschen", erklärt Verstappen. In seinen letzten 14 Runden auf dem Soft sah er wieder besser aus.

Mercedes erzielte also eine Teilerfolg. Hamilton hätte ohne einem Fehler im Qualifying auch vom zweiten Startplatz losfahren können. So verlor er in der Frühphase des Rennens den Großteil der ersten acht seiner 24 Sekunden Rückstand hinter Lance Stroll und Carlos Sainz. War er die beiden erst einmal los, konnte er im ersten Stint auf Soft den Verlust auf Verstappen eindämmen. Im zweiten Stint auf Medium fuhr er die letzten fünf Runden ebenfalls auf Verstappen-Niveau.

Mercedes-Ergebnis in Barcelona relativiert

In Summe hätte Hamilton, so auch das Fazit von Toto Wolff, ein optimales Rennen mit einem Rückstand von unter 20 Sekunden auf Verstappen beenden können: "Wir waren einfach viel näher, auch wenn du siehst, wo die Benchmark ist." Damit wäre er zumindest in Red Bulls Boxenstopp-Fenster geblieben, und das wäre für Mercedes tatsächlich ein klarer Fortschritt.

Doch es gilt einzuschränken. Das weiß auch das Team. Der Mercedes W14 war im Rennen zwar nicht schneller als der Red Bull RB19, aber er war für die Bedingungen das beste Paket. In Barcelona war, besonders durch den schnelleren neuen Streckenverlauf, der linke Vorderreifen der limitierende Faktor. Mercedes ist besser auf Strecken, auf denen die Vorderreifen das Limit vorgeben.

Alle Stints und Stopps in Barcelona, Foto: Pirelli
Alle Stints und Stopps in Barcelona, Foto: Pirelli

Ergebnis: Hamilton und Russell konnten Soft-Medium-Soft fahren, ohne einen Pace-Einbruch zu erleiden, obwohl beide auch Zeit hinter anderen Autos im Verkehr verbrachten. Red Bull ging andererseits das Rennen sehr konservativ an. Aus Angst, dass der Reifenverschleiß höher sein könnte als erwartet, eröffnete Verstappen als einziger in den Top-10 das Rennen auf Medium.

"Wir sind alle drei Mischungen gefahren und hatten die Pace, um gegen alles abzudecken, was passieren könnte", ist Red-Bull-Teamchef Christian Horner zuversichtlich. Verstappen vervollständigte in der Pressekonferenz das Bild mit einer eindeutigen Ansage: "Zum Glück ist das Auto noch immer schnell, also verlierst du nicht wirklich Zeit." Selbst mit schlechtem Handling auf dem falschen Reifen war der RB19 immer noch gleich schnell wie der W14.

Mercedes-Gegner im Barcelona-Rennen planlos

Auf der anderen Seite hatte Mercedes in Barcelona aber auch die bisherigen direkten Gegner von Ferrari und Aston Martin sehr deutlich im Griff. George Russell fuhr nicht nur dank gutem Start von Platz zwölf auf das Podium. Er musste mit Fernando Alonso, Lance Stroll und Carlos Sainz drei Autos schlagen, die an den vergangenen Rennwochenenden für den W14 eine Herausforderung gewesen waren.

Lance Stroll wurde von Lewis Hamilton auf der Strecke überholt, Foto: LAT Images
Lance Stroll wurde von Lewis Hamilton auf der Strecke überholt, Foto: LAT Images

Doch die Gegner machten ihm das Podium nicht so schwierig wie er es erwartet hatte: "Schon nach dem ersten Stint glaubte ich, dass es möglich sein würde, als ich die anderen Autos zu Boxenstopps abbiegen sah. Meine Reifen fühlten sich gut an, das Auto fühlte sich gut an. Nahc zwei Runden dachte ich: 'Weißt du was, wir können das heute schaffen.'"

Alonso findet keinen Weg zur Barcelona-Gegenwehr

Fernando Alonso fuhr das schlechteste Wochenende seiner Saison 2023. Nachdem er trotz kaputtem Unterboden im Qualifying um die vorderen Plätze gekämpft hatte, ging im Rennen überraschend wenig. Schon in Runde sieben wurde er von Russell überholt. Lange fuhr er hinter dem Alpine von Esteban Ocon herum, sogar der war für ihn diesmal eine Herausforderung.

Die Rundenzeiten von Alonso und Teamkollege Lance Stroll zeigen, dass der AMR23 die gewohnte Pace nicht hatte. Selbst als Alonso in freier Fahrt versuchte das Tempo anzuziehen, merkte er gleich, dass das den Reifen nicht guttun würde. Bis zu seinem ersten Boxenstopp war er eine halbe Sekunde langsamer als Russell und teils eine Sekunde langsamer als Hamilton. Aston Martin fuhr zwei Stints auf Soft und erkannte danach, dass der Reifen aus noch unbekannten Gründen am AMR23 einfach nicht funktionierte.

Nach dem Rennen räumte Alonso ein, dass man nach den Trainings schon nicht wirklich wusste, wie das Rennen anzulegen sein würde: "Die Strecke ist nicht unsere beste. Von FP1 weg waren wir auf einem komplett anderen Setup als wir vorhergesagt hatten. Wir mussten das ganze Wochenende viel arbeiten, um happy mit dem Auto zu sein. Das war eher neu für uns, wir waren bisher immer ab FP1 schon happy."

Ferrari mit Barcelona-Updates: Verschärft sich die Krise?

Auch Ferrari war verwirrt. Anders als Aston Martin ist dort das Problem aber ungleich größer. Mit einem großen Update-Paket - Seitenkästen, Unterboden und mehr - war die Scuderia angereist. Ziel war die Performance des SF-23 zu normalisieren, weg von der von Stint zu Stint unberechenbaren Natur des Autos. Zumindest am ersten Wochenende wurde daraus nichts.

Charles Leclerc litt im ersten Stint auf dem Hard mit Graining an der Vorderachse. Aber nur im ersten Stint, den er frühzeitig für einen Soft-Spurt abbrach. Dann zog er am Schluss wieder Hard auf: "Ich habe genau dasselbe getan, und es hat sich richtig gut angefühlt. Aus irgendeinem Grund kommen wir nie ins richtige Fenster des Reifens. Wenn, dann ist es eine Überraschung."

Die Probleme scheinen ohne Muster. Carlos Sainz fuhr einen passablen ersten Stint auf Soft und wechselte auf Medium. Damit gewann er in den ersten fünf Runden magere zwei Sekunden auf den noch ohne Stopp fahrenden Lewis Hamilton. Kaum hatte Hamilton dann neue Reifen drauf, brannte er Sainz zwischen den Runden 26 und 40 plötzlich 17 Sekunden auf. War der Ferrari im ersten Stint in den engen Kurven 4 und 5 noch besser als der Mercedes, so verkehrte sich das im zweiten Stint plötzlich ins Gegenteil.

Damit war besiegelt, dass Sainz auch noch hinter Sergio Perez auf den fünften Platz zurückfiel. Der Absturz war so gravierend, dass er sogar Red Bull überraschte, wo die Simulationen Platz fünf hinter dem Ferrari als Endpunkt der Aufholjagd des von Platz elf losgefahrenen Perez ausgespielt hatten.

Es geht nicht mehr nur um den Reifenverschleiß, der zu Saisonbeginn als Achillesferse von Ferrari galt. "Es hätte der Reifenverschleiß werden können, wenn du mehr pushst, aber Carlos hatte in den letzten Runden passable Pace", entgegnet Teamchef Fred Vasseur. "Es ist nicht so, dass wir die Reifen verlieren."

Ein Temperaturwandel von zwei bis drei Grad kann den Ferrari schon zwischen Perfektion und Desaster wanken lassen. Woran das liegt, weiß momentan niemand. "Wenn ich es wüsste, würden wir es lösen, da arbeiten 1.000 Leute dran", lautet die bittere Analyse von Vasseur.

Fazit: "In zwei Wochen werden wir ein komplett anderes Bild sehen", glaubt Fernando Alonso. Beweis für einen Mercedes-Durchbruch ist Spanien keiner. Strecke und Wetter haben ohne Zweifel eine große Rolle gespielt. Auch Ferrari muss erst einmal das erste Wochenende mit den neuen Teilen evaluieren. Und Mercedes gab freiheraus zu, dass ihr eigenes Problem mit engem Arbeitsfenster bei weitem nicht gelöst ist. In Spanien musste Mick Schumacher im Simulator noch am Freitag bei der Lösungsfindung helfen.

Formel 1 WM-Stand 2023: Die Team-Tabelle

  • 1. Red Bull/Honda RBPT (287 Punkte)
  • 2. Mercedes (152 Punkte)
  • 3. Aston Martin/Mercedes (134 Punkte)
  • 4. Ferrari (100 Punkte)
  • 5. Alpine/Renault (40 Punkte)
  • 6. McLaren/Mercedes (17 Punkte)
  • 7. Haas/Ferrari (8 Punkte)
  • 8. Alfa Romeo/Ferrari (8 Punkte)
  • 9. AlphaTauri/Honda RBPT (2 Punkte)
  • 10. Williams/Mercedes (1 Punkt)