Der Start in die Formel-1-Saison 2020 wurde für Ferrari zur Horrorshow. Zwei Mal nirgendwo im Qualifying trotz nach nur einem Rennen vorgezogener Upgrades. Nur ein glückliches Podium im ersten Rennen. Dann der absolute Tiefpunkt beim Steiermark GP: Charles Leclerc und Sebastian Vettel kollidieren in der ersten Runde.

Die Formel-1-Welt spart danach nicht mit Kritik. "Das ist wirklich ein Absturz mit historischem Ausmaß", urteilt TV-Experte Ralf Schumacher in seiner Sky-Kolumne. "Der Ferrari ist eine Fehlkonstruktion. Nicht nur der Motor ist das Problem. Die Mechanik funktioniert auch nicht. Beide Fahrer kommen damit nicht klar, ein klares Indiz dafür."

Auch Gerhard Berger, einst selbst jahrelang Ferrari-Pilot, findet in 'Sport und Talk' auf ServusTV deutliche Worte: "Es läuft gar nichts. Der Speed ist nicht da, weder im Trockenen noch im Nassen. Dann diese Unfälle, schon letzte Woche, diese Woche wieder. Das kommt alles zusammen. Ich glaube, Ferraris Kernproblem sind jetzt aber nicht diese Vorfälle im Rennen, sondern dass sie weit weg sind von der Spitze."

Berger ortet Medien-Problem bei Ferrari

Die Situation führt vor allem im Heimatland der Scuderia, in Italien, zu Unmengen an schlechter Presse. "Ferraris Albtraum - langsam und ohne Zukunft" schrieb die 'Gazzetta dello Sport' am Montag etwa und kommentierte zynisch, dass man 'Murphys Gesetz' in 'Ferraris Gesetz' umbenennen solle: "Wenn etwas schief gehen kann, wird es wahrscheinlich schiefgehen." Das Team selbst flüchtete in Spielberg schon, und strich am Sonntagnachmittag die Medienrunde für Printjournalisten.

Berger fürchtet, dass diese italienischen Emotionen nach den Rennen nun auch auf das Team selbst übergreifen: "Wenn so Krisen sind ist furchtbare Stimmung und es geht dann drunter und drüber. Daher glaube ich nicht, dass Ferrari jetzt kurzfristig Lösungen finden wird. Das Problem sitzt sehr tief, und Ferrari wird einen Schub von Verstärkung brauchen. Das wird länger dauern, bis es aussortiert ist."

Berger & Schumacher: Binotto muss noch nicht gehen

Zum Aussortieren muss aber in Bergers Augen der Teamchef Mattia Binotto nach nur einem Jahr noch nicht gehen: "Der ist als Techniker schon in Ordnung. Nur kann man nicht ein riesiges Team wie Ferrari auf eine Person, auf einen Techniker abladen, der dann Strategie, Team, Techniker, alles steuern soll. Das funktioniert einfach nicht."

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"Schon anfangs habe ich gesagt, wie sie diese Struktur vorgestellt haben: Das kann nie gehen", meint Berger. "Ein Mann alleine, der dieses Riesenschiff richtig steuert." Für ihn sind die anderen Top-Teams deutlich besser aufgestellt: Red Bull mit Dr. Helmut Marko und Christian Horner sowie Adrian Newey als Chefdesigner, oder Mercedes einst mit Toto Wolff und Niki Lauda sowie Motorenchef Andy Cowell und Technik-Chef James Allison.

Auch Ralf Schumacher mahnt vor einem voreiligen Schnitt: "Dafür sehe ich den Zeitpunkt noch nicht gekommen. Mitten in der Saison macht es keinen Sinn. Aber: Sie müssen auf die Suche gehen. Ein 'weiter so' kann es nicht geben!"

Schumacher: Ferrari darf nicht zu italienisch sein

Personell muss Ferrari in Schumachers Augen allerdings unbedingt nachbessern. "Der verstorbene Ferrari-Chef Sergio Marchionne gab ja die Maßgabe aus, dass mehr Italiener das Sagen im Rennstall haben müssen", meint er. "Das ist sicher ein schöner, romantischer Gedanke. In der Realität funktioniert er aber nicht. Die F1 ist nun mal international."

Für Schumacher stellt sich daher mittelfristig daraus sehr wohl die Frage nach der Binotto-Zukunft: "Die entscheidende Frage: Ist Mattia Binotto bereit, von außen Leute abzuwerben, um Herr der Lage zu werden? Wenn nicht, ist er der Falsche auf dieser Position!"