Für Daniil Kvyat wäre der Russland GP auch ohne großes Drama etwas Besonderes, schließlich ist es sein Heimrennen. Doch 2017 jährt sich mit dem Rennen in Sochi auch der Wendepunkt der bis dato steil nach oben verlaufenden Karriere des 22-Jährigen.

Rückblick: Bereits beim China GP 2016 kam es zu einem haarigen Manöver zwischen Sebastian Vettel und Daniil Kvyat. Als "Torpedo" bezeichnete Vettel den damaligen Red-Bull-Piloten, als dieser sich nach dem Start innen vorbeiquetschte, Vettel auswich und in Kimi Räikkönen krachte. Am Ende konnten beide halbwegs lächeln, sowohl Kvyat, als auch Vettel kamen auf das Podest. Auch wenn der Russe Vettel entgegenhielt: "Das ist Racing."

Nur zwei Wochen später aber war von Racing keine Spur mehr. Wieder kamen sich Vettel und Kvyat ins Gehege, erneut kurz nach dem Start. Doch dieses Mal blieb es nicht ohne Berührung, im Gegenteil. Zweimal schob der Russe den Deutschen im Ferrari an, der zweite Kontakt schickte Vettel in die Mauer. Vettel tobte am Funk. Kvyat bekam satte drei Strafpunkte auf seine Superlizenz. Doch die größte Strafe folgte wenige Tage später. Red Bull beförderte Max Verstappen von Toro Rosso zu den großen Bullen, Kvyat wurde degradiert. Freilich beinhaltete die Kommunikation nach außen als Begründung ausschließlich die tollen Leistungen Verstappens.

Kurz nach dem Start des Russland GP 2016 schickte Kvyat Vettel und seine Karriere in die Wand, Foto: Ferrari
Kurz nach dem Start des Russland GP 2016 schickte Kvyat Vettel und seine Karriere in die Wand, Foto: Ferrari

Kvyat mental aus der Bahn geworfen

"Das war ein Schock für mich", sagte Kvyat damals wenige Tage nachdem er vom Red-Bull-internen Wechsel erfahren hatte. Offiziell wollte man Kvyat bei Toro Rosso die Chance geben, sich in einem Team mit weniger Rampenlicht in Ruhe weiterzuentwickeln. Doch der Russe war mental am Boden, die gesamte Saison über machte er gegenüber Carlos Sainz keinen Stich mehr. Sogar eine komplette Ablösung stand bereits im Raum und wäre wohl auch erfolgt, wenn nicht Pierre Gasly zur selben Zeit in der GP2 so extrem durch Inkonstanz von sich reden gemacht hätte.

Auch in der aktuellen Saison läuft es nicht so richtig rund bei Kvyat. Während Sainz Lobeshymnen vor allem nach dem China-Rennen erhielt, fehlen dem Russen weiterhin seine üblichen drei Zehntel im Schnitt auf seinen spanischen Teamkollegen. "Das letzte Jahr habe ich quasi in einen Safe gepackt und nicht mehr dran gedacht. Jetzt zählt für mich dieses Jahr", sagte Kvyat vor Saisonbeginn im Interview mit Motorsport-Magazin.com.

Auch 2017 fährt Kvyat seinem Teamkollegen bislang hinterher, Foto: Sutton
Auch 2017 fährt Kvyat seinem Teamkollegen bislang hinterher, Foto: Sutton

So ganz hatte er die Vorkommnisse aber noch immer nicht verdaut. "Ich möchte da nicht mehr drüber sprechen. Ich mache meine Arbeit auf der Strecke und gebe mein Bestes für das Team, für das ich fahre. Das ist jetzt Toro Rosso. Was auch immer passiert ist, ist jetzt egal", so der Russe nach den Testfahrten.

Nun kommt er zurück an jenen Ort, der für Kvyat eigentlich Motivation hervorbringen sollte, tatsächlich aber Wunden aufreißt, wenngleich er das so offen nicht zugibt. Den Vorfall mit Vettel nimmt er heute sogar als Vorlage für Späßchen. "Das erste, was mir in den Sinn kommt, wenn ich an Russland denke, ist Sebastian, wie in Sebastian Vettel. Es gefällt mir, Sebastian zu torpedieren, es ist mein Hobby!", scherzte er im Vorfeld seines Heimrennens. Und wer weiß: Vielleicht ist der Russland GP 2017 ja ein weiterer Wendepunkt in Kvyats Karriere - hin zum Positiven.