Nico Rosberg nutzte in Spa seinen Matchball und fuhr einen ungefährdeten Sieg ein, um so den Rückstand auf Lewis Hamilton in der Weltmeisterschaft von 19 auf 9 Punkte zu verkürzen. Dieser wiederum betrieb, angesichts seiner für die zweite Saisonhälfte bereits einkalkulierten Strafversetzung, Schadensbegrenzung auf höchstem Niveau. Endlich befreit von seiner Bürde, droht Rosberg in Monza nun wieder der Hamilton, der sechs der letzten acht Rennen gewonnen hat.

Der Traditionskurs in Monza wird für Rosberg in dieser Saison allerdings in mehrerlei Hinsicht eine Herausforderung. Rosberg ist nach Spa der Formel-1-Welt immer noch den Beweis schuldig, ob er auch aus eigener Kraft dazu in der Lage ist, im Duell gegen Hamilton das Momentum wieder auf seine Seite zu bringen. Dazu kommt, dass Hamilton in den vergangenen zwei Jahren jeweils Pole Position und Sieg im Wohnzimmer der Tifosi einfahren konnte, während sich Rosberg hinten anstellen musste.

Statistik: Hamilton vs. Rosberg in Monza

Starts Siege Pole Positions Schnellste Rennrunden Podestplätze Punkte Führungsrunden
Hamilton 9 3444 99148
Rosberg 10 00014526

Rosberg: Jedes Rennen ein Finale

Rosberg hätte also viele Gründe, sich über einen Sieg beim kommenden Großen Preis von Italien zu freuen. Ein Sieg im direkten Duell wäre das stärkste Statement, das er im WM-Kampf gegen Hamilton abgegeben könnte. "Ich selbst gehe jedes Rennen wie ein Pokalfinale an. Es ist großartig, zu wissen, dass man das Auto und das Team hat, um rauszufahren und es umzusetzen", so der zweimalige Vizeweltmeister angriffslustig.

Für den in Monza bisher sieglosen Rosberg wäre ein Triumph auf dem prestigeträchtigen Highspeed-Kurs aber auch darüber hinaus von besonderem Wert: "Ich mag dieses Rennen sehr und würde es wirklich gerne gewinnen. Die Tifosi sorgen jedes Mal für eine unglaubliche Atmosphäre, egal wer das Rennen gewinnt."

Im Gegensatz zu Rosberg kam Hamilton bereits drei Mal in den Genuss eines Monza-Sieges, Foto: Mercedes AMG
Im Gegensatz zu Rosberg kam Hamilton bereits drei Mal in den Genuss eines Monza-Sieges, Foto: Mercedes AMG

Nimmt der Weltmeister die Favoritenrolle an?

Mit dem Schreckgespenst des Motorwechsels von der Brust und weiterhin mit der WM-Führung in der Tasche stellt sich die Frage, ob sich an Hamiltons Herangehensweise nun etwas ändert. Zuvor hatte sich der Weltmeister vehement geweigert, die Rolle des WM-Leaders anzunehmen. "Ich bin zwar vorne, aber auch nicht wirklich. Ich muss irgendwo von hinten starten - in mindestens einem Rennen. Also liege ich tatsächlich immer noch hinten", hieß es vor der Sommerpause.

Diese Situation gehört nun der Vergangenheit an. Dementsprechend befreit klingt Hamilton im Vorfeld des Großen Preises von Italien: "Ich denke, eine bessere Schadensbegrenzung als in Spa ist gar nicht möglich! Jetzt geht es für mich richtig los. Ich kann es kaum erwarten, wieder auf die Strecke zu gehen."

Hamilton der Tiefstapler

Andererseits ist der Weltmeister mit seinem Ansatz in den vergangenen Rennen sehr erfolgreich gewesen. Er selbst hatte dabei immer wieder bekräftigt, dass für ihn kein Anlass bestehe, an seiner Einstellung etwas zu ändern. "Ich versuche, generell keine Erwartungen zu haben. Ich gehe ein Rennen nach dem anderen an", so der 31-Jährige.

Eine zu hohe Erwartungshaltung sorgt nach Meinung Hamiltons im Falle einer Niederlage für zu viel Frust: "Ich bin wie an Weihnachten: Wenn du viel erwartest, kannst du enttäuscht werden. Dann bekommst du Schuhsohlen statt einem Auto geschenkt."

Rosberg mit strategischem Nachteil?

Für die noch ausstehenden acht Saisonrennen scheint der Weltmeister nach dem Spa-Wochenende jedenfalls einen Trumpf in der Hand zu haben. Das Team wechselte aufgrund des ohnehin garantierten Startplatzes am Ende des Feldes die Bauteile seiner Power Unit gleich dreifach, so dass ihm für den Rest der Saison ein beruhigender Bestand an Ersatzteilen zur Verfügung steht. Das dürfte etwas zur Gelassenheit des Weltmeisters beitragen.

Rosberg ist bei seinem Kontingent an Antriebseinheiten zwar noch nicht am Limit, ist aber bei weitem nicht so flexibel wie Hamilton. "Ich bin mir dessen schon bewusst. Aber ich denke nicht darüber nach und ich denke auch nicht, dass das jetzt noch einen großen Unterschied machen wird", wiegelt er ab.

Erleichterung in der Chefetage

In Spa war es aber nicht nur Hamilton, der vor einer schwierigen Aufgabe stand. Die Konkurrenz war deutlich näher an den Silberpfeilen dran, womit das ganze Team gefordert war. Für Teamchef Toto Wolff war das Resultat auf der Ardennen-Achterbahn gerade deshalb sehr wertvoll: "Jetzt beginnt die anstrengende Schlussphase der Saison. Entsprechend ist es ermutigend, unter solch schwierigen Umständen so ein Performance-Niveau zu erreichen."

Mercedes' härtester Gegner hieß in den vergangenen Rennen Red Bull. Allerdings erlebte die Formel 1 in Spa auch ein wiedererstarktes Ferrari-Team. Dieser Umstand ist auch dem Management von Mercedes nicht entgangen. "Wir haben nach der Pause eine gestärkte Konkurrenz gesehen - obwohl das Glück beim letzten Rennen nicht auf ihrer Seite war. Wenn es so weitergeht, erwartet uns ein unterhaltsamer Saisonendspurt", so Wolff.