Die Formel 1 macht Sommerpause. Genau der richtige Zeitpunkt für Motorsport-Magazin.com, um eine Bilanz zur bisherigen Saison zu ziehen. Nach 12 von 21 Rennen schauen wir, wie sich die Teams geschlagen haben. Mercedes' Bolide ist 2016 noch dominanter als im Vorjahr. Mangelnde Zuverlässigkeit sowie die hochkochende Rivalität zwischen Lewis Hamilton und Nico Rosberg sorgten in der ersten Saisonhälfte jedoch dafür, dass das Team trotzdem nicht die maximale Ausbeute einfahren konnte.

  • Rosberg war nach starkem Auftakt lange Zeit WM-Führender
  • Hamilton drehte nach viel Pech das WM-Duell gegen den Teamkollegen
  • Kampf zwischen Hamilton und Rosberg eskalierte mehrfach
  • Nur drei Doppelsiege trotz dominanter Performance
  • Zuverlässigkeit des F1 W07 Hybrid ließ zu wünschen übrig
  • Teamführung musste sich in Deeskalationsmanagement üben

Das Auto:

Mercedes ist seit Beginn der Hybrid-Ära die Nummer eins in der Königsklasse - und daran hat sich auch mit dem Auto des Jahrgangs 2016 nichts geändert. Der Bolide war auf so gut wie jeder Strecke das Maß aller Dinge. Selbst in Ungarn, wo das Team seit Einführung der V6-Turbomotoren noch nicht siegreich war, konnte die Mannschaft diese Saison einen Doppelsieg einfahren. Einzig in Monaco war Daniel Ricciardo in Sachen Pace eine Nasenlänge voraus, verlor das Rennen aber aufgrund eines verpatzten Boxenstopps schlussendlich doch noch an Hamilton.

Die Dominanz von Mercedes war auf einigen Strecken für die Konkurrenz nur noch erdrückend. Wenn Rosberg oder Hamilton auf der Pole Position standen, fehlte dem ersten Verfolger teilweise über eine Sekunde. Allerdings war längst nicht alles am F1 W07 Hybrid perfekt: Zu Saisonbeginn war es in erster Linie Hamilton, der im Qualifying wieder und wieder von technischen Problemen an der Power Unit heimgesucht wurde.

Mercedes ereilten in Trainings und Qualifyings diverse Defekte, Foto: Sutton
Mercedes ereilten in Trainings und Qualifyings diverse Defekte, Foto: Sutton

Später kamen vereinzelt Defekte in den Rennen dazu, von denen auch Rosberg betroffen war. Das Team blieb von technisch bedingten Ausfällen zwar verschont, verpasste aufgrund der Probleme jedoch bessere Resultate. Die Unzulänglichkeiten bei der Zuverlässigkeit führten bei den Fahrern zeitweise zu großer Frustration. Teamchef Toto Wolff beschwichtigte die Gemüter seiner Fahrer jedoch, wo er nur konnte: "Dieser Motor ist ein Produkt von Menschen und diese Menschen haben uns zwei Fahrer- und zwei Konstrukteurs-Weltmeisterschaften beschert. Sie sind die besten Leute. Es sind dieselben Leute in der Garage und der Fabrik, die in den letzten drei Jahren gearbeitet haben."

20152016
Punkte zur Pause (2016 zwei Rennen mehr) 383 415
Punkte/Rennen zur Pause 38,3 34,58
Bestes Ergebnis 1 1
WM-Position zur Pause 1 1
WM-Position am Ende 1 -
Siege zur Halbzeit 8/10 11/12
Podien zur Halbzeit 18/20 16/24

Die Fahrer:

Lewis Hamiltons Saison begann ähnlich, wie das Jahr 2015 geendete hatte. Während Rosberg in den letzten Rennen der vergangenen Saison aber einfach schneller war, wurde Hamilton zu Beginn der Saison 2016 im Qualifying immer wieder von technischen Problemen gestoppt. In den ersten vier Rennen musste er dem Teamkollegen den Vortritt lassen und lag daraufhin in der Gesamtwertung bereits 43 Punkte zurück. Die monatelange Sieglosigkeit zehrte an den Nerven des Weltmeisters. Mit jedem weiteren Defekt und jedem weiteren verlorenen Punkt gegenüber Rosberg stieg der Druck, wieder Erfolge einzufahren. In Barcelona kam es daraufhin zur ersten Kollision zwischen den beiden Mercedes-Stars.

Für Hamilton war dies vielleicht der Tiefpunkt, aber gleichzeitig auch ein Wendepunkt für seine Saison. Im darauffolgenden Rennen in Monaco gelang ihm unter schwierigen Bedingungen der Befreiungsschlag, in dessen Folge der Brite wieder an seine alte Form anknüpfen konnte. Von den auf Barcelona gefolgten sieben Rennen, konnte Hamilton sechs für sich entscheiden. Nur in Baku leistete sich der 31-Jährige ein Wochenende zum Vergessen, als er im Qualifying das Auto beschädigte und im Rennen mit der Technik maßlos überfordert war. Unter dem Strich drehte Hamilton mit seiner Aufholjagd einen 43-Punkte-Rückstand pünktlich zur Sommerpause in einen 19-Punkte-Vorsprung um - auch wenn es in Kanada und in Österreich erneut zu Zwischenfällen mit Rosberg kam.

In Monaco gelang Lewis Hamilton der erste Sieg des Jahres, Foto: Sutton
In Monaco gelang Lewis Hamilton der erste Sieg des Jahres, Foto: Sutton

Nico Rosberg war Anfang der Saison der Mann der Stunde. Der Deutsche setzte seine Siegesserie aus dem Vorjahr in den ersten vier Rennen unbeirrt fort. Zwar profitierte er teilweise von den technischen Problemen des Teamkollegen, ließ aber gleichzeitig an seinen Leistungen keine Zweifel aufkommen und fuhr blitzsauber einen Sieg nach dem anderen ein. Rosberg selbst betonte zu dieser Zeit immer wieder, dass er jederzeit mit dem Ende seiner Erfolgssträhne rechnete - er sollte Recht behalten. Genau wie für Hamilton, nahm auch seine Saison ab der Kollision in Barcelona eine 180-Grad-Wendung.

Im Regen von Monaco war Rosberg so eklatant langsamer als der hinter ihm fahrende Hamilton, dass er den Stallgefährten auf Anweisung des Teams vorbeilassen musste. In Kanada geriet er gleich nach dem Start in Kurve 1 wieder einmal mit Hamilton aneinander und landete zum zweiten Mal in Folge nicht auf dem Podium. In Baku konnte Rosberg noch einmal mit einem Sieg zurückschlagen, bevor sein WM-Vorsprung daraufhin unaufhaltsam dahinschmolz. Auf dem Red Bull Ring krachte er beim Verteidigen seiner Führung in der letzten Runde in den Teamkollegen und in Silverstone war er im Regen erneut chancenlos. In Budapest und Hockenheim gab Rosberg jeweils mit der Pole Position noch einmal Lebenszeichen im WM-Kampf von sich, wurde jedoch in beiden Rennen schon beim Start von Hamilton überrumpelt. Nach dem vielversprechenden Beginn, befindet sich Rosberg in der Sommerpause am sportlichen Tiefpunkt seiner bisherigen Saison.

Lewis Hamilton Nico Rosberg
Punkte 217 198
WM-Position 1 2
Quali-Duell 6 5
Durchschnittliche Startposition 4,58 (o. Strafen)
4,58 (m. Strafen)
1,58 (o. Strafen)
1,92 (m. Strafen)

Das Team:

Mercedes konnte 2016 noch einmal nachlegen und tritt zuweilen noch dominanter auf, als in den vergangenen Jahren. In Ungarn hat das Duo Hamilton/Rosberg den 26 Doppelsieg sichergestellt, doch angesichts des diesjährigen Dienstfahrzeuges hätten es ohne große Probleme auch ein paar mehr sein können - wäre da nicht der hitzige Kampf um die Vorherrschaft im Team. Das stallinterne Duell zwischen den beiden Alphatieren Hamilton und Rosberg stellte die Teamführung um Toto Wolff und Niki Lauda in der Saison 2016 vor eine ganz neue Herausforderung. Auf der einen Seite war es Rosbergs neugewonnen Stärke, die Hamilton in dieser Form noch nicht kannte. Auf der anderen Seite waren es die vielen technischen Probleme, die Hamiltons immer wieder zurückwarfen, so dass er bald mit dem Rücken zur Wand stand.

Bei der teaminternen Kollision in der ersten Runde des Großen Preises von Spanien erreichte der Streit zwischen den beiden Mercedes-Piloten eine neue Dimension. Der Totalausfall verhinderte einen möglichen Doppelsieg des Teams, worauf die Teamführung nur mit sehr wenig Verständnis reagierte. "Für mich ist das inakzeptabel, so kann man nicht fahren", sagte Aufsichtsratsvorsitzender Lauda.

Toto Wolff und Niki Lauda mussten in der ersten Saisonhälfte starke Nerven haben, Foto: Sutton
Toto Wolff und Niki Lauda mussten in der ersten Saisonhälfte starke Nerven haben, Foto: Sutton

Wolff hingegen brachte etwas mehr Verständnis für den Ehrgeiz seiner Fahrer auf und verhängte nach einem klärenden Gespräch keine Sanktionen: "Wenn man die Fahrer frei gegeneinander fahren lässt, wie wir das machen, kann so etwas passieren. Trotzdem werden wir unsere Herangehensweise nicht verändern. Wir sind es der Formel 1 und den Fans schuldig, sie gegeneinander Rennen fahren zu lassen."

Der nächste Krach ließ jedoch nicht lange auf sich warten. Nur vier Rennen später gerieten Rosberg und Hamilton erneut aneinander - dieses Mal in der letzten Runde des Rennens. Hamilton konnte zwar gewinnen, Mercedes verlor aber erneut einen Doppelsieg. Die Teamführung zog danach wieder keine direkten Konsequenzen, drohte bei einer Wiederholung jedoch mit harten Sanktionen. "Wir werden keine Kollisionen mehr akzeptieren. Wir sprechen von sportlichen und finanziellen Konsequenzen. Sollte es etwas noch mal passieren - und das liegt in ihren Händen - dann würde das zu einem negativen Ausgang führen", so Wolff nach dem letzten Zwischenfall in Österreich.

Danach ist es zumindest auf der Strecke zwischen Hamilton und Rosberg ruhig geblieben. Das lag wohl auch daran, dass die Rennsituationen an den darauffolgenden Wochenenden einfach zu einem direkten Aufeinandertreffen der Beiden führten, wie es in Spanien oder Österreich der Fall war. Für die Teamführung war damit zur Saisonhalbzeit wieder etwas Ruhe eingekehrt.

Ausblick 2. Hälfte:

Einer der beiden Mercedes-Piloten wird sich mit höchster Wahrscheinlichkeit am Ende der Saison 2016 zum Weltmeister krönen. Im Moment hat Hamilton das Momentum klar auf seiner Seite, doch die vielen technischen Probleme werden in der zweiten Saisonhälfte noch zu Nachwehen beim Weltmeister führen. Hamilton befindet sich bei zwei Komponenten seiner Power Unit bereits am Limit. Ein Tausch von Turbo oder MGU-H wird bei ihm ohne Wenn und Aber notwendig sein und zu einer Strafversetzung von mindestens zehn Positionen führen.

Hamilton fühlt sich angesichts des erwarteten Rückschlags trotz Punktevorsprungs nicht in der Rolle des Gejagten: "Ich habe weniger Motoren, deshalb muss ich einen steilen Hügel hinauf. Ich bin zwar vorne, aber auch nicht wirklich. Ich muss irgendwo von hinten starten - in mindestens einem Rennen. Also liege ich tatsächlich immer noch hinten."

Rosberg hingegen muss sich aus seinem sportlichen Tief befreien, um im Kampf gegen den Teamkollegen erneut die Oberhand zu gewinnen. An seiner Herangehensweise ändert das aber offensichtlich nichts. Der Deutsche war sich immer bewusst, dass ihn eine solche Situation im Verlauf der Saison noch erwarten könnte: "Wie ich es die ganze Zeit gesagt habe: Ich zähle keine Punkte. Ich habe die ganze Zeit erwartet, dass er zurückkommt und habe nie gedacht, dass ich immer 43 Punkte vorne bleibe."

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Meinungen zur ersten Mercedes-Hälfte

Motorsport-Magazin.com meint:
Die erste Saisonhälfte war eine wahre Achterbahnfahrt für Mercedes. Rosberg hatte zum ersten Mal wirklich die Chance, Hamilton im Kampf um die Weltmeisterschaft Paroli zu bieten. Viele hatten den Weltmeister nach seinem Fehlstart ins Jahr 2016 schon abgeschrieben, doch sein Comeback war umso stärker. Rosbergs Saison hingegen befindet sich nach dem starken Auftakt im Sinkflug. Der Deutsche muss der Serie seines Teamkollegen so bald wie möglich ein Ende setzen, wenn er seine Chancen auf den Titel wahren will - und dabei geht es nicht nur um WM-Punkte, sondern vor allem um die Oberhand im Psychokrieg. Wie sensibel Hamilton auf Rückschläge reagieren kann, konnte man in der ersten Saisonhälfte sehen. Der Weltmeister ist nicht immun gegen Negativerlebnisse. Wenn Hamilton noch einmal in ein Loch wie zu Saisonbeginn fällt, könnte er sein Momentum schnell wieder verlieren. Auf eine Wiederholung der Defektserie bei Hamilton kann sich Rosberg allerdings nicht verlassen. Er muss versuchen, Hamilton selbst den Wind aus den Segeln zu nehmen.