Johnny, alle sprechen über die neuen Kerbs hier in Spielberg. Was sagst du dazu? Könnte das die Lösung für die leidigen "Track-Limits"-Diskussionen sein?
Johnny Herbert [schlägt Stephan gegen die Schulter]: Ja, genau! Ich mag sie. Es nervt mich, wenn sich die Fahrer über die Kerbs beklagen, weil sie zu gefährlich seien. Es ist nicht gefährlich - es ist herausfordernder. Es ist keine Gefahr. Gefährlich ist es, wenn man drüberfährt, es ist gefährlich, wenn man in der Tabak-Kurve in die Leitplanken einschlägt. Das ist die Herausforderung, um die es beim Fahren gehen sollte. Wenn man ein Formel-1-Fahrer ist, sollte man das beste Urteilsvermögen haben. Wenn man das beste Urteilsvermögen hat, weiß man, wo das Limit der Strecke ist.

Es ist wie ein Kliff. Wenn man über das Kliff hinausgeht, stürzt man runter. Man geht so nahe wie möglich ran, riskiert so viel wie man glaubt zu können. Wenn man zu viel riskiert, macht man einen Fehler, fährt über den Kerb und beschädigt sich die Aufhängung. In Monaco, Baku oder Montreal mit der Wall of Champions ist es dasselbe. Ich finde, das ist gut, und es funktioniert. Ich bin froh, dass Charlie [Whiting] die Kerbs beibehalten hat, denn viele Fahrer haben gesagt, es ist in Ordnung. Die besten Fahrer sind jene, die es am besten abschätzen können, und genau so sollte es sein. Nicht mit vier Rädern neben der Strecke, um einen Vorteil zu bekommen.

Damit sollten die Strafen für das Abkürzen der Strecke der Vergangenheit angehören, oder?
Johnny Herbert: Ja, denn diese Diskussion war für das Racing nicht förderlich - man konnte es nicht in allen Kurven gleich handhaben. Sie haben hier nicht nur die Kerbs selbst geändert, sondern auch ihre Position und haben statt Kunstrasen Kies verwendet. In Kurve zwei gibt es auf der Außenseite jetzt einen Kerb und dann Kies. Es gibt kein Gras und keinen Kunstrasen, die Strecke ist enger. Aber das ist die Herausforderung und genau so sollte es auch sein. Formel-1-Fahrer können die Linie in Monaco zentimetergenau abschätzen, deshalb können sie es auch hier. Da gibt es keinen Unterschied. Wenn man einen Fehler macht, gibt es eine Strafe. Als ich Rennen fuhr, gab es Kiesbetten, wo man durch menschliche Fehler fünf Plätze verlor. Die Fahrer werden dadurch getestet. Wir wollen nicht, dass sie crashen, aber es gibt genug Auslaufzonen. Max [Verstappen] ist von der Strecke abgekommen und hat sich die Aufhängung gebrochen - vielleicht sollte man die Aufhängungen stärker machen.

Die Kerbs in Spielberg sorgen für Diskussionen, Foto: Sutton
Die Kerbs in Spielberg sorgen für Diskussionen, Foto: Sutton

In einigen Kurven, zum Beispiel Kurve drei, wo es Lewis Hamilton erwischt hat, wurden nach außen hängende Kerbs angebracht. Auch diese scheinen zu funktionieren.
Johnny Herbert: Soweit ich gesehen habe, werden die Kerbs nur in Kurve neun nicht genutzt. Potenziell könnten sie dort mit vier Rädern drüberfahren, aber es sieht so aus hätten sie ein wenig eine andere Form. Ich hoffe, sie können dort nicht mit vier Rädern drüberfahren. Aber überall anders sieht es sehr gut aus, besonders die Kurven sechs und sieben gefallen mir. Die Kerbs scheinen an der perfekten Stelle angebracht zu sein.

Könnte das auch eine Lösung für die erste Kurve in Hockenheim sein?
Johnny Herbert: Vielleicht, denn es scheint zu funktionieren. Kein Fahrer kann ehrlich sagen, dass es gefährlich ist, es ist eine größere Herausforderung. Wir fahren in Monaco, ist das gefährlich? Ich höre nie von Gefahr in Monaco oder der Wall of Champions in Kanada. Es gab ein paar Diskussionen darüber in Baku, aber 95% der Fahrer hatten kein Problem damit.

Und es ist nichts passiert.
Johnny Herbert: Genau so ist es. Es kann immer etwas passieren, wenn Fehler gemacht werden. Dann gibt es eine Strafe dafür. Es sind Menschen, die die Autos fahren, und wenn es menschliche Fehler gibt, gibt es dafür eine Strafe in Form eines Fehlers. In Hockenheim und auf anderen Strecken könnte die Lösung dazu beitragen, das exzessive Verwenden der Auslaufzonen einzudämmen. Vielleicht auch in Spa in Eau Rouge, denn wenn man es wie dort zu einfach macht, ist es keine Herausforderung mehr. Im Rennsport ist es wie beim Golfspielen: Wenn man Risiko nimmt, kann man mit einem Schlag einlochen, und wenn man auf Sicherheit spielt, braucht man vielleicht einen Schlag mehr.

Wir haben und hatten in der Formel 1 Fahrer wie Niki Lauda, Jim Clark, Michael Schumacher, Sebastian Vettel und Lewis Hamilton, die können das abschätzen. Deshalb sind sie Weltmeister. Wenn man all die Herausforderungen wegnimmt, macht es das einfacher für die anderen und die Unterschiede sind nicht so groß, wie sie sein sollten. Es gibt gute Fahrer, sehr gute Fahrer und die Elite. Und es gibt nicht viel Elite, vielleicht zwei oder drei Fahrer. In Monaco, wo man getestet wird, zeigen sich die natürlichen Fähigkeiten, weil man nicht für eine oder zwei Runden, sondern für über 70 perfekt fahren muss. Das finde ich gut.