Jenson Button ist raus! Kevin Magnussen bereitet sich bereits mental auf das zweite Qualifying vor. Plötzlich sprintet Button wie ein geölter Blitz zurück in die McLaren-Box. Darf er doch noch starten? Die Zeit von Magnussen wurde gestrichen. Track Limits! Hektik. Chaos. Button steigt ins Cockpit seines McLaren. Und darf trotzdem nicht fahren. Enttäuschung beim Briten, Verwirrung beim Zuschauer. Verdammte Track Limits!

Rückblende. Vor einer Woche. Rund 1.250 Kilometer südöstlich von Silverstone. "Komm rein in mein Büro", frotzelt Johnny Herbert an der Theke des Red Bull-Motorhomes und tönt begeistert: "Genau so sehe ich das auch!" Seiner Meinung verleiht er mit einem Schlag gegen meine linke Schulter zusätzlich Nachdruck. Die von vielen kritisierten "Sausage"-Kerbs in Spielberg sind genau sein Ding.

Weg sind die Diskussionen um Track Limits, nicht nachvollziehbare Strafen und gestrichene Zeiten. Die besten Rennfahrer der Welt sollten in der Lage sein, sich von den Kerbs fernzuhalten. Bei den Leitplanken in Monaco oder der legendären "Wall of Champions" in Montreal gelingt es ihnen ja auch - meistens jedenfalls. Und wenn nicht, dann schmerzt es. Natürlich im Sinne eines Ausfalls; keinesfalls von Verletzungen.

Auch Hamilton kam von der Strecke ab, Foto: Sutton
Auch Hamilton kam von der Strecke ab, Foto: Sutton

Für Johnny und mich waren diese Art von Kerbs die perfekte und lange gesuchte Antwort auf die leidige "Track Limit"-Diskussion. Daran sollten auch einige gebrochene Aufhängungen im Verlauf des Rennwochenendes in Österreich nichts großartig verändern.

Eine Woche später sind sie wieder da - nein, nicht die Kerbs, sondern die Diskussionen. Selbst Mercedes-Technikchef Paddy Lowe räumt offen ein: "Die Track Limits kosteten die Teams heute einige Nerven." Seine Mannschaft war davon selbst betroffen. Im Q3 wurde Lewis Hamilton seine erste Rundenzeit wegen Verlassens der Strecke gestrichen.

Das Ergebnis: Mehr Druck für den zweiten Run, eine aufgeladene Atmosphäre und ein super spannendes Finale des Qualifyings. Gestrichene Zeiten müssen also nicht immer schlecht sein. So Schwarz und Weiß geht es in der Formel 1 eben doch nicht zu. In diesem Fall sorgte die Strafe für Extrawürze im Duell um die Pole zwischen Hamilton und Nico Rosberg.

Am Sonntag kann das aber schon wieder ganz anders aussehen. Im Rennen lassen sich Zeiten nicht so einfach streichen. Dann sorgen Zeitstrafen beim Boxenstopp oder sogar nachträglich addierte Zeitstrafen für reichlich Verwirrung. Noch mehr als beim Fall des sprintenden Jenson Button. So etwas wertet das Rennen ab. So etwas will niemand sehen.

Daniil Kvyat ist ein verfechter des Null-Toleranz-Vorgehens, Foto: Sutton
Daniil Kvyat ist ein verfechter des Null-Toleranz-Vorgehens, Foto: Sutton

Sechs Rundenzeiten wurden am Samstag wegen Überschreiten der Track Limits in den Kurven eins, neun und fünfzehn gestrichen. Betroffen waren die Herren Palmer, Magnussen, Alonso, Verstappen, Hülkenberg und Hamilton. Letzterer brachte zu seiner Verteidigung vor, dass er es bis zuletzt gar nicht gemerkt hätte. Das Auto sei aufgesessen und über den Kerb hinausgezogen worden.

Wie man es macht, scheint es falsch zu sein. Gibt es normale Kerbs wie in Silverstone, beschweren sich die Fahrer über gestrichene Zeiten beim Überfahren dieser. Gibt es hohe Kerbs wie in Spielberg, beschweren sich die Fahrer über erhöhte Gefahren beim Überfahren dieser.

Daniil Kvyat findet die "Null-Toleranz-Strafen" von Silverstone zehnmal besser als die "Witz-Kerbs" von Spielberg. Ich sehe es genau andersherum. Für mich stellen die erhöhten Kerbs das kleinere Übel dar. Schließlich bestimmen die Piloten mit Gaspedal und Lenkrad selbst, ob sie drüberfahren oder nicht. Aber warten wir es ab, bald sind wir wieder in Hockenheim. Ich sehe die Race-Control-Nachrichten schon in mehrfacher Ausführung vor meinem inneren Auge: "Track Limits, Turn 1!"