Der Weltmeister ist dieser Tage und Wochen alles andere als vom Glück verfolgt. Während Nico Rosberg von Sieg zu Sieg eilt und nach vier Saisonrennen beim Punktemaximum hält, hat Lewis Hamilton mit beständigen Problemen zu kämpfen und in der Weltmeisterschaft schon einen stattlichen Rückstand von 43 Punkten auf seinen Teamkollegen aufgerissen.

Hamilton musste sich auch in Russland Rosberg geschlagen geben, Foto: Sutton
Hamilton musste sich auch in Russland Rosberg geschlagen geben, Foto: Sutton

Auch in Russland galt es für den britischen Mercedes-Star Schadensbegrenzung zu betreiben. Nach einem Motordefekt im Qualifying beendete Hamilton das Rennen in Sochi immerhin als Zweiter und verlor damit "nur" weitere sieben Zähler auf Rosberg. Motorsport-Magazin.com zeichnet Hamiltons Aufholjagd nach, die erneut von technischen Problemen geprägt war.

Hamilton pflügt durch das Feld

Dass Hamilton vom zehnten Platz starten durfte, war dem Einsatz von Bernie Ecclestone geschuldet gewesen. Der Formel-1-Boss ließ seine guten Beziehungen zu Wladimir Putin spielen, sodass in der Nacht von Samstag auf Sonntag neue Power-Unit-Komponenten aus der Fabrik in Brixworth nach Russland eingeflogen werden konnten, deren Einsatz einen Verstoß gegen die Parc-ferme-Bestimmungen verhinderte. Andernfalls hätte Hamilton aus der Boxengasse starten müssen.

In der ersten Kurve wurde es wieder eng, Foto: Sutton
In der ersten Kurve wurde es wieder eng, Foto: Sutton

Wie schon vor zwei Wochen in China, als er vom Ende des Feldes ins Rennen gehen musste, legte Hamilton einen guten Start hin, vermied diesmal aber trotz des vorherrschenden Chaos' rund um den torpedierten Sebastian Vettel eine Kollision in der ersten Kurve, da er den Notausgang wählte. "Ich weiß nicht, was passiert ist, aber ich sah etwas im Augenwinkel geschehen und dachte mir: 'Das passiert mir nicht noch einmal!' Es gelang mir, mich herauszuhalten und es zu vermeiden, aber wenn ich eingelenkt hätte, hätte ich sie mitgenommen", schilderte der dreifache Weltmeister den turbulenten Auftakt ins Rennen am Schwarzen Meer.

Nach einer Runde lag Hamilton bereits an der fünften Stelle, nachdem er Max Verstappen, Daniil Kvyat, Sebastian Vettel, Sergio Perez und Daniel Ricciardo überholt hatte. Nach vier Runden schnappte sich der Mercedes-Pilot Felipe Massa und passierte kurz darauf auch Kimi Räikkönen im Ferrari. Nach sieben Umläufen hatte sich Hamilton somit bereits auf die dritte Position nach vorne gearbeitet.

Seinen ersten und einzigen Boxenstopp absolvierte der Brite in der 17. Runde, als er von den superweichen auf die weichen Reifen wechselte. Der glatte Asphalt des Sochi Autodroms hatte zur Folge, dass ob des geringen Reifenverschleißes nahezu alle Piloten problemlos mit einer Ein-Stopp-Strategie durchs Rennen kamen.

Hamilton stürmte auf den zweiten Platz nach vorne, Foto: Sutton
Hamilton stürmte auf den zweiten Platz nach vorne, Foto: Sutton

Hamilton kam unmittelbar hinter Valtteri Bottas zurück auf die Strecke, der eine Runde vor ihm gestoppt hatte. Der Finne im Williams-Cockpit stellte für Hamilton jedoch keine ernsthafte Hürde dar und musste sich dem Briten ebenso wie seinem Landsmann Kimi Räikkönen beugen, der als letzter Fahrer der Spitzengruppe stoppte und mit diesem Overcut das Duell gegen Bottas um Platz drei für sich entschied. Williams wartet somit in dieser Saison weiterhin auf eine Podiumsplatzierung.

Wasserleck stoppt Hamiltons Aufholjagd

Nach 22 Runden, noch nicht einmal zur Hälfte des Rennens, rangierte Hamilton bereits an der zweiten Position. Sein Rückstand auf den an der Spitze liegenden Rosberg belief sich zu diesem Zeitpunkt auf 12,9 Sekunden. Nachdem der Abstand zwischen den beiden Silberpfeil-Piloten einige Zeit konstant blieb - in Runde 23 fuhren sie sogar bis aufs Tausendstel die exakt gleiche Rundenzeit -, legte Hamilton deutlich zu, um Jagd auf seinen Teamkollegen und seinen ersten Saisonsieg zu machen.

Der Brite drückte den Rückstand binnen weniger Runden auf 7,5 Sekunden und glaubte in der Tat daran, Rosberg abfangen zu können. "Ich hatte eine gute Pace und das Gefühl, dass ich um den Sieg mitfahren könnte", schilderte der amtierende Champion. Doch wieder einmal hatte Hamilton die Rechnung ohne den Defektteufel gemacht. Ein Leck im Kühlsystem seines Boliden ließ Wasser austreten, der Druck sank von Runde zu Runde ab.

An den Sieg war daraufhin freilich nicht mehr zu denken, denn Hamilton musste das Tempo deutlich drosseln, um keinen Ausfall zu riskieren. "Ich musste das Auto richtig ins Ziel tragen und so wie das Wochenende verlaufen ist, bin ich einfach nur froh, dass ich die Zielflagge gesehen habe", schilderte er. Am Ende des Rennens betrug der Rückstand auf Rosberg über 25 Sekunden, denn während Hamilton langsam machte, gab der Deutsche noch einmal ordentlich Gas und sicherte sich die schnellste Rennrunde, was gleichbedeutend mit dem ersten Grand Slam seiner Karriere war.

"Ich hatte noch so viel Reifen übrig. Ich habe die Distanz zu Lewis genutzt, um meine Reifen zu schonen, um hinten raus viel übrig zu haben und zu attackieren", erklärte Rosberg, der sich mit dieser Vorgehensweise für einen möglichen Einsatz des Safety Cars rüstete, der seinen Vorsprung zunichte gemacht hätte. Dazu kam es jedoch bekanntlich nicht, die zweite Hälfte des Rennens verlief weitestgehend ereignislos.

Chancenloses Ferrari glaubt an den Titel

Obwohl Hamilton, gepeinigt von der Technik, viel Tempo herausnehmen musste, um einen Ausfall zu vermeiden, lief der Brite nie Gefahr, seinen zweiten Platz an Kimi Räikkönen zu verlieren. Der Rückstand des Finnen belief sich am Ende des Rennens auf gut sieben Sekunden, was die Überlegenheit der Silberpfeile in Sochi eindrucksvoll untermauerte.

Das musste man sich selbst im Mercedes-Lager eingestehen, das ansonsten für gewöhnlich in einer Tour vor der roten Gefahr warnt. "Wir haben immer gesagt, sie sind knapp dran, aber an diesem Wochenende waren sie es nicht", hielt Rosberg fest. Verantwortlich dafür machte der Rennsieger die einzigartige Beschaffenheit des Asphalts in Sochi.

Ob es wirklich nur daran lag, dass Mercedes so haushoch überlegen war, wird sich in zwei Wochen in Barcelona weisen. Der Circuit de Catalunya mit seinen vielen Kurven sollte Ferrari deutlich besser als die Strecke am Schwarzen Meer entgegenkommen, zumal die Scuderia dort auch bereits im Zuge der Testfahrten vor Saisonbeginn starke Leistungen zeigte.

Die Flinte ins Korn werfen will man in Maranello jedenfalls nicht, obwohl die Zeichen ganz klar auf den nächsten Titel für Mercedes stehen. "Jeder wusste vor der Saison, welche enorme Aufgabe vor uns liegt", so Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene, für den unumstößlich feststeht: "Ferrari wird den Weltmeistertitel nicht aufgeben - das werde ich nicht erlauben. Es liegen noch 17 Rennen vor uns und ich bin überzeugt, dass der Weltmeisterzug noch nicht abgefahren ist. Ferrari hat die technischen und finanziellen Ressourcen, um den aktuellen Trend umzukehren."