Seit den ersten Rennen unter dem Power-Unit-Reglement wird diskutiert: Ist die Formel 1 noch schnell genug? Sind die Rennen spektakulär genug? Nach ewigen Diskussionen gibt es 2017 nun Änderungen am Technischen Reglement. Doch kaum verabschiedet - letzte Details müssen noch final geklärt werden - regt sich schon Widerstand. Toto Wolff würde nach dem spektakulären Saisonauftakt gerne beim aktuellen Reglement bleiben. Doch worum geht es genau? Warum gibt es Befürworter und warum Gegner? Motorsport-Magazin.com liefert den Überblick.

Wie sehen die 2017er Regeln aus?

So könnten die Autos 2017 aussehen, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com
So könnten die Autos 2017 aussehen, Foto: Mercedes/Motorsport-Magazin.com

Es wird heftig am Technischen Reglement geschraubt. Ein Bereich allerdings wird nicht angetastet: die Power Units. Weil Änderungen hier extrem teuer und zeitaufwändig wären, sehen die Regeln für 2017 nur Änderungen am Chassis vor. Auch hier geht die Formel 1 nicht volles Risiko, sondern hat sich für einen Kompromiss entschieden. Der ursprünglich von Red Bull in den Raum geworfene Vorschlag kommt in einer abgemilderten Version, das sogenannte McLaren-Paket hat sich durchgesetzt.

Fix ist, dass die Autos von 1,80 Meter Breite auf 2,00 Meter anwachsen. Das sorgt für einen brutaleren Auftritt und mehr mechanischen Grip. Genau die gleichen Ziele verfolgt Pirelli mit neuen Reifendimensionen. Der Durchmesser bleibt, die Breite wird vorne und hinten jeweils angepasst. Vorne von 245 Millimeter auf 305 Millimeter, hinten von 325 Millimeter auf 405 Millimeter.

Für 2017 geplante Änderungen in Zahlen

20162017
Reifen245mm (vorne)
325mm (hinten)
305mm (vorne)
405mm (hinten)
Radaufhängung1800mm2000mm
Frontflügel1650mm1800mm
Heckflügel750mm Breite/ 950mm Höhe950mm Breite/ 800mm Höhe
Diffusor125mm Höhe/ 1000mm Breite
(beginnt an der Hinterachse)
175mm Höhe/ 1050 mm Breite
(beginnt 175mm vor der Hinterachse)
Bodywork1400mm Maximalbreite
1300mm Minimalbreite
1600 mm Maximalbreite
1400mm Minimalbreite
Gewicht702kg 722kg + ca. 5kg Reifen

Mit der Spur wächst auch das Bodywork. Allerdings nicht auf 1,80 Meter, wie es Red Bull gerne gesehen hätte, sondern auf 1,60 Meter - eine Zwischenlösung. Dazu wächst der Diffusor in Höhe und Länge, die Flügeldimensionen ändern sich ebenfalls. Prinzip: Mehr Abtrieb. Breitere Autos und größere Reifen bedeuten aber gleichzeitig auch mehr Gewicht: Alleine die Autos nehmen um 20 Kilogramm auf 722 Kilogramm zu, die Reifen sorgen noch einmal für rund 5 Kilogramm extra.

Vor- und Nachteile des 2017er Reglements

Schnell ist gut - so eigentlich die Grundregel im Motorsport. Rund vier Sekunden sollen die neuen Regeln in Rundenzeit ausgedrückt bringen. GPDA-Präsident Alex Wurz sieht es genauso: "Jeder Fahrer will so schnell in den Kurven fahren, wie es nur geht. Und am besten schneller als je zuvor. Und dann ist es geil. Das ist eine authentische Nachricht. Du siehst es dem Fahrer ins Gesicht geschrieben, wenn er aus dem Auto aussteigt und er lacht, weil er gerade den neuen Rundenrekord erreicht hat. Da braucht man nichts mehr vermarkten, du musst nur ein authentisches Bild übermitteln."

Auch Red Bull Motorsportberater Dr. Helmut Marko ist klarer Befürworter von schnelleren Autos. "Wenn der Fahrer mehr gefordert ist, kann es nur besser werden, weil sich die Spreu vom Weizen trennt", meint der Österreicher. Gerhard Berger ist hier anderer Auffassung: "Alles, was sich dann verändert, ist die Halsmuskulatur des Fahrers." Motorsport-Magazin.com-Experte Christian Danner vertritt diese Auffassung ebenfalls: "Ich war nie der Meinung, dass die Autos schneller werden müssen. Bei den Piloten verstehe ich, dass sie natürlich megageile Kurvengeschwindigkeiten haben wollen. Aber der Fan sieht es nicht."

Dazu droht mit mehr Abtrieb ein altes Problem wieder in die Formel 1 Einzug zu halten: Verwirbelte Luft, im Fachjargon auch 'dirty air' genannt. Je extremer die Aerodynamik ausfällt, desto mehr wird die Luft hinter einem Auto verwirbelt, desto schwieriger wird es für den hinterherfahrenden Piloten, dicht zu folgen und möglicherweise zu überholen.

Für Gerhard Berger geht das 2017er Reglement deshalb genau in die falsche Richtung, wie er Motorsport-Magazin.com erzählt: "Zu meiner Zeit ist der Abtrieb nicht so sehr vom Unterboden gekommen, sondern in erster Linie von den großen Flügeln erzeugt worden. Was wiederum dazu geführt hat, dass man relativ viel Luft vor sich hergeschoben und guten Windschatten gegeben hat. Man war zwar aerodynamisch sehr ineffizient, hat aber gute Windschatten zum Überholen gegeben."

Die Zusammensetzung des Gesamtabtriebs ist aber nicht Bergers Hauptproblem: "Es geht darum, das Kräfte-Grip-Verhältnis so zu verändern, dass die Fahrer am Lenkrad das Ding beherrschen müssen. Das sieht dann auch derjenige, der an der Strecke oder vor dem Fernseher sitzt."

Das Verhältnis zwischen Leistung - vor allem dem Drehmoment - und Abtrieb wurde aber bereits 2014 mit der Einführung der Power Units und der Reduktion der Aerodynamik deutlich zum Positiven verschoben. "Das ist alles nur Feintuning. Schauen wir uns an, was ein Motorrad mit 270 PS und zwei ganz schmalen Reifen für ein Grip-Level hat. Das ist ein riesen, riesen Unterschied", gibt Berger zu bedenken. "Oder nehmen wir die 80er Jahre: Wir hatten 1400 PS und wahrscheinlich die Hälfte des Abtrieb von den Autos heute. Das waren Dinger, die hast du kaum beherrscht! Da jetzt 50 PS mehr, das macht keinen Unterschied. Man muss das ganze Verhältnis richtig verändern."

Berger fuhr noch Formel-1-Autos mit Motoren jenseits der 1000 PS Grenze, Foto: Sutton
Berger fuhr noch Formel-1-Autos mit Motoren jenseits der 1000 PS Grenze, Foto: Sutton

Andere sehen beim voraussichtlichen Reglement für 2017 noch ein ganz anderes Problem: Das Gewicht. Die Autos sollen noch einmal schwerer werden. 20 Kilogramm sollen beim Auto dazu kommen, noch einmal etwa fünf Kilogramm für die breiteren Reifen. "Sie müssen die Regeln gar nicht ändern, um 3 Sekunden schneller zu werden, sondern einfach die Autos leichter machen", empfiehlt Weltmeister Lewis Hamilton. "Sie sind einfach unglaublich schwer, das ist lächerlich. Mit 600 Kilogramm, als ich in die Formel 1 kam, waren sie großartig."

Und dann stellt sich noch die Frage, wie sich das Kräfteverhältnis mit einem neuen Reglement entwickeln wird. "Je länger man Regeln stabil hält, desto mehr schmilzt die Performance zwischen allen zusammen. Das exakt passiert im Moment", meint Toto Wolff. "Die Zugewinne, die wir machen, sind kleiner, weil die Kurve flacher wird. Und die anderen machen größere Schritte." Marko sieht das naturgemäß anders: "Also ich sehe es eher als Chance, dass das ganze Feld in irgendeiner Weise durcheinandergewirbelt wird."

Kommen die Regeln 2017 oder nicht?

Ja, die neuen Regeln werden mit sehr großer Wahrscheinlichkeit kommen. Das McLaren-Konzept ist bereits verabschiedet, es geht nur mehr um Details. Diese Details müssen bis 30. April ausformuliert werden. Auch wenn "Toto und seine Vasallen", wie Marko die Gegner des neuen Reglements nennt, noch versuchen würden, die 2017er Regeln zu verhindern, es wird wahrscheinlich nicht mehr funktionieren.

Wenn die letzten Details bis Ende April ausgearbeitet und verabschiedet sind, wird es quasi unmöglich. Nach der Deadline benötigen Regeländerungen einstimmige Beschlüsse. Die gibt es in der Formel 1 quasi nie.

Nun seid Ihr gefragt! Sollte die Formel 1 den Status Quo beibehalten? Was haltet Ihr von den Regeln? Gehen die 2017er Regeln in die richtige Richtung oder komplett am Ziel vorbei? Wie sollte das Technische Reglement eurer Meinung nach aussehen? Schreibt eure Meinungen und Vorschläge in die Kommentare.

Mit Motorsport-Magazin.com seid Ihr rund um das Thema Regeln 2017 immer bestens informiert. Lest am Wochenende ein ausführliches Interview mit Gerhard Berger zum Thema oder bestellt euch gleich unser neues Print-Magazin. Auch hier gibt es jede Menge Hintergrundwissen zu den neuen Regeln.