Fangen wir vorne an: Wer oder was war für Sie die positive Überraschung der Testfahrten?
Christian Danner: Sebastian Vettel im Ferrari, eindeutig! Denn, das hat ja in mehrerlei Hinsicht super funktioniert. Erstens wurde klar, dass der Sebastian ein totaler Fan von 'Rot' ist. Das war spürbar. Zweitens war sofort ein Verhältnis zwischen den Beteiligten in Maranello und zwischen Sebastian etabliert, was ja in Italien unglaublich wichtig ist. Und dann haben sie angefangen zu Fahren und waren Schnellste in Jerez. Okay, das ist jetzt nicht unbedingt ein Indikator dafür, dass die alles in Grund und Boden fahren, aber das hat schon sehr rund begonnen, muss ich sagen.

Wir Medien suchen immer diese Parallelen zu Schumacher/Ferrari, aber sind die tatsächlich da? Es wirkt, als würde Vettel das auch ganz gern wollen.
Christian Danner: Die Parallelen sind auf jeden Fall da, gar keine Frage - das kann man nicht aus der Welt diskutieren. Es ist nun mal ein mehrfacher deutscher Weltmeister, der zu einem Zeitpunkt zu Ferrari geht, wo wirklich nichts rund läuft bei Ferrari. Und genauso war es damals bei Schumacher. Das sind die Gemeinsamkeiten. Es gibt schon auch viele Sachen, die unterschiedlich sind. Denn die Zeiten haben sich geändert: Michael Schumacher hatte einen riesigen Overkill an Testfahrten, an Reifenentwicklung, an Motoren und an Entwicklung zur Verfügung, den er umsetzen konnte. Das ist für Vettel wegen der heutigen Regularien natürlich ein bisschen schwieriger. Vettel kann nicht auf einmal mit drei Fahrern testen lassen, bis alles aussortiert ist. Das heißt: Ja, es gibt Parallelen, die vergleichbar sind, aber ja, es gibt auch ein paar Dinge, die sich aufgrund der Tatsache, dass wir eben jetzt in anderen Zeiten leben, geändert haben.

Ferrari spricht von einem Ziel von zwei Saisonsiegen. Bei Schumacher und Ferrari waren es damals drei. Ist so etwas realistisch oder muss da schon viel passieren, dass es so kommt?
Christian Danner: Naja, sagen wir es einmal so: Was sollen sie denn sonst sagen? So etwas muss man ja sagen [lacht]. Ferrari muss gewinnen! Es geht nicht, dass Ferrari nicht gewinnt! Und wenn wir es einmal ganz nüchtern betrachten, ist in Sachen Reglement schon ein bisschen in Ferraris Richtung geschoben worden - wenn wir uns an den Passus in Sachen Motorenentwicklung erinnern. Es tut oder täte der Formel 1 schon gut, wenn Ferrari endlich Mal wieder ein Rennen gewinnt. Ich glaube, es wird schon irgendwie passieren. Nur aus eigener Kraft - und das ist das Entscheidende - sehe ich das ein bisschen schwierig, denn die Konkurrenz ist gewaltig.

Für Danner sind die Parallelen bei Sebastian Vettel und Michael Schumacher klar erkennbar, Foto: Red Bull
Für Danner sind die Parallelen bei Sebastian Vettel und Michael Schumacher klar erkennbar, Foto: Red Bull

Wenn man jetzt vom Top der Testfahrten zum Flop der Testfahrten geht: Eigentlich braucht man ja gar nicht danach fragen - da gibt es nur Honda, oder?
Christian Danner: Ja, es ist letztendlich McLaren-Honda. Denn die sind angetreten, um die Weltmeisterschaft zu gewinnen. McLaren-Honda ist nichts fürs Hinterherfahren, McLaren-Honda ist Senna und Prost und das war eine Kombination, die die Formel 1 dominiert hat und so ist es auch in der Erwartungshaltung abgespeichert. Wie schnell McLaren-Honda jetzt wirklich ist, ist aufgrund der minimalen Laufzeiten schwer zu beurteilen. Die Stellungnahmen von McLaren und von Honda sind natürlich total positiv: "Wir haben zwar nur 50 Prozent der Testvorgaben geschafft, aber wir wissen alles." Honda sagt: "Wir kennen alle Probleme. Wir wissen genau, woran es liegt. Wir wissen das."

Na dann viel Glück wünsche ich, dass in Melbourne ein Wunder passiert und sie ins Ziel kommen. Aber da gibt es noch viel, viel, viel zu tun. Das ist noch ein weiter Weg, weil die anderen den ganzen Ärger mit diesen Power Units im letzten Jahr so nachdrücklich gelernt haben und jetzt für die neue Saison umsetzen konnten. Honda hinkt da gewaltig hinterher. Das dauert noch, aber Enttäuschung ist vielleicht der falsche Ausdruck. Es war eigentlich fast vorherzusehen.

Würden Sie die Situation, in der McLaren-Honda jetzt ist, ein bisschen mit der vergleichen, in der Red Bull mit Renault im letzten Jahr war?
Christian Danner: Nein, das ist auf keinen Fall vergleichbar! Red Bull war ja ein Team, das die Weltmeisterschaften dominiert hat. Sebastian ist viermal Weltmeister geworden. McLaren kommt durchaus aus einer Krise. Es war ja sicher nicht so, dass McLaren in den vergangenen Jahren - inklusive letztes Jahr mit Mercedes-Motor - vorneweg fuhr. Mit einem neuen Motor hat McLaren jetzt zwei Baustellen: McLaren hat zwei Baustellen: Eine Baustelle ist, wieder ein Auto zu bauen, das McLaren-Standard ist - das heißt, ein potentieller Rennsieger. Ich glaube, das haben die geschafft. Eric Bouiller ist ein kompetenter Mann, der das Team sehr detailliert umstrukturiert hat. In der Technikabteilung haben sie sich unter anderem mit Peter Prodromou mit Sicherheit stark verbessert. Was den Motor angeht, da wird es natürlich schwierig. Da ist schlichtweg noch viel Entwicklungsspielraum - um es mal positiv zu formulieren [lacht].

Dazu beschäftigt McLaren und uns auch noch der Alonso-Unfall.
Christian Danner: Im Endeffekt hat er für mich eine klassische Gehirnerschütterung erlitten. Und ohne mich da auf eine medizinische Diskussion einzulassen, glaube ich, dass es ganz normal ist, einen Fahrer mit dieser Problematik nicht fahren zu lassen. Da muss man einfach vorsichtig sein und fertig. Es ist eben so. Da ist - glaube ich - in der Berichterstattung von den spanischen Medien etwas wild spekuliert worden. Die FIA hat bis jetzt - man denke an den Bianchi-Unfall - mit Peter Wright und der Sicherheitskommission wirklich jedes Detail von jedem Unfall in der Formel 1 analysiert. Wenn es bei Alonso etwas gäbe, dann kriegen wir das schon mit.

Klare Gehirnerschütterung: Christian Danner hält die anhaltende Debatte über den Alonso-Unfall überflüssig, Foto: Sutton
Klare Gehirnerschütterung: Christian Danner hält die anhaltende Debatte über den Alonso-Unfall überflüssig, Foto: Sutton

Jetzt kommt Kevin Magnussen doch wieder zu seinem Cockpit - für ein Rennen zumindest. Das ist natürlich eine denkbar schlechte Vorbereitung für McLaren, oder?
Christian Danner: Man könnte ja fast den Eindruck gewinnen, dass der Alonso gar nicht so wahnsinnig traurig ist, dass er nicht fahren muss, weil er sich denkt, dass die Karre sowieso nicht läuft. Entschuldigung, wenn ich das aus dem Bauch heraus so sage. Die mangelnde Konkurrenzfähigkeit hat Alonso die Entscheidung sicher erleichtert, dem Rat der Ärzte zu folgen. Kevin Magnussen hat mich im vergangenen Jahr wirklich nicht vom Sockel gehauen. So gesehen, lassen wir den da mal fahren. Aber für McLaren ist das schon ein Problem. Das ist ein ziemlich verkorkster Saisonstart - vorab auf jeden Fall.