Kein Team hat die Regeländerungen im vergangenen Jahr so hervorragend gemeistert wie Mercedes. Mit überwältigender Dominanz fuhren der spätere Weltmeister Lewis Hamilton und sein Teamkollege Nico Rosberg der Konkurrenz um die Ohren. Ernüchternd für Red Bull, Williams, Ferrari und McLaren kam hinzu, dass sich die Silberpfeile eigentlich nur selbst schlagen konnten.

Eine deutliche Tendenz lässt sich nach den Wintertestfahrten erkennen: der Vorsprung zur Konkurrenz mag zwar geschmolzen sein, scheint aber immer noch groß genug, um die WM 2015 aus eigener Kraft gewinnen zu können.

Der amtierende Weltmeister Hamilton ist vor dem Saisonstart hin- und hergerissen: "Man wartet ungeduldig darauf, wieder Rennen fahren zu dürfen. Aber gleichzeitig weiß man nie, was eine neue Saison mit sich bringt." Man erhalte zwar einen grundlegenden Eindruck davon, ob das Auto sich gut oder nicht so gut anfühle, aber darüber hinaus sei alles völlig offen. "Das Team hat über den Winter unheimlich hart gearbeitet", so der Brite weiter.

Hamilton ergänzt: "Im vergangenen Jahr erlebten wir als Team eine fantastische Saison. Natürlich würden wir das nur zu gerne wiederholen. Die anderen Teams werden jedoch nicht aufhören, uns zu jagen. Ich bin überzeugt, dass es eng wird und uns spannender Rennsport mit vielen Positionskämpfen erwartet." Sein Erfolgsrezept ist so einfach wie genial: "Es gibt viele gute Fahrer und jeder möchte gewinnen. Man muss es nur mehr wollen als alle anderen."

Nico Rosberg will 2015 den Spieß umdrehen, Foto: Sutton
Nico Rosberg will 2015 den Spieß umdrehen, Foto: Sutton

Nico Rosberg hatte gegenüber seinem Teamkollegen 2014 das Nachsehen. Für sein Rückspiel mit Lewis habe er sich darauf konzentriert, sich noch mehr anzutreiben. "Am Ende kommt es darauf an, wer die beste Saison zusammenbekommt", sagt der Deutsche. Unterschätzen will Rosberg die Konkurrenz keinesfalls, egal ob im Silberpfeil oder in einem anderen Team: "Dabei ist mein Teamkollege nur einer von vielen starken Konkurrenten, die ich schlagen muss, wenn ich Weltmeister werden möchte. Aus diesem Grund konzentriere ich mich darauf, mein absolut Bestes zu geben."

Der Arbeitseinsatz des Teams ist eine weitere Motivation für den gebürtigen Wiesbadener. "Ich gehe in mein sechstes Jahr mit dem Team und wir werden mit jeder Saison stärker. Es ist super, gemeinsam mit Menschen zu arbeiten, die genauso leidenschaftlich und engagiert sind wie du selbst. Als Fahrer ist es unsere Aufgabe, das Team für seinen Einsatz zu belohnen."

Mercedes-Benz Motorsportchef Toto Wolff blickt auf einen harten Winter zurück. "Im vergangenen Jahr gab es große Regeländerungen. Jedem war Bewusst, was es für eine riesige Herausforderung darstellen würde, um gute Arbeit abzuliefern", so der Österreicher. "Für diese Saison fielen die Regeländerungen nicht so groß aus. Dennoch waren die Arbeitsbelastung und der nötige Einsatz in diesem Winter enorm. Schließlich wollten wir weiter Fortschritte machen und das Auto insgesamt verbessern. Hinter den Teams in Brackley, Brixworth und Stuttgart liegt viel Arbeit, damit wir ordentlich in die Testfahrten starten konnten."

Bescheiden gibt sich Wolff bei seinen Prognosen für die neue Saison: "Zu diesem Zeitpunkt sind Prognosen nicht mehr als ein Lesen in der Kristallkugel - und das wollen wir nicht tun." Erste Erkenntnisse über die Konkurrenzfähigkeit seien erst in Melbourne und den folgenden Rennen möglich. Der Motorsportchef betont: "Im Moment haben wir jedoch noch kein Rennen bestritten und das ist der einzig wahre Prüfstand."

Ist die Konkurrenz näher gerückt?, Foto: Sutton
Ist die Konkurrenz näher gerückt?, Foto: Sutton

Technikdirektor Paddy Lowe sieht das Team gut aufgestellt: "Mit Blick auf den Speed und die Zuverlässigkeit scheint das Auto im Vergleich zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr ein Schritt nach vorne zu sein." Dennoch mahnt der Brite zur Vorsicht und zu Sorgfalt. "Für einen erfolgreichen Start in das neue Rennjahr müssen wir alle Vorbereitungen perfekt erledigen. Das betrifft die Spezifikation des Autos, die Lösung der Probleme, die wir im Winter entdeckt haben, sowie das Entstauben des Regelwerks, um uns wieder mit den nötigen Abläufen vertraut zu machen."

Mercedes: Melbourne Bilanz

Mercedes in Melbourne: Für die Silberpfeile lief es in Melbourne zunächst verhalten. 2010 holten Nico Rosberg und Michael Schumacher mit den Plätzen fünf und zehn zwar solide Punkte, doch danach zeigte der Trend bergab. 2011 fielen beide Mercedes-Piloten vorzeitig aus und 2012 kam Schumacher ebenfalls nicht ins Ziel, während Rosberg nur Zwölfter wurde. 2013 erreichte Lewis Hamilton bei seinem Debüt für Mercedes nach Startplatz drei den fünften Rang, Rosberg schied mit Elektronikproblemen hingegen aus. Im Vorjahr gelang dann aber der ganz große Wurf: Unter dem neuen technischen Reglement feierte Rosberg einen überlegenen Sieg und legte damit den Grundstein für eine phänomenale Saison in Silber, die mit dem Gewinn beider Weltmeistertitel enden sollte.

Lewis Hamilton in Melbourne: Lewis Hamilton und Australien - das ist eine spektakuläre und oftmals auch erfolgreiche Kombination. Unvergessen bleiben seine Disqualifikation 2009 nach der Lügen-Affäre und das Donut-Dilemma mit dem Privatauto im Folgejahr. Aber Hamilton kann in Down Under auch sportlich für Furore sorgen: Bei seinen bislang acht Rennen fuhr er vier Mal auf das Podium, 2008 gar zum Sieg. 2012 startete der Brite, damals noch in Diensten von McLaren, beim Saisonauftakt in Melbourne von der Pole Position und beendete das Rennen als Dritter. Im Vorjahr machte Hamilton von der Pole startend hingegen ein Motorproblem einen Strich durch die Rechnung, ansonsten hätte er sich mit Rosberg um den Sieg duelliert.

Schnell, schneller, Silber, Foto: Sutton
Schnell, schneller, Silber, Foto: Sutton

Nico Rosberg in Melbourne: Der Australien GP wird für Nico Rosberg wohl immer ein ganz besonderes Rennen sein, denn 2008 feierte er im Albert Park als Dritter in Diensten von Williams seinen ersten von bislang 26 Podiumsplätzen. In den Folgejahren kam Rosberg zwar nicht über den fünften Platz hinaus und schied zwei Mal aus, in der Vorsaison nutzte der Deutsche dann allerdings die Gunst der Stunde und münzte die Überlegenheit des Silberpfeils sowie das Technikpech seines Teamkollegen Hamilton in den Sieg um.

Redaktionskommentar

Motorsport-Magazin.com meint: Die Silberpfeile scheinen den Schwung des vergangenen Jahres in die neue Saison mitgenommen zu haben. Die Long Runs von Hamilton und Rosberg beeindruckten die Konkurrenz und machten eines deutlich: Es bestehen nicht die geringsten Zweifel, dass der Sieg nur über Silber geht. Dass beide Piloten bei Zweikämpfen die Brechstange auspacken und sich gegenseitig ihre Rennen zerstören, sollte nicht die letzte Hoffnung für die Konkurrenz sein. Denn der Vorsprung ist geschmolzen, wenn auch nur ein wenig. Zudem dürfen die Hersteller auch während der Saison an den Power Units arbeiten. (Haris Durakovic)