Christian Horner platzte am Freitag in der FIA-Pressekonferenz auf dem Hungaroring der Kragen. Der Red-Bull-Teamchef konnte nicht verstehen, weshalb sich so viele Fragen der anwesenden Journalisten um die neuen Austragungsorte im Rennkalender drehten, allen voran Russland, das sich mit der Ukraine im Konflikt befindet, und Aserbaidschan, wo es um die Menschenrechte nicht zum Besten steht.

Konzentration auf das Negative

"Wir konzentrieren uns nur auf das Negative", klagte Horner. "Wenn wir uns für die Weltmeisterschaft einschreiben, setzen wir unseren Glauben und unser Vertrauen in den Promoter und in die FIA und werden deshalb bei diesen Rennen anwesend sein, solange sie das für uns nicht als unnötig erachten."

Trotz des Abschusses der malaysischen Passagiermaschine in der Ostukraine, der vermutlich durch russische Separatisten erfolgte, soll die Formel 1 im Oktober ihre Russland-Premiere feiern, während 2016 in Aserbaidschans Hauptstadt Baku der Große Preis von Europa stattfinden soll. "Ihr alle werdet bei diesen Rennen sein, die große Mehrheit von euch", richtete Horner sich an die Medienvertreter im Pressezentrum von Budapest. "Warum? Weil ihr entweder Leidenschaft für den Sport verspürt oder von dem Sport lebt."

Für Horner ist es schlicht und ergreifend falsch, dass die Formel 1 zu einem politischen Spielball verkommt. "Wir sollten über die Fahrer sprechen, über das spektakuläre Racing, das zwischen unseren Piloten und den Ferrari-Piloten beim letzten Grand Prix stattgefunden hat", so der Red-Bull-Teamchef. "Aber alles, was wir tun, ist uns auf das Negative zu konzentrieren - es muss gesagt werden, dass es langweilig für uns ist, hier zu sitzen und diese Fragen zu beantworten."

FIA gibt die Richtung vor

Vielmehr sollte man alle Fragen zum Rennkalender an Formel-1-Boss Bernie Ecclestone und FIA-Präsident Jean Todt richten, forderte Horner, wofür er Zustimmung von Force-India-Teamchef Vijay Mallya erhielt. "Ich denke nicht, dass die Teams ihre eigenen individuellen Positionen vertreten sollten, um soziale und politische Fragen zu entscheiden", sagte der Inder. "Die FIA hat die perfekte Kompetenz um zu entscheiden, wo die Formel 1 auftreten sollte und wo nicht."

Die Strecke in Sochi ist fast fertig, Foto: Sochi Autodrom
Die Strecke in Sochi ist fast fertig, Foto: Sochi Autodrom

Für die Teamchefs steht fest, dass der Russland GP über die Bühne gehen wird, sofern die FIA nicht zur Entscheidung kommt, das Rennen abzusagen. "Natürlich ist das, was in Russland und diesem Teil der Welt geschieht, eine enorme Sorge für alle", sagte Claire Williams. "Aber als Sport haben wir immer gesagt, wir versuchen uns von einer politischen Sicht der Dinge zu lösen. Die FIA ist unser Sportverband und gibt den Kalender vor. Momentan ist das Rennen noch im Kalender."

Für Sauber stellt der Russland GP in Sochi ein besonders wichtiges Event dar, weil das Team über russische Partner verfügt und man zudem Reservepilot Sergey Sirotkin in seinen Reihen hat. "Wir müssen uns auf den Verband und auf den Besitzer der kommerziellen Rechte verlassen", sagte Teamchefin Monisha Kaltenborn. "Sie sind es, die die Verantwortung tragen und wir werden wie in der Vergangenheit tun, was sie sagen."

Die Welt ist vernetzt

Bei Reifenhersteller Pirelli vertritt man die Ansicht, sich den Empfehlungen der jeweiligen Regierungen anzuschließen, wenn es um politische Fragen geht. "Es gibt zahlreiche Länder, die wir bereisen, bei denen niemand etwas sagt. Aber es gibt viele Leute, die sich über die Menschenrechtslage in den USA und Großbritannien beschweren", erklärte Motorsportdirektor Paul Hembery.

Pirelli verfügt selbst über einen russischen Anteilseigner (Rosneft), der sich wiederum im Besitz eines britischen Unternehmens (BP) befindet. "Die ganze Welt ist heute vernetzt, deshalb gibt es keine einfache Antwort auf diese politischen Fragen", so Hembery. "Als Sport ist unsere Ansicht, dass wir dem Rat der Regierungen in diesen Situationen folgen sollten."

In gewisser Weise schloss sich Hembery auch Horners Schelte an, stets nur die negativen Aspekte hervorzukehren. "In der Formel 1 gab es in den vergangenen Jahren eine gewisse Tendenz, sich zu viel zu beklagen", meinte er im Gespräch mit Motorsport-Magazin.com. "Wir sollten uns im Klaren darüber sein, dass wir nur ein Sport sind. Es gibt größere Probleme auf der Welt als unsere. Die Menschen sollen Spaß an der Formel 1 haben. Wir wollen ein Lächeln in die Gesichter der Fans zaubern."