Sie hatte in den letzten Wochen wohl zu ziemlich den größten Stress von allen "Bossen" in der Formel 1 - trotzdem macht Sauber-Teamchefin Monisha Kaltenborn in Spa im Exklusiv-Gespräch mit Motorsport-Magazin.com einen sehr entspannten und gelassenen Eindruck: "Ich wüsste nicht, warum ich es nicht sein sollte", sagt sie, ein bisschen kokettierend, um dann doch zuzugeben: "Es war schon sehr viel los, es wurde sehr viel spekuliert, und was mich am meisten überrascht hat, war die hohe Anzahl der Falschmeldungen, die es gab, die leichtfertig in die Welt gesetzt wurden und die dann auch noch von so vielen anderen Medien ungeprüft übernommen wurden."

Immer wieder hieß es da ja, der vor der Sommerpause angekündigte Deal mit drei russischen Partnern, der das in Finanzproblemen steckende Sauber-Team auf sichere Beine stellen soll, würde platzen - auch noch weiter getrieben, als es von Sauber selbst ein für die Formel 1 in der Wortwahl ungewöhnlich deutliches Dementi gab, weil man von den Gerüchten, die ja durchaus eine Geschäftsschädigung bedeuteten, auch im Umgang mit anderen Partnern, "die dann immer wieder Erklärungen wollen", einfach genervt war.

Wobei Kaltenborns Formulierung "in die Welt gesetzt" ein perfektes Wortspiel ist: Denn die deutsche Zeitung "Die Welt" war es ja, die in der ganzen Falschmeldungsorgie eine Vorreiterrolle spielte. Was man dazu in der deutschen Formel-1-Medienlandschaft weiß: Dahinter stecken auch persönliche Probleme zwischen einem dortigen Journalisten und dem Sauber-Team, die schon seit einigen Jahren bekannt sind - und die offenbar auch von interessierten "Querschießern" in der Schweiz genutzt werden.

Da geht es soweit, dass offenbar gefälschte oder veraltete Dokumente in Umlauf gebracht wurden, um angebliche Beweise für ein Scheitern des Russland-Deals zu präsentieren. Was alles kompletter Unsinn ist: "Der Deal steht, in seinen drei Teilen, erstens der Fahrer Sirotkin, zweitens unser Teil zur Promotion des Sotchi-GPs und drittens die Technologiepartnerschaft." Geld ist entsprechend der geschlossenen Vereinbarungen inzwischen auch geflossen, "wie wir ja schon letzte Woche bestätigt haben."

Daher rührt dann auch ihre Zuversicht, dass auch 2014 alles genau wie geplant weiter laufen wird: "Davon kann man ausgehen, aber man darf auch keine Wunder erwarten. Das ist eine Partnerschaft, die es uns erlauben soll, uns langfristig auf eine gute Basis zu stellen, aber alles braucht seine Zeit und es geht Schritt für Schritt. Diese Geduld muss man jetzt aufbringen." Wobei die zeitweise kolportierten Zahlen von einem russischen Engagement in Höhe von bis zu 400 Millionen ja von Anfang an Unsinn gewesen seien: "Die sind ja auch nie von uns gekommen, die waren natürlich völlig aus der Luft gegriffen. Von solchen Summen redet heute in der Formel 1 doch niemand mehr, das ist ja völlig unrealistisch."

Monisha Kaltenborn blickt optimistisch in die Zukunft, Foto: Sutton
Monisha Kaltenborn blickt optimistisch in die Zukunft, Foto: Sutton

Im Moment liegt der Fokus in erster Linie auf den beiden ersten Punkten des Deals - "auch dadurch, dass sich recht kurzfristig die Möglichkeit ergeben hat, am 27. September in Sotchi einen Showrun auf der neuen Strecke zu fahren - ein historischer Moment, der sicher viel Aufmerksamkeit bekommen wird." Inzwischen war Sirotkin ja auch zwei Tage in Hinwil, um sich dafür einen Sitz anpassen zu lassen und auch schon einmal einiges für seine Zukunft zu lernen. Erste "richtige" Testkilometer, allerdings reglementbedingt noch in einem 2011er-Auto, soll der dann 18-Jährige Ende Oktober, Anfang November bekommen.

Ein solcher Test, da inoffiziell, zählt allerdings nicht, um die nötigen 300 Kilometer für eine Superlizenz zu bekommen, ein Freitagseinsatz noch in diesem Jahr ist also nicht möglich: "Aber daran hätten wir sowieso nicht gedacht, selbst wenn es theoretisch gegangen wäre." Es geht nur darum, Sirotkin so früh wie möglich die Chance zu geben, eng mit dem Team zusammenzuarbeiten und die Anforderungen der Formel 1 genau kennen zu lernen.

"Der Sprung in die Formel 1 ist aus jeder anderen Serie ein großer, völlig unabhängig vom Alter des Fahrers. Deshalb wollen wir auf keinen Fall etwas übereilen, sonst leiden nachher alle darunter, das Team und der Fahrer. Wir bereiten ihn in allen Bereichen vor, darauf, wie ein F1-Team arbeitet, was ja doch anders ist, er lernt die Abläufe kennen, muss physisch auf ein bestimmtes Level gebracht werden, dann Kilometer abspulen..."

Dass es einen wirklichen Eindruck über das Potenzial des Russen - und selbst dann nur einen vorläufigen - frühestens nach den längeren Wintertests 2014 geben kann, das ist Kaltenborn klar. "Im Moment können wir nur unser Bestes geben, ihn vorzubereiten, und er kann sein Bestes geben, um seine Leistung abzurufen. Seine Einstellung dazu ist sehr positiv, sehr fokussiert, aber auch nicht übertrieben ehrgeizig. Er weiß aber auch, und das ist für mich erstaunlich, dass man alles zum rechten Zeitpunkt zusammen bringen muss, um in der Formel 1 Erfolg zu haben."

Bei seinem Besuch in Hinwil beeindruckte Sirotkin jedenfalls viele, auch anwesende Medienvertreter, durch seine Reife und sein Auftreten. "Wobei er gleichzeitig sehr natürlich ist, was auch sehr wichtig ist", wie seine Chefin betont. "Er weiß, dass er sehr viel vor sich hat, aber das ist sein Traum, er ist bereit, dafür auch sehr viel zu geben. Er weiß, dass er sich überall noch verbessern muss, denkt überhaupt nicht, dass er in einigen Gebieten schon so gut sei, dass er da nichts mehr machen müsse. Und er bringt dabei eine ruhige, aber sehr fokussierte Einstellung mit. Das fällt sofort auf."

Trotzdem taucht natürlich immer wieder die Frage auf: Was passiert, sollte man bei den Tests intern erkennen, dass Sirotkin der Aufgabe als Stammfahrer zumindest auf Anhieb doch noch nicht gewachsen sein könnte? "Wir haben ein Ziel, wir möchten dieses Ziel zusammen mit dem Fahrer erreichen und wir sind zuversichtlich, das zu schaffen", ist die Antwort von Kaltenborn. "Wir sind uns dabei alle unserer gemeinsamen Verantwortung sehr bewusst. Wenn zu irgendeinem Zeitpunkt etwas Unerwartetes passieren sollte, dann werden wir uns dem dann stellen. Aber wir wollen auf keinen Fall vorher über irgendwelche Szenarien spekulieren..."