Für Mercedes startete der Rennsonntag in Silverstone mit einem Schock... und endete umso zufriedenstellender. Das Wort 'Bittersüß' kam den Verantwortlichen nach dem Rennen somit mehr als nur einmal in den Sinn, wenn sie auf die Ergebnisse ihrer beiden Fahrer blickten. Doch wer zuletzt lacht, lacht am besten... das gilt auch in der F1 und traf am Sonntag in Großbritannien in erster Linie auf Mercedes zu. So war der süße Geschmack des Siegerchampagners, den Nico Rosberg versprühte, das, was als Quintessenz vom Heimrennen des Teams in England übrigblieb... die Verbitterung über Lewis Hamiltons Reifenschaden, die den Lokalmatador in Führung liegend bis ans Ende des Feldes zurückwarf, hingegen nur eine ärgerliche Randnotiz. Dass bei den Silberpfeilen der Großteil der Belegschaft nach dem Rennen mit einem breiten Grinsen herumlief, hatte aber noch einen ganz anderen Grund.

Nach Wochen der Kritik, dem FIA-Tribunal in Paris und der Stellung als alleiniger Prügelknabe der Formel 1, antwortete man in England auf der Strecke - während letztgenannte Rolle wieder gänzlich in den Sitz von Pirelli überging, die diese zum einen schön gewohnt seien dürften und einem aus Mercedes-Sicht die Suppe auf der anderen Seite mit dem Reifen-Test in Barcelona erst eingebrockt hatten. Beim Blick auf den Tabellenstand der Weltmeisterschaft stellten die Beobachter nach dem Fallen der Zielflagge überdies fest: Es gibt einen neuen Zweiten und der heißt Mercedes... fast ging das im Reifen-Wirrwarr, Rosberg-Jubel und Vettel-Frust am Sonntag vor den Toren Londons ein bisschen unter. Doch damit noch nicht genug der silbernen Zahlenspiele: Nach acht Saisonrennen hat das Team heuer 171 WM-Zähler eingefahren... und damit jetzt schon weit mehr als in der gesamten Saison 2012.

Nach Rosbergs Sieg kannte der Jubel bei Mercedes keine Grenzen mehr, Foto: Sutton
Nach Rosbergs Sieg kannte der Jubel bei Mercedes keine Grenzen mehr, Foto: Sutton

Ein dramatischer Nachmittag

Abgerundet wurde der Feiertag für die Mannen um Ross Brawn zudem durch den Fakt, dass all dies ausgerechnet vor der Haustüre geschah, liegen die Mercedes-Werke in Brackley und Brixworth doch unweit der Strecke. "Es ist ein ganz besonderes Gefühl, hier in Silverstone zu gewinnen - besonders nach einem so dramatischen Nachmittag", strahlte nach dem Grand Prix also auch der Teamchef, der noch vor anderthalb Wochen unter höchstem Druck in Paris auf der Anklagebank gesessen war. Mit Blick auf das Rennen von Silverstone konstatierte Brawn: "Nico hat heute eine fehlerlose Leistung gezeigt. Er fuhr extrem gut, achtete auf seine Reifen und war zur richtigen Zeit zur Stelle, als andere Probleme hatten."

Herzklopfen verschafften dem Briten dann noch einmal die letzten spannenden Rennrunden nach der zweiten Safety-Car-Phase. "Aber Nico hat gezeigt, dass er den Speed hatte, um zu antworten und das Auto ins Ziel zu bringen. Es ist sein zweiter Sieg in den letzten drei Rennen und er hat ihn wirklich verdient", freute sich Brawn. Mit Blick auf den Grand Prix seines zweiten Schützlings waren tröstende Worte angesagt. "Lewis hat heute gezeigt, aus welchem Holz er geschnitzt ist. Er führte das Feld souverän an und zog kontinuierlich davon, als er plötzlich einen Reifenschaden zu verkraften hatte", fasste Brawn Hamiltons Heimrennen zusammen. Dass sich der Ex-Champion danach von ganz hinten noch bis auf P4 im Ziel nach vorne kämpfte, fand der Teamchef mehr als respektabel.

Auch Hamilton fand in Silverstone doch noch einen Grund zum Strahlen..., Foto: Sutton
Auch Hamilton fand in Silverstone doch noch einen Grund zum Strahlen..., Foto: Sutton

"In den Schlussrunden fuhr er mit einem beschädigten Auto unglaublich schnelle Rundenzeiten", zollte der Brite seinem 28-jährigen Landsmann Tribut. Hamilton müsse den Kopf nun wieder nach oben richten - Grund dazu gäbe es ohnehin genug, fand Brawn. "Unser Grundspeed im heutigen Rennen wird ihm sicherlich viel Ermutigung für den Rest der Saison geben", so der Mercedes-Boss, der diesbezüglich auch das Team loben wollte. "Wir haben in diesem Jahr Tag und Nacht gearbeitet, um das Auto zu verbessern, unsere Schwierigkeiten im Umgang mit den Reifen zu lösen und uns in die Position zu bringen, gegen unsere Gegner zu kämpfen." Am Sonntag sei einem auf dem Weg nach ganz vorne ein weiterer großer Schritt gelungen. "Und vielleicht haben wir damit eine Wende eingeläutet", wollte Brawn ein bisschen träumen.

Die beste Nachricht des Tages

Ins Schwärmen geriet derweil auch Toto Wolff. Der Motorsportverantwortliche bei den Silberpfeilen jubelte: "Was für ein großartiger Tag für unser Team!" Die ganze Truppe habe in den turbulenten vergangenen Wochen hart gearbeitet, um eine derartige Performance zu ermöglichen. "Und wir haben stets auch die absolute Unterstützung des Vorstands in Stuttgart genossen", richtete der Österreicher seinen Dank ans Hauptquartier des Automobilherstellers. "Heute haben wir damit begonnen, unser Potential auszuschöpfen", war Wolff überzeugt. Beide Autos hätten während des gesamten Rennens die nötige Pace vorweisen können. "Während Lewis leider Pech hatte, spielte uns bei Nico das Glück bei der letzten Safety-Car-Phase in die Karten", räumte der 41-Jährige ein.

Nur so habe man beim Wiesbadener einen bereits beschädigten Reifen ohne Zeitverlust wechseln können. "Nico fuhr ein wundervolles Rennen und Lewis zeigte sich angriffslustig und entschlossen, um sich vom Ende des Feldes bis knapp an das Podium heran zu kämpfen", zog Wolff ein durchwegs positives Fazit. Nun sei man mehr als nur in Reichweite der Spitzenteams - das generiere für die kommenden Rennen zusätzlich Auftrieb. "Wir waren an diesem Wochenende unter normalen Umständen und auf einer anspruchsvollen Strecke im Qualifying und während des gesamten Rennens konkurrenzfähig - das ist für mich wahrscheinlich die beste Nachricht des Tages", strahlte Wolff, der den Blick erfolgshungrig trotzdem gleich wieder nach vorne richtete: "Jetzt müssen wir weiter Gas geben, denn wir möchten in dieser Saison noch viel mehr erreichen."