Niki Lauda meint - zumindest offiziell - die Reifen in der Formel 1 müssten vor allem deshalb geändert werden, weil sonst die Zuschauer angesichts der vielen Boxenstopps und unterschiedlichen Strategien überhaupt nicht mehr durchblicken würden. Dem widerspricht sein RTL-Experten-Kollege Christian Danner: "Da unterschätzt Niki die Intelligenz der Fans - und auch die von uns TV-Kommentatoren, das den Fans zu vermitteln."

In Wahrheit verspreche sich doch Lauda nur von haltbareren Reifen einen spezielleren Vorteil für Mercedes. Deshalb das Gerede und der öffentliche Druck, auch mit der Aussage, er, Lauda, wisse, dass es ab Barcelona bei Pirelli massive Änderungen geben werde. Bei Pirelli selbst weiß man davon allerdings noch nichts - Paul Hembery weiß nur, dass er von acht Teams die schriftliche Aufforderung auf dem Tisch liegen habe, "nichts zu ändern", und keine einzige offizielle, etwas zu ändern. Das immer wieder angeführte Argument: Es sei schließlich für alle gleich und die Rennen seien so doch nur interessanter geworden.

Echte Zweikämpfe nehmen ab., Foto: Lotus F1 Team
Echte Zweikämpfe nehmen ab., Foto: Lotus F1 Team

Die Angst vor der teuren Rechnung

In die ganze Diskussion kommt jetzt allerdings verstärkt ein Aspekt - und zwar auf breiterer Front von Fahrerseite - der zumindest bedenkenswert ist. Wer genau zuhört, merkt: Es geht gar nicht mehr um den Reifenabbau an sich, es geht darum, dass das Verhalten der Reifen unkalkulierbar ist - und dass man sich deshalb als Fahrer nicht mehr traut, einen Konkurrenten wirklich zu attackieren, aus Angst, das kurz darauf teuer bezahlen zu müssen. Das vor allem meinte Sebastian Vettel mit "lächerlich", als er kurz nach dem Rennen die Situation hinter Hülkenberg, aber auch am Ende mit den weichen Reifen beschrieb: "Selbst da konnte ich ja nicht von Anfang an so schnell fahren, wie es möglich gewesen wäre - weil nicht klar war, ob die Reifen dann die vier Runden bis zum Ende halten würden."

Selbst Sieger Fernando Alonso, der zugab, "deutlich weniger Reifenprobleme als erwartet" gehabt zu haben, gab zwischendurch in einem Nebensatz schon mal zu Protokoll: "Das Problem ist das Überholen". Und dass Jenson Button, neben seinem McLaren-Teamkollegen Sergio Perez der Einzige, der versuchte, mit einer Zwei-Stopp-Strategie durchzukommen, mehrmals bei seiner Box nachfragte, ob er denn nun angreifen dürfe, das wirkte tatsächlich, um bei Vettels Ausdrucksweise zu bleiben, schon ein bisschen lächerlich.

Künstliche Spannung

Adrian Sutil kennt das Problem aus Australien, als er relativ spät auf den weichen Reifen wechselte, damit versuchte, nach vorne zu attackieren - und daraufhin erst einmal gewaltig Boden verlor, weil der Reifen komplett einbrach. "He raced other people", heißt das im Rennsportenglisch - also er hat andere angegriffen - und genau das hätte er wohl eher nicht tun sollen. Dabei war das eigentlich einmal der Sinn des Rennsports: Andere anzugreifen, versuchen, schneller zu sein. "Sicher sagen viele Leute, dass die Rennen doch gerade durch die Reifensituation jetzt spannend sind, vor allem auch dadurch, dass ja verschiedene Strategien gefahren werden. Aber wenn man sich das einmal ein bisschen genauer anschaut, dann ist das doch eine rein künstlich erzeugte Spannung, die durch das Zusammenrechnen von Zeiten am Computer entsteht - und nicht durch echtes Rennfahren", gibt Sutil zu bedenken.

Er hatte ja nach seinem frühen Ausfall in China Zeit genug, sich das Rennen anzuschauen - und ihm fiel auf: "Echte Überholmanöver, Rad-an-Rad-Kämpfe, das, was eigentlich den Rennsport ausmacht, hat es doch praktisch nicht gegeben. Wenn Vettel seinen Hauptkonkurrenten Alonso quasi vorbeiwinken muss, nur damit den Reifen nichts passiert, dann kann es das doch auch eigentlich nicht sein. Und mir ging es ja in Australien genauso, ich hatte schon die ganze Zeit auf den harten immer nur den Funk im Ohr: Vorsicht im Kampf gegen Vettel, die Reifen sind wichtiger als ein eventueller Positionsverlust. Und ob das alles dann für die Fans das Non-plus-Ultra ist?"

Sutil ist sicher nicht für "Holzreifen", die eine ganze Distanz ohne Probleme halten. "Aber ein bisschen kalkulierbarer müsste das Verhalten schon sein. Und auch die extreme Temperaturempfindlichkeit ist für mich immer noch ein Thema. Das hat man doch auch wieder in China gesehen - bei uns, also bei Paul di Resta, wurde es immer besser, je kälter es wurde, bei Sauber ging dafür am Ende bei 10 Grad weniger nichts mehr. Und das sind halt auch Dinge, die nicht unter "Können", sondern oft unter reines Glücksspiel fallen - und die uns Fahrer so frustrieren."