Ex-Marussia-Pilot Timo Glock hatte sich das vorläufige Ende seiner Formel-1-Karriere sicher anders vorgestellt. Er hätte gerne weiter mit dem Team, bei dem er von Anfang an dabei war und die ersten Schritte mitging, zusammengearbeitet. "Wir haben letztes Jahr gewusst, dass wir von der Entwicklung her eine neue Richtung einschlagen. In das ganze Thema war ich noch involviert. Es ist schön, von außen zu sehen, dass es die richtige Richtung war und ich dem Team wenigstens im letzten Moment noch die richtige Richtung mitgeben konnte", berichtete Glock.

Dass ihn sein Team trotz gültigen Vertrags vor die Tür setzte und stattdessen Paydriver ins Boot holte, sieht er gelassen und hegt keinen Groll. "Die Paydriver waren schon immer da. Jetzt ist wieder eine Zeit, in der es den kleineren Teams schlechter geht und in der Paydriver mehr im Vordergrund stehen", analysierte er sachlich. "Ich freue mich auf die neue Herausforderung", meinte er mit Blick auf seine "zweite" Karriere in der DTM.

Er habe die ersten beiden Saisonrennen der Formel 1 vor dem Fernseher verfolgt, wobei er den Saisonauftakt in Melbourne glatt verschlief. Er sei dabei neugierig gewesen, wie er reagiere, und habe festgestellt, dass er ganz entspannt war. Die entscheidenden Runden des Malaysia GP, als Sebastian Vettel sich der Teamorder von Red Bull widersetzte und seinen Teamkollegen Mark Webber überholte, verpasste Glock jedoch. "Ich habe zehn oder 15 Runden vom Rennen nicht gesehen - das waren leider genau die", berichtete er. Im Nachhinein habe er die umstrittene Situation jedoch erfahren.

Radfahren mit Vettel

"Es gibt eines, was man als Fahrer aus der Formel 1 mitnimmt: du als Fahrer weißt, was da für Funksprüche laufen, wer was für Anweisungen bekommt und wer nicht. Der Zuschauer oder Journalist bekommt da nicht wirklich alles mit", betonte Glock, der in seiner Formel-1-Karriere für Toyota und Marussia fuhr und laut eigenem Bekunden nie in eine derartige Situation kam. Dementsprechend neutral äußert er sich auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com zu der delikaten Angelegenheit. "Das war eine Entscheidung, die Seb für sich getroffen hat. Die hat er zu verantworten. Und wenn er am Ende des Jahres mit fünf Punkten Vorsprung Weltmeister wird, fragt keiner mehr nach dem Thema, dann gratuliert man ihm wahrscheinlich noch zu dem Überholmanöver. Das ist eben die Formel 1 und jedes Team muss wissen, wie sie damit umgehen."

Timo Glock und Sebastian Vettel werden sich in dieser Saison nur selten sehen., Foto: Sutton
Timo Glock und Sebastian Vettel werden sich in dieser Saison nur selten sehen., Foto: Sutton

Ein derartiger Ungehorsam gegenüber dem Kommandostand könne laut Glock sowohl für als auch gegen den Piloten laufen. "Es kann sein, dass das Team sagt: Du bist kein Teamplayer! Und dann steht man sozusagen außerhalb vom Kreis. Aber Seb ist drei Mal Weltmeister geworden und hat auch das Team dahin gebracht, wo sie jetzt stehen, und er kann sich das vielleicht rausnehmen", merkte er an.

Da Glock und Vettel nicht weit voneinander entfernt in der Schweiz leben, haben sie bisweilen Kontakt und fahren gemeinsam Fahrrad. "Das Problem dieses Jahr ist - wir haben unsere Kalender verglichen -, dass wenn ich da bin, er weg ist, und umgekehrt. Mal gucken, ob wir dieses Jahr noch ein paar Kilometer auf dem Rad zusammenbekommen", meinte Glock schmunzelnd. Dass er seinen Kumpel in absehbarer Zeit wieder öfter sieht, weil er in die Königsklasse zurückkehrt, wollte der Hesse nicht ausschließen. "Es ist immer alles möglich. Momentan befasse ich mich damit aber nicht. Ich habe momentan auch keinen wirklichen Kontakt Richtung Formel 1. Ich stehe natürlich mit meinem alten Team ein wenig in Kontakt, um zu sehen, wie es da weiter geht. Aber ansonsten konzentriere ich mich voll auf die DTM, das ist mein Hauptthema", stellte er klar.

Hauptthema DTM

Damit ist er ohnehin beschäftigt genug, denn die Formel 1 und die DTM seien zwei verschiedene Welten. "Man kann ein Formel-1-Auto nicht mit einem DTM-Auto vergleichen. Wenn man einen DTM-Fahrer in ein Formel-1-Auto setzt, dann steigt er aus und sagt auch erst einmal: Ich brauche ein paar Kilometer, bis ich verstanden habe, wie ich mit so einem Auto schnell fahre und so ist es umgekehrt auch", schilderte er. "Wenn man mehrere Jahre so wie ich in einem Formel-1-Auto gesessen hat, dann hat man gewisse Sachen verinnerlicht. Und so haben die Jungs das mit dem DTM-Auto gemacht. Die wissen haargenau, was sie zu tun haben - da muss ich erst einmal hinkommen", schraubte er die Erwartungen an ihn herunter.

Ob nun die Piloten in der Formel 1 oder in der DTM die größeren Könner sind, vermochte er nicht zu beurteilen. "Beide Autos sind auf ihre eigene Art und Weise sehr anspruchsvoll", gab er zu bedenken. "Ein DTM-Fahrer wäre wahrscheinlich erst einmal beeindruckt von der Fliehkraft und der Kurvengeschwindigkeit, die möglich sind, und von der Verzögerung auf der Bremse", überlegte er. Mit einem Formel-1-Auto könne man Dinge tun, was zum Beispiel das Anbremsen einer Kurve angeht, was mit einem DTM-Boliden nicht möglich ist - schlicht, weil sie doppelt so schwer sind. "Das Gewicht spielt eine unheimliche Rolle und natürlich die Aerodynamik", schilderte Glock.

Nach zwei Testtagen in dieser Woche, bei denen er sich weiter an sein neues Arbeitsgerät gewöhnen kann, wird es am 5. Mai mit dem Auftakt in Hockenheim erstmals ernst für den ehemaligen Formel-1-Piloten.