Es hatte sich angedeutet, jetzt steht es offiziell fest: Motorsport-Deutschland verliert mit der ADAC Formel 4 seine einzige professionell aufgestellte Formel-Nachwuchsserie. Der ADAC schreibt die Rennserie für Formel-Nachwuchstalente in der Saison 2023 im Zuge einer motorsportlichen Neuaufstellung nicht mehr aus.

Die ADAC Formel-Nachwuchsförderung war seit vielen Jahren Ausgangspunkt für künftige Motorsport-Stars. In der Vergangenheit begannen Formel-1-Fahrer wie der vierfache Weltmeister Sebastian Vettel, Nico Hülkenberg, Ralf Schumacher oder Nico Rosberg sowie DTM-Stars wie Martin Tomczyk, Pascal Wehrlein oder Timo Glock bzw. Formel-E-Piloten wie Maximilian Günther ihre erfolgreichen Karrieren in den ADAC Nachwuchs-Formelserien.

Im Jahr 2015 war die ADAC Formel 4 aus dem ADAC Formel Masters hervorgegangen - und feierte in den ersten Jahren große Erfolge. Starterfelder von mehr als 40 Autos sorgten dafür, dass nicht einmal alle Einschreibungen angenommen werden konnten. Fahrer wie Mick Schumacher, Lando Norris oder Robert Shwartzman lernten in der ADAC Formel 4 ihr Rüstzeug für den weiteren Weg im Formelsport.

Doch mit den Jahren stiegen die Kosten für eine Saison im Formelsport immer dramatischer an. Top-Teams verlangten bis zu 400.000 Euro für nur eine Saison - das konnte sich auf dem heimischen Markt und ohne größere Unterstützung aus der Industrie kaum noch jemand leisten.

Bilder aus besseren Zeiten: Die ADAC Formel 4 im Debütjahr 2015, Foto: ADAC Formel 4
Bilder aus besseren Zeiten: Die ADAC Formel 4 im Debütjahr 2015, Foto: ADAC Formel 4

Nur wenige Formel-Nachwuchstalente gingen in den vergangenen Jahren im deutschen F4-Ableger noch an den Start. Beim diesjährigen Finale auf dem Nürburgring standen nur noch elf Autos am Start. Völlig überlegener Meister wurde der Mercedes-Junior Andrea Kimi Antonelli.

Um dem deutschen Formel-Nachwuchs doch noch Einsatzmöglichkeiten zu verschaffen, hat der ADAC die Gründung eines ADAC Formel Junior Team mit zwei fixen Fahrern angekündigt. Interessierte Bewerber können sich bis Mitte Januar 2023 um einen Platz direkt beim ADAC bewerben. Zwei Fahrer der Jahrgänge 2006 bis 2008 können unter diesem Banner in der Französischen Formel 4 bei sieben Rennwochenenden starten.

Die Teilnahmegebühr liegt bei moderaten 108.000 Euro, zudem wird ein Formel-4-Auto zur Verfügung gestellt. Im Paket enthalten sind neben Simulator-Sessions auch drei Vorsaison-Testtage inklusive jeweils einem Satz Pirelli-Reifen sowie zwei organisierte Testtage der FFSA Formel-4-Meisterschaft. Der ADAC strebt zudem für die Zukunft einen Ausbau der Kooperation mit dem Französischen Verband FFSA an.

"Wir haben viele Motorsporttalente in Deutschland, doch in den vergangenen Jahren ist einer großen Anzahl der Aufstieg in den Formelsport aufgrund von sehr hohen Kosten verwehrt geblieben", sagt ADAC Sportpräsident Dr. Gerd Ennser. Daher gehen wir nun einen neuen Weg und schaffen für den Nachwuchs mit dem neuen ADAC Formel Junior Team die Möglichkeit für einen unkomplizierten Einstieg in den Formelsport. Der Zentraleinsatz in der FFSA Formel 4 Academy garantiert im ersten Schritt zwei Talenten aus Deutschland Chancengleichheit und Kostentransparenz."

Mit dem Wegfall der ADAC Formel 4 wäre zumindest ein mögliches 'Platzproblem' bei der künftigen Aufstellung von Motorsport-Deutschland unter dem Banner des ADAC gelöst. Der zweitgrößte Automobilklub der Welt hatte am Freitag die Übernahme der Markenrechte der DTM in Folge der ITR-Auflösung bekanntgegeben.

Wie genau der ADAC ab 2023 die bisherigen zwei Plattformen von DTM und ADAC GT Masters betreiben will, steht im Detail noch nicht fest. Für eine einzige Plattform wäre es wohl schwierig, die vielen bestehenden Rahmenserien unterzubringen. Dem 2021 geschaffenen ADAC Racing Weekend, das sich an den Nachwuchs- und Breitensport richtet, könnte künftig eine größere Bedeutung zukommen.

Der zweifache DTM-Champion und Besitzer eines eigenen Teams in der ADAC Formel 4 2015 und 2016, Timo Scheider, sagte im Interview für die kommende Print-Ausgabe des Motorsport-Magazin:

"Die Entwicklung der vergangenen Jahre hat deutlich gezeigt, dass wir zu Recht Angst vor der Zukunft im deutschen Motorsport haben müssen. Leider ziehen sich die Hersteller immer mehr zurück und unterstützen Teams und Fahrer immer weniger. Die Finanzen werden auf sie abgewälzt. Dazu die finanziellen Schwierigkeiten im Nachwuchsbereich: Kartsport oder die Formel-Nachwuchsserien auf siegreichem Niveau zu betreiben, kann sich keiner mehr leisten. Deshalb gibt es immer weniger Perspektiven für angehende Rennfahrer. Immer häufiger werden angehende Rennfahrer als 'Talent' bezeichnet, aber nicht, weil sie wirklich Talent haben, sondern, weil sie über den finanziellen Background verfügen."

Alle Meister des ADAC Formel Masters (2008-2014) und der ADAC Formel 4 (2015-2022)

JahrMeister
2008Armando Parente
2009Daniel Abt
2010Richie Stanaway
2011Pascal Wehrlein
2012Marvin Kirchhöfer
2013Alessio Picariello
2014Mikkel Jensen
2015Marvin Dienst
2016Joey Mawson
2017Jüri Vips
2018Lirim Zendeli
2019Theo Pourchaire
2020Johnny Edgar
2021Oliver Bearman
2022Andrea Kimi Antonelli