In einem modernen Formel 1-Fahrzeug zählen sie zu den wichtigsten Bauteilen überhaupt: die Drosselklappen. Rob White, stellvertretender Geschäftsführer von Renault Sport F1 und Chef der Motorenentwicklung, erklärt vor dem Grand Prix von Malaysia, wie sich ihre Bedeutung im Laufe der vergangenen Jahre verändert hat und wie es Renault Sport F1 gelungen ist, deren Abstimmung zu optimieren.

Was genau verbirgt sich eigentlich hinter dem Begriff Drosselklappe?
Rob White: Grundsätzlich umfasst der Begriff alle Bauteile, die dazu dienen, die Kraft des Motors zu kontrollieren bzw. zu dosieren. Hierzu zählt natürlich auch das Gaspedal selbst, das der Fahrer mit seinem rechten Fuß betätigt. Technisch gesehen handelt es sich jedoch um einen hydraulischen Mechanismus, der die Luft- und die Treibstoffmenge reguliert, die in die Brennräume eingeleitet wird.

Ein V8-Formel 1-Motor verfügt über acht Drosselklappen. Diese befinden sich knapp vor dem Zylinderkopfflansch und steuern die Luftmenge, die von der Airbox in jeden einzelnen Brennraum gelangt. Bei geöffneten Drosselklappen kann die Luft ungehindert in die Zylinder fließen. Der abwärtsgehende Kolben vergrößert das Volumen im Zylinder und saugt frisches Luft-Kraftstoff-Gemisch über die geöffneten Einlassventile an.

Neben Sauerstoff ist für den Verbrennungsprozess natürlich auch Benzin notwendig. Dieses wird unmittelbar vor dem Einlassventil, das vor den Ansaugtrichtern angeordnet ist, in den Zylinder eingespritzt. Die Aufwärtsbewegung des Kolbens verdichtet das Luft-Benzin-Gemisch, anschließend leitet die Zündkerze die Verbrennung ein. Über die Drosselklappe können wir exakt steuern, wie viel Treibstoff bei jedem Zyklus verbrannt wird. Ziel ist es, diesen Prozess so effizient wie möglich zu gestalten.

Bei geschlossener Drosselklappe gelangt hingegen keine Luft in die Zylinder. Somit ist der Verbrennungsprozess unterbrochen. Die Steuerung sämtlicher Drosselklappenventile erfolgt über das Gaspedal. Abhängig von der Pedalstellung wird der Leistungsbedarf direkt an die einheitliche Motorsteuerung, die Electronic Control Unit oder ECU, übermittelt. Diese wiederum kontrolliert dann anhand des jeweiligen Motoren-Mappings die exakte Stellung der Drosselklappen.

Rob White kennt die Motoren wie kaum ein anderer, Foto: Sutton
Rob White kennt die Motoren wie kaum ein anderer, Foto: Sutton

Welche unterschiedlichen Drosselklappen sind in der Formel 1 laut Reglement erlaubt?
Rob White: Das aktuelle Reglement setzt bei der Abstimmung der Motorenmappings insbesondere im Hinblick auf das Drehmoment sowie die Zündzeitpunkte klar definierte Grenzen. Genauer gesagt muss das durch den Motor bereitgestellte Drehmoment zu jedem Zeitpunkt genau dem vom Fahrer angeforderten Drehmoment entsprechen. Ich will das an einem Beispiel genauer verdeutlichen: Wenn der Pilot das Gaspedal voll durchtritt, müssen auch die Drosselklappen komplett geöffnet sein und der Motor muss das entsprechende Drehmoment bereitstellen. Umgekehrt gilt: Wenn sich das Gaspedal in 'Null-Stellung' befindet, darf der Achtzylinder entweder kein oder nur ein negatives Drehmoment produzieren - etwa dann, wenn im Schiebebetrieb die Motorbremse genutzt wird. Dies gilt für eine Gaspedalstellung zwischen null und 30 Prozent. Im Hinblick auf die Drosselklappen selbst gewährt uns das Reglement deutlich mehr Freiraum, so dass hier mehrere verschiedene Systeme zum Einsatz kommen können. Seit 1990 wurden in der Formel jedoch hauptsächlich drei unterschiedliche Arten von Drosselklappen verwendet.

Die erste ist das sogenannte 'Guillotinen-Ventil'. Wie ein Fallbeil sorgt hier ein Ventil dafür, dass die Luftzufuhr schlagartig unterbrochen wird. Sobald sich dieses Ventil wieder öffnet, kann erneut Luft in die Zylinder fließen.

Die zweite Alternative ist das 'Butterfly'- oder Schmetterlings-Ventil, das an einer drehbaren Achse befestigt ist. Bei Vollgas befindet es sich in senkrechter Position, so dass die einfließende Luft ungehindert in den Brennraum gelangt. Bei geschlossener Stellung klappt es in horizontale Position und unterbricht den Luftstrom. Diese Konstruktion ähnelt dem Flügelschlag eines Schmetterlings, woraus auch der Name resultiert.

Last but not least existieren die sogenannten 'Barrel Valves'. Hierbei rollen Kugeln in den Zylinder und verhindern so, dass weitere Luft in den Brennraum gelangt. Grundsätzlich dürfen in der Formel 1 alle drei Systeme verwendet werden. Normalerweise setzen die Motorenhersteller in der Königsklasse mittlerweile jedoch auf die 'Butterfly'- oder die 'Barrel'-Lösung.

Welches Drosselklappen-System verwendet Renault Sport F1 beim RS27-V8?
Rob White: In unserem aktuellen Achtzylinder kommt die 'Butterfly'-Technologie zum Einsatz. In den Anfängen der V10- und später auch der V8-Ära experimentierten wir auch mit dem 'Barrel'-System, entschieden uns dann jedoch für den 'Schmetterling'.

Mit der 'Barrel'-Technologie produziert der Motor zwar mehr Power, weil bei geöffneten Drosselklappen mehr Luft in die Brennräume gelangt. Im Gegenzug zeichnet sich die 'Butterfly'-Lösung jedoch durch ihr sensibleres Ansprechverhalten und das effizientere Luft-Benzin-Gemisch aus. Vorteil: Die Fahrbarkeit ist deutlich besser. In Motorleistung ausgedrückt unterscheiden sich beide Systeme um rund vier bis fünf PS. Renault Sport F1 verspricht sich von der 'Butterfly'-Lösung größere Vorteile, wie etwa eine höhere Fahrstabilität und damit einhergehend ein geringerer Reifenverschleiß und mehr Grip in langsamen Kurven, wenn die Drosselklappen nicht ganz geöffnet sind.

Mit einem Schmetterling hat die Drosselklappe allerdings nichts zu tun, Foto: Bumstead/Sutton
Mit einem Schmetterling hat die Drosselklappe allerdings nichts zu tun, Foto: Bumstead/Sutton

Wie hat sich die Drosselklappensteuerung seit Einführung der V8-Motorn im Jahr 2006 verändert?
Rob White: Die Drosselklappe selbst ist heute dünner als damals. Anfang des Jahres 2000 waren die Ventile fast drei Mal dicker als die aktuelle Ausführung. Außerdem bestehen sie nicht mehr aus Stahl, sondern aus Titan, Aluminium oder einem Plastik-Verbundmaterial. Vorteil: Das dünnere Material sorgt dafür, dass sich die Einbußen bei der Motorleistung im Vergleich zum 'Barrel'-System auf nur vier PS reduzieren. Früher belief sich dieser Nachteil auf bis zu zehn PS. Darüber hinaus präsentiert sich das Drosselklappengestänge ebenfalls deutlich einfacher als früher. In den frühen Jahren der Achtzylinder-Ära waren die Drosselklappen durch sehr komplizierte und voneinander abgetrennte Mechanismen miteinander verbunden. Dieses System zeichnete sich zwar durch eine sehr hohe Präzision aus, brachte jedoch auch Gewichtsnachteile mit sich. Außerdem war die Wartung recht kompliziert.

Heute sind alle acht Drosselklappen der einzelnen Zylinder durch einen einzigen Mechanismus miteinander verbunden. Vorteil: ein geringeres Gewicht. Die geringen Einbußen bei der Präzision können wir dadurch kompensieren, dass es uns die neue Technologie nun ermöglicht, die Motoren auch auf weniger als acht Zylindern laufen zu lassen. Der geringe Präzisionsverlust, den diese Lösung bei wenig geöffneten Drosselklappen mit sich bringen kann, fällt somit nicht ins Gewicht.

Angenommen, die Motorenenwicklung wäre nicht reglementsbedingt 'eingefroren' worden: Welche Drosselklappen-Systeme würden in diesem Fall in den aktuellen Formel 1-Motoren zum Einsatz kommen?
Rob White: Möglicherweise würden wir dann komplett auf Drosselklappen verzichten. In der Saison 2011 programmierten die Teams ihre Motoren-Mappings so, dass die Drosselklappen im Grunde während der kompletten Runde ganz geöffnet waren. Vorteil: Der Abgasstrom riss nie ab und der mittlerweile verbotene 'angeblasene Diffusor' sorgte für deutlich höheren Anpressdruck. Statt der Drosselklappen nutzten die Ingenieure damals das Motor-Mapping, um den Drehmomentverlauf zu kontrollieren.

Ohne die Reglementänderung, die vorschreibt, dass die Auspuffgase unter keinen Umständen Einfluss auf die Aerodynamik nehmen dürfen, wären die Drosselklappen der aktuellen Formel 1-Fahrzeuge auch weiterhin komplett geöffnet. Die Motorleistung würde in diesem Falle ausschließlich über die Abstimmung der Zündung geregelt. Das Resultat wären Formel 1-Fahrzeuge, die sich durch eine sehr hohe Effizienz auszeichnen.

Zu guter Letzt: Verraten Sie uns noch interessante Zahlen oder Statistiken?
Rob White: Die Drosselklappe eine Formel 1-Fahrzeugs schließt und öffnet innerhalb von nur zehn bis 15 Millisekunden - vergleichbar mit dem Blitzlicht eines Fotoapparates. Auf dem Sepang International Circuit liegt der Vollgasanteil bei rund 60 Prozent. Pro Runde öffnen und schließen die Drosselklappen also etwa 110 Mal. Bei einer durchschnittlichen Rundenzeit von 1,36 Minuten verändern sie also alle 0,87 Sekunden ihre Position. Zum Vergleich: das Blinzeln eines menschlichen Auges dauert länger.