Ein Grand Prix in Russland, am liebsten in Moskau - das war lange Zeit Bernie Ecclestones Traum. Die Umsetzung dauerte Jahrzehnte, aber jetzt sieht es so aus, als ob Ecclestone mal wieder bekommen würde, was er möchte. Ab dem Jahr 2014 soll der Rennzirkus in Sochi Station machen und die F1-Begeisterung in Russland weiter anheizen.

Einen ersten Anstieg des Interesses vermerkte die Königsklasse mit dem GP-Debüt von Vitaly Petrov. "Es gab eine große Explosion - viele Zeitungen und Magazine haben über mich berichtet", sagt Petrov. Der Zuspruch wächst von Woche zu Woche. "Tatsächlich hat mich jedes der großen russischen Lifestyle-Magazine in ihrer Liste der Top-Ten attraktivsten Single-Männer aufgeführt!"

Petrov einer der bekanntesten Russen

In einer Umfrage landete Petrov auf Platz 3 der bekanntesten Russen hinter Vladimir Putin und Dmitry Medvedev. Premierminister Putin beschäftigt sich sogar persönlich mit der Formel 1. Nachdem er in einem Renault-Boliden einmal selbst Gas geben durfte, nahm er an Meetings mit potenziellen Sponsoren für Petrov teil und forderte mehr Unterstützung für seinen Landsmann ein.

Als Petrov das erste Mal als F1-Pilot nach Moskau zurückkehrte, gab er innerhalb von vier Tagen 184 Interviews. 300 Fans umlagerten ihn bei einem PR-Termin und einer Demofahrt auf dem Roten Platz - als Eishockey- oder Fußballstar wären es jedoch locker mehrere tausend Fans gewesen, die ihn zu erdrücken drohten. "Ich würde nicht sagen, dass Vitalys F1-Einstieg ein großer Schub für die Formel 1 in Russland war", analysiert der weißrussische F1-Experte Alexander Stelmakh im Motorsport-Magazin.

Gestärkte Fanbasis

Wenn die Bekanntheit der Formel 1 in Deutschland als Messlatte 100% beträgt, erreicht Russland laut seiner Analyse nicht mehr als 20%. Dennoch habe Petrov dafür gesorgt, dass die bereits vorhandene Fanbasis gestärkt wurde. Der beliebteste Fahrer in Russland ist und bleibt ein anderer - Michael Schumacher. "Einige Leute haben überhaupt nicht bemerkt, dass er drei Jahre weg war", verrät Stelmakh.

Für russische Firmen lohnt es sich derzeit noch nicht, Geld in Petrov oder die Formel 1 zu investieren. Sollten seine Leistungen sich auf einem höheren Niveau einpendeln, könnte sich das jedoch über Nacht ändern. "Russland ist wie Spanien vor Alonso", so Stelmakh. "Wenn Vitaly gewinnt, wird es einen riesigen F1-Boom geben. Wenn nicht, wird der Mainstream nichts davon mitbekommen."

Historische Ablehnung

Die Wurzeln für die Ablehnung der Formel 1 liegen in der ehemaligen Sowjetunion. In den 70er und 80er Jahren sah man die F1 als kapitalistischen Sport an, der nur dazu diente, Geld zu verbrennen und Unternehmen zu glorifizieren. "Wir haben bislang nicht wirklich viel Motorsport in Russland gehabt", bestätigt Petrov. "Erst jetzt beginnen wir damit."

Der erste Schritt war der erste Grand Prix hinter dem Eisernen Vorhang 1986 in Ungarn. Seit 1992 werden die Rennen live im russischen TV übertragen. Nach Petrovs Einstieg schossen die Quoten von einer Million Zuschauern 2009 auf drei Millionen 2010 in die Höhe. Dennoch liegt noch viel Lobbyarbeit vor der Formel 1. So genießen die Olympischen Spiele 2014 höhere Priorität als der erste Grand Prix - notfalls soll das Rennen um ein Jahr verschoben werden.

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