Michela, du warst auf dem Red Bull Ring erstmals im ATS Formel-3-Cup im Einsatz. Wie war dein Eindruck?
Michela Cerruti: Mein erster Eindruck war sehr gut. Ich merkte schnell, dass die Fahrer sehr schnell sind und die Organisation perfekt ist. Die Leute, die in dieser Serie arbeiten, sind sehr professionell sind und nehmen ihren Job ernst. Ich bin wirklich froh, hier dabei sein zu können - auch wenn es nur die zweite Hälfte der Saison ist. Für meine Entwicklung wird sich das mit Sicherheit als sehr hilfreich erweisen - vor allem, weil man am Wochenende sehr viel zum Fahren kommt. Und das ist für unerfahrene Fahrer wie mich von höchster Wichtigkeit.

Neu ist auch für dich der Einsatz des Push-to-pass-Systems. Merkt man die Mehrleistung in der Spitze auf 240 PS stark? Fällt es schwer, das System an den richtigen Stellen zu nutzen, damit man auch einen Vorteil hat?
Michela Cerruti: Man merkt den Unterschied definitiv und ich habe festgestellt, dass es - vorausgesetzt, es wird korrekt eingesetzt - tatsächlich bessere Rundenzeiten ermöglicht und das Überholen im Rennen erleichtern kann. Es ist allerdings nicht so einfach - speziell im Rennen - zu entscheiden, wann der optimale Zeitpunkt für den Gebrauch des Systems ist. Schließlich darf man es nur zehn Mal pro Rennen einsetzen.

Wie wurdest du denn von deinen männlichen Kollegen aufgenommen? Haben sie dir geholfen, oder versucht jeder unbedingt gegen dich als Frau gewinnen zu wollen?
Michela Cerruti: Ich kann sagen, dass sie mich sowohl auf als auch abseits der Strecke korrekt behandelt haben. Ich hatte Glück, denn mein Teamkollege Tom Blomqvist, einer der schnellsten Fahrer im Feld, war sehr freundlich und hilfsbereit. Und das war wichtig, denn für mich war es nicht nur mein erstes Wochenende im ATS Formel-3-Cup sondern auch mein erstes Rennwochenende mit einem F3-Auto dieser Art.

Kommt eine zierliche Frau wie du mit den Kräften im Auto gut zurecht? Wie viel trainierst du? Machst du spezielle Kraftübungen?
Michela Cerruti: Sprechen wir bitte nicht darüber! Es ist kaum zu glauben, doch ein solches Auto zu fahren ist wirklich schwer - speziell in den schnellen Kurven, in denen die G-Kräfte an dir zerren. Da die Yokohama-Reifen sehr gut sind und man eine Menge Grip an der Vorderachse hat, lässt sich das Lenkrad ziemlich schwer drehen. Für ein Mädchen ist das natürlich noch schwerer, deshalb trainiere ich wirklich viel - und das jeden Tag. Denn mir ist klar, dass meine körperliche Kondition einer der Gründe ist, warum ich gelegentlich nicht in der Lage bin, die Rundenzeit zu fahren, zu der ich - wie ich weiß - eigentlich in der Lage wäre. Ich weiß aber auch, das viele Fahrer am Anfang diese Probleme haben, es ist also nur eine Frage von Zeit und Training und nichts, was unmöglich wäre.

Wie reagiert denn das ‚normale Umfeld' auf dich? So viele Rennfahrerinnen gibt es ja nicht. Findet man beispielsweise leichter Sponsoren?
Michela Cerruti: Leider ist es alles andere als einfach für mich, Sponsoren aufzutreiben. Sicher, ein Mädchen im Rennsport kann mehr Aufmerksamkeit erregen als seine männlichen Konkurrenten, aber ein Mädchen zu sein allein reicht nicht, um dir das Leben leicht zu machen. Du musst kämpfen wie jeder andere auch - bis du jemanden gefunden hast, der echtes Interesse an dir und deiner Karriere hat. Doch grundsätzlich sind die Leute sehr nett zu mir und neugierig, ob ein Mädchen wirklich wie ein Mann fahren kann. Und meist sind sie überrascht, wenn sie sehen, dass das in der Tat der Fall ist.

Wie sehen denn deine Zukunftspläne aus? Sehen wir dich auch 2013 im ATS Formel-3-Cup?
Michela Cerruti: Ich weiß aktuell noch nicht, was ich nächste Jahr tun werde. Aber es gibt absolut keinen Grund, der dagegen spräche, auch 2013 im ATS Formel-3-Cup an den Start zu gehen. Schließlich habe ich auch ein sehr gutes Team gefunden, das - so denke ich - ernsthaft an mir interessiert ist und mir dabei hilft, mich von Rennen zu Rennen zu verbessern. Ich wäre happy, wenn ich auch nächstes Jahr im ATS Formel-3-Cup antreten könnte und ich hoffe definitiv, dass es dazu kommen wird.