Es war eine Sensation, als Audi am 30. November des Jahres 2020 verkündete, mit einem neuen Werksteam ab 2022 an der Rallye Dakar teilzunehmen. Knowhow aus der Formel E und der DTM wurde eingesetzt, um das neue Ungetüm namens Audi RS Q e-tron aus der Taufe zu heben.

Elektroantrieb an beiden Achsen mit insgesamt 300 kW Leistung, ein Gewicht von zwei Tonnen verteilt über 4,5 Meter Länge, 2,3 Meter Breite und 1,95 Meter Höhe - so die beeindruckenden Daten des ersten "E-Autos" der Welt mit 295 Liter Tankvolumen und einem 2-Liter-Vierzylinder-Turbo. Denn Dakar-Etappen mit Gesamtlängen von teilweise über 800 Kilometer sind im Jahr 2022 freilich noch nicht mit einer Batterieladung im Renntempo zu bewältigen.

Audi selbst stapelte ob dieses einzigartigen Pilotprojekts schon vor Beginn der Rallye Dakar tief. Während der zwei Rennwochen überzeugten die Ingolstädter mit ihrem topbesetzten Fahrerlineup aber dermaßen, dass bei der diesmal noch siegreichen Konkurrenz bereits die Alarmglocken schrillen.

"Das mit Abstand schnellste Auto"

"Sie haben das mit Abstand schnellste Auto gebaut", zeigte sich Prodrive-Chef Dave Richards nach Ende der Rallye Dakar gegenüber "Autosport" beeindruckt. Aus seiner Motorsportschmiede stammt der mit bahrainischen Millionen und von u.a. Superstar Sebastien Loeb pilotierte BRX-Hunter, der 2022 den zweiten Platz in der Gesamtwertung errang.

"Wir müssen unbedingt eine Balance finden, damit es einen ausgeglichenen Wettbewerb gibt. Das ist keine einfache Aufgabe für FIA, aber sonst kommt Audi und bringt unseren Sport um. Man muss nun die Daten genau analysieren und alles wieder auf gleich bringen. Die Performance des Audi ist auf einem völlig anderen Niveau. Sie haben noch 200 Kilo Übergewicht und sind trotzdem schneller als unsere Autos", ärgerte sich Richards.

Glyn Hall, Teammanager des siegreichen Toyota-Rennstalls, pflichtet Richards bei: "Audi hat einen fantastischen Job erledigt. Sie haben trotz 200 Kilo zu viel viele Stages gewonnen. Zum Glück hat die Dakar das geregelt und alles wieder in Ordnung gebracht."

Start in die Dakar geht in die Hose

Damit spielt Hall auf die unzähligen Zwischenfälle an, die das Audi-Team bereits an den ersten Tagen der Rallye im Gesamtklassement aussichtslos zurückwarfen. Gebrochene Aufhängungen, Navigationsfehler und kleinere Wehwehchen des neuen Boliden setzten dem Starensemble aus Stephane Peterhansel, Carlos Sainz und Mattias Ekström zu.

Etappen-Ergebnisse der drei Audi-Fahrer

Etappe Peterhansel Sainz Ekström
1A (Prolog) 14. 2. 15.
Etappe 1B DNF 50. 40.
Etappe 2 4. 3. 9.
Etappe 3 3. Sieg 5.
Etappe 4 DNF 3. 31.
Etappe 5 63. 48. 22.
Etappe 6 42. 43. 2.
Etappe 7 4. 3. 8.
Etappe 8 2. 4. Sieg
Etappe 9 8. 6. 4.
Etappe 10 Sieg 2. 13.
Etappe 11 6. Sieg 3.
Etappe 12 2. 4. 26.
Gesamt DNF (59.) 12. 9.

Bereits nach der ersten vollen Etappe am 2. Januar galt das erste Fahrzeug (Peterhansel) als offiziell ausgeschieden, während die beiden anderen 1:44 Stunden (Ekström) bzw. 2:21 Stunden (Sainz) verloren hatten. Am Ende der ersten Woche hatten allerdings alle drei Fahrer auf mindestens einer Etappe einen Podestplatz erobert und Sainz am 4. Januar für den ersten Audi-Sieg in einem Tagesklassement gesorgt.

Vor allem die Performance in der zweiten Woche trieb der Konkurrenz aber die Schweißperlen im Hinblick auf die kommenden Auflagen ins Gesicht. Von den letzten sechs Etappen gewann Audi drei und holte fünf weitere Podestplätze. Alle drei Boliden der Ingolstädter waren in der zweiten Dakar-Woche schneller als der spätere Sieger Nasser Al-Attiyah im Toyota.

Starke zweite Dakar-Woche

Ekström nahm dem Katarer von Etappe 7 bis 12 insgesamt elf Sekunden ab, Stephane Peterhansel holte vier Minuten heraus und Carlos Sainz konnte Al-Attiyah in der zweiten Woche sogar um 17 Minuten distanzieren. Wäre Sebastien Loeb im Rahmen seiner Aufholjagd nicht um weitere 16 Minuten schneller als Sainz gewesen, hätte Audi die zweite Dakar-Hälfte sogar gewonnen.

Die Ingolstädter betitelten ihren ersten Auftritt nach dem Zieleinlauf in einer offiziellen Presseaussendung mit "Erfolgreicher Start in ein neues Zeitalter". "Vor allem in der zweiten Hälfte waren die Strecken typisch Dakar, nämlich sehr vielseitig und fordernd mit einer Mischung aus Offroad-Pisten, kleinen und großen Dünen und schwieriger Orientierung. Mit unseren Ingenieuren haben wir das Auto im Lauf der Rallye immer besser abgestimmt", lautete das Fazit von Sainz.

Im Gesamtklassement wahrte Mattias Ekström mit Platz 9 das Gesicht für Audi. Obwohl der Schwede erst zum zweiten Mal überhaupt der Rallye Dakar und zum ersten Mal in deren Königsklasse an den Start ging. Auch das sollte eine Warnung für die Konkurrenz sein.