Zwei Siege und sieben Podien: Die 2023 neu eingeführten MotoGP-Sprints entwickelten sich in der abgelaufenen Saison schnell zur Spezialdisziplin von Brad Binder. Ganze 37% seiner Gesamt-WM-Punkte sammelte der KTM-Pilot im neuen Rennformat, nur Jorge Martin (39%) und Marc Marquez (40%) waren dort noch stärker. In der reinen Sprinttabelle hätte Binder hinter Martin und Francesco Bagnaia sogar WM-Rang drei belegt, während ihm in der Gesamtwertung nur Platz vier blieb.

Die Diskrepanz zwischen Sprint und Grand-Prix-Rennen fiel 2023 beim Südafrikaner nämlich recht deutlich aus. Im Hauptrennen stehen nur fünf Podestplatzierungen zu Buche, auf einen Sieg wartet Binder seit seinem legendären Slick-Triumph im Regen von Österreich 2021. Unsere Sprint-Analyse aus dem Vorjahr zeigte, dass die KTM-Speerspitze ohne das neue Rennformat 2023 nicht über WM-Rang fünf hinausgekommen wäre. Also einen Platz und ganze 109 Punkte schlechter als im tatsächlichen Endergebnis der Vorsaison.

Brad Binder hatte 2023 im Sprint viel Grund zum Jubeln, Foto: LAT Images
Brad Binder hatte 2023 im Sprint viel Grund zum Jubeln, Foto: LAT Images

Brad Binder und KTM: Kampf gegen hohen Reifenverschleiß

"Ich habe mich in den Sprints ziemlich gut geschlagen, bin dann im Hauptrennen aber jedes Wochenende abgefallen", erkannte auch Binder selbst am Donnerstag in seiner Medienrunde vor dem MotoGP-Saisonstart in Katar an. Wie lassen sich diese Leistungsunterschiede erklären? Die Antwort ist simpel: Es ist der Reifenverschleiß. Während im Sprint über die verhältnismäßig kurze Renndistanz schonungslos attackiert werden kann, ist im Grand Prix deutlich mehr Vorsicht geboten. Die Michelin-Pneus müssen geschont und clever verwaltet werden, um in der Schlussphase noch so viel Gummi wie möglich zur Verfügung zu haben, ohne dabei zuvor zu viel Zeit auf die Konkurrenz verloren zu haben.

Den vorsichtigen Umgang mit seinen Reifen hatte Binder bereits Ende 2023 als eine seiner großen Schwachstellen herausgearbeitet. Um in dieser Diziplin 2024 konkurrenzfähiger zu werden, hat er über den Winter deshalb nun zu radikalen Maßnahmen gegriffen. "Ich gehe deutlich leichter in die Saison als letztes Jahr. Das ist großartig und bringt mir hoffentlich etwas Rundenzeit", verrät der KTM-Pilot, der in den vergangenen Monaten mehrere Kilogramm Körpergewicht abgespeckt hat. Mit 63 Kilogramm zählt der Südafrikaner nun zu den leichtesten Piloten der Königsklasse, laut 'MotoGP.com' wiegen einzig Pedro Acosta (62 kg) und Marco Bezzecchi (61 kg) noch weniger.

Brad Binder zählt nun zu den leichtesten MotoGP-Piloten im Grid, Foto: LAT Images
Brad Binder zählt nun zu den leichtesten MotoGP-Piloten im Grid, Foto: LAT Images

Brad Binder: 5 Prozent mehr Reifenleben kann 'Gamechanger' sein

Welche Hoffnungen mit diesem Gewichtsverlust einhergehen, liegen auf der Hand. "Für mich ist es eindeutig, dass das Gewicht einen großen Unterschied im Umgang mit den Reifen ausmacht. Dani [Pedrosa, Anm.] ist wahrscheinlich 15 Kilogramm leichter als ich. Wenn du seinen Reifenverschleiß mit meinem vergleichst, liegen Welten dazwischen", erklärt Binder. "Wenn du leichter bist, hilft das also. Ich sollte daraus überall einen kleinen Vorteil ziehen können. Speziell im Rennen könnte das aber ein 'Gamechanger' sein, wenn ich am Ende fünf Prozent mehr Reifenleben übrighabe."

Sollten sich Binders Erwartungen bewahrheiten, könnte das in den kommenden neuneinhalb Monaten tatsächlich einen großen Unterschied ausmachen. 2023 verpasste der KTM-Pilot den Sieg im Hauptrennen gleich sechsmal nur um 2,3 Sekunden oder weniger, viermal davon sogar um weniger als 0,8 Sekunden. Das ist Abstände, die mit einer kleinen Leistungssteigerung in der Schlussphase durchaus noch aufzuholen gewesen wären. Binder zeigt sich daher optimistisch, 2024 endlich auch im Grand Prix mal wieder ganz oben auf dem Podest stehen zu können: "Ich weiß von all den Zahlen und Fitnesstests, dass ich in besserer Verfassung denn je bin. Ich fühle mich großartig und bin bereit für alles, was die MotoGP in diesem Jahr für mich zu bieten hat."