Mehr als fünf Sekunden Abstand zwischen dem Sieger und Platz zwei, mehr als 2,5 Sekunden zwischen P2 und P3, weitere 2,5 Sekunden zwischen den Rängen drei und vier. Ein derart zähes Ende zu einem MotoGP-Rennen wie am Sonntag in Spielberg gibt es in der Königsklasse auf zwei Rädern nur selten. Motorsport-Magazin.com begab sich am Red Bull Ring auf Ursachenforschung, wieso der Österreich-Grand-Prix zu einem derartigen Langweiler wurde.

Der Reifendruck

In Spielberg ist das eingetreten, wovor die MotoGP-Piloten lange gewarnt hatten. Durch die Einführung der neuen Reifendruckregel, die für eine Unterschreitung der Mindestdrücke Strafen vorsieht, sind ein dichtes Verfolgen anderer Fahrer und somit Überholmanöver extrem schwierig geworden. Denn die Michelin-Vorderreifen sind extrem temperaturempfindlich. Fehlt es an kühler Luft an der Front, überhitzen sie schnell, der Druck steigt und die Motorräder werden beinahe unfahrbar. In der Vergangenheit unterschritten deshalb viele Fahrer regelmäßig die ausgegebenen Limits, um im Rennen einen ausreichenden Puffer zu haben.

Das ist nun nicht mehr möglich, dementsprechend steigen die Reifendrücke in schwindelerregende Höhen und das Racing leidet. "Nach rund zehn Runden wurde der Vorderreifen extrem heiß", erklärt Brad Binder, der in der Startphase am Heck von Francesco Bagnaia hing, schließlich aber abreißen lassen musste. "Ich hätte zwei oder drei Mal fast das Vorderrad verloren. Ich musste Tempo rausnehmen, sonst hätte das übel geendet."

Ganz ähnliche Beschwerden äußerten viele Fahrer. Selbst Rennsieger Francesco Bagnaia, der in Spielberg sowohl den Sprint als auch den Grand Prix vom Start weg angeführt hatte, gestand ein, dass die Situation für nachfahrende Piloten extrem schwierig ist: "Die Reifendruckthematik macht die Rennen weniger intensiv. Wenn du vorne bist, ist es okay, aber im Pulk wird es nach drei, vier Runden wirklich schwierig. Du musst dich zurückfallen lassen und kannst erst später wieder attackieren." Jorge Martin, der sich von Startplatz zwölf durch das Feld kämpfen musste, befürchtet weitere Prozessionen in Zukunft. "Normalerweise komme ich vielleicht nach neun Runden in den eigentlich vorgegebenen Bereich. Heute hat mein Vorderreifen zu diesem Zeitpunkt schon massiv überhitzt. So kann man anderen Fahrern nicht folgen. Wir müssen eine bessere Lösung, denn sonst werden wir weitere langweilige Rennen sehen", ist der Pramac-Pilot überzeugt.

Jorge Martin musste in Spielberg zwei Aufholjagden zeigen, Foto: LAT Images
Jorge Martin musste in Spielberg zwei Aufholjagden zeigen, Foto: LAT Images

Das Layout

Trotz seiner Streckenführung, mit vielen harten Bremspunkten und anschließenden langen Geraden, die eigentlich für große Abstände sorgen sollte, lieferte der Red Bull Ring jahrelang extrem spannende Rennen, die in Showdowns in der letzten Kurve gipfelten. 2023 zeigte der Kurs in Spielberg aber die Art von Racing, die derartigen Strecken eigentlich zugeschrieben wird.

"Das Layout ist schuld daran", sagt Aleix Espargaro. "Das ist einfach keine normale Strecke. Auf Stop-and-Go-Strecken sieht man selten gutes Racing und hier ist es ein ständiges Bremsen und Beschleunigen. Da wird sowas immer passieren." Zustimmung bekam er von Jorge Martin, der die Einführung der Schikane als zusätzliches Problem sieht. Diese soll ja schwere Unfälle wie den von Johann Zarco und Franco Morbidelli im Jahr 2020 verhindern, schadet dem Racing aber: "Du hast dort einen anderen Asphalt mit sehr wenig Grip. Da passieren leicht Fehler. Außerdem ist es ein weiterer Bremspunkt, der die Reifen überhitzt. Diese Schikane ist zwar sicherer, hilft uns in puncto Racing aber sicher nicht."

Die Regie

An der Spitze war am Sonntag also kaum Action geboten. Im Mittelfeld ging es hingegen durchaus turbulent zu. Franco Morbidelli, als Elfter Teil dieser Kämpfe, nahm nach dem Rennen auch die internationale Bildregie in die Pflicht: "Es gibt auch im Mittelfeld gute Kämpfe und starke Fahrer zu sehen. Da hast du mit Marc Marquez einen achtfachen Weltmeister, auch Fabio Quartararo ist Weltmeister. Das sind großartige Fahrer die sich da den Arsch abkämpfen. Solche Fights im Mittelfeld werden in der Formel 1 immer gezeigt. Vielleicht sollte man diese Dinge mehr ins Rampenlicht rücken."