Als Aprilia und das Gresini Racing Team mit Ende des Jahres 2021 getrennte Wege gingen und fortan als eigenständige Teams in der MotoGP antraten, wurde Fabio Di Giannantonio zum großen Profiteur. Der Moto3-Vizeweltmeister von 2018 fuhr seinerzeit im Moto2-Rennstall von Gresini und besaß einen Vorvertrag mit dem italienischen Rennstall für einen Aufstieg in die Königsklasse. Zuvor hatte er mit einem Sieg und sieben Podestplätzen in drei Moto2-Jahren eigentlich nicht zwangsläufig auf sich aufmerksam machen können.

Dementsprechend gering waren die Erwartungen an Di Giannantonio, als er 2022 mit Gresini Racing in der MotoGP debütierte. Und tatsächlich tat sich der 24-jährige Römer von Beginn an schwer. Es dauerte bis zum siebten Rennwochenende, ehe er in Le Mans erstmals Punkte anschrieb. Auf dem Papier beendete er das MotoGP-Jahr 2022 letztlich zwar als zweitbester von insgesamt fünf Rookies. Das sollte allerdings nicht über eine insgesamt enttäuschende Saison hinwegtäuschen.

Im direkten Duell mit VR46-Ducati-Markenkollege Marco Bezzecchi zog Di Giannantonio mit 111 zu 24 WM-Punkten nämlich klar den Kürzeren. Die restlichen Rookies Raul Fernandez (14 Zähler), Remy Gardner (13) und Darryn Binder (12) schlug er nur knapp, obwohl diese deutlich weniger konkurrenzfähige Motorräder zur Verfügung hatten. Mit der überraschenden Pole Position in wechselhaften Bedingungen gelang Di Giannantonio in Mugello zwar ein Highlight, speziell in der zweiten Saisonhälfte blieb der nächste Schritt nach einem weiteren starken Wochenende in Deutschland (Platz 8) aber aus.

Di Giannantonio: Erhoffter Fortschritt blieb 2023 aus

Zudem hatte Teamkollege Enea Bastianini gezeigt, was trotz Vorjahres-Ducati im Gresini-Team möglich ist. Der nur ein Jahr ältere Landsmann aus Rimini gewann 2022 vier Rennen und wurde in seiner zweiten MotoGP-Saison WM-Dritter. 2023 stand Di Giannantonio mit Blick auf seinen auslaufenden Vertrag deshalb unter Druck. Zur neuen Saison musste eine Leistungssteigerung her, will er auch 2024 noch in der Königsklasse an den Start gehen.

Die Pole Position in Mugello 2022 ist Fabio Di Giannantonios größter Erfolg, Foto: LAT Images
Die Pole Position in Mugello 2022 ist Fabio Di Giannantonios größter Erfolg, Foto: LAT Images

Nach acht Rennwochenenden im Jahr 2023 ist festzuhalten: Dieser Schritt blieb bislang aus. Di Giannantonio ist in dieser Saison klar schlechtester der acht Ducati-Piloten und schaffte es noch nicht einmal in Q2, während seine Markenkollegen regelmäßig aus den ersten drei Startreihen losfahren. Der Gresini-Pilot sammelte erst 34 Punkte und wird damit nur von Bastianini unterboten, der allerdings auch vier Wochenenden verletzt verpasste. Neu-Teamkollege Alex Marquez erzielte bereits 63 Punkte, eine Pole Position und ein Podest, während die Di Giannantonio nie über Platz acht hinauskam.

Ein Fortschritt ist bei Di Giannantonio nur in Sachen Konstanz zu erkennen. Stürzte er in seiner Rookie-Saison noch recht häufig, konnte er dies zumindest in diesem Jahr in den entscheidenden Momenten abstellen. An den ersten sieben Wochenenden crashte der Gresini-Pilot nur im Portugal Grand Prix. Bei der Dutch TT klappte jedoch auch das nicht mehr: Sturz im Sprint und auch im Hauptrennen. Mit Beginn der Sommerpause muss deshalb die Frage gestellt werden: Endet Di Giannantonios MotoGP-Karriere im Kiesbett von Assen?

Tony Arbolino bei Gresini Ducati in der Pole Position

Die Sommerpause ist schließlich die Phase, in der normalerweise viele Zukunftsentscheidungen getroffen werden. Dass Ducati gerne Tony Arbolino unter Vertrag nehmen und in die MotoGP befördern würde, ist ein offenes Geheimnis. Der Italiener überzeugte in diesem Jahr bislang mit zwei Saisonsiegen und ist derzeit WM-Führender vor KTM-Supertalent Pedro Acosta. Da Gresini auch 2024 Ducati-Kundenteam bleiben wird und alle anderen Piloten der Roten zu überzeugen wussten, scheint nur der Platz von Di Giannantonio in Frage zu kommen.

Tony Arbolino weiß 2023 in der Moto2 zu gefallen, Foto: LAT Images
Tony Arbolino weiß 2023 in der Moto2 zu gefallen, Foto: LAT Images

"Ich bin nicht besorgt, was meine Zukunft angeht", sagte der Römer am Sachsenring. Dort zeigte er sich noch optimistisch, auch im kommenden Jahr noch in der Königsklasse zu fahren. Einen "Plan B" habe er ohnehin nicht. Ein Wechsel in die Superbike-WM, wovon zwischenzeitlich zu hören war, ist für ihn (noch) keine Option. "Ich denke, dass ich das Niveau der anderen Ducati-Piloten erreichen kann. Ich muss nur an mir arbeiten", glaubt 'Diggia' und weiß: "Wenn wir gute Arbeit leisten, dann ergibt sich der Rest von allein."

Einziges Problem: Genau das gelang in Assen bei der Dutch TT eben so gar nicht. Und so gehen Di Giannantonio allmählich die Argumente für einen Verbleib in der Königsklasse aus. Ob er 2024 noch in der MotoGP am Start stehen wird? Die kommenden Wochen werden es zeigen.