Stefan Bradl war nach seinem Trainingsfreitag Assen als Ersatz des verletzten Alex Rins bei LCR-Honda nach Platz 21 'not amused'. Obwohl der Honda-Testfahrer die sportliche Realität der einstigen MotoGP-Großmacht kennt, war das Trainingserlebnis eine harte Nummer für ihn. "Die Session ist gerade erstmal eine halbe Stunde vorbei und bis zur Medien-Runde reicht die Zeit ehrlich gesagt nicht, um mich zu beruhigen. Also muss ich aufpassen [was ich sage, Anm. d. Red.]", versuchte Bradl, sich im Zaum zu halten.

"Am Ende erwartet man natürlich mehr, man erhofft mehr, man will mehr. Aber die Realität ist schwer so zu nehmen, wie sie ist. Nach ein, zwei Stunden geht es dann wieder, aber in dem Moment ist es schwierig das Ganze in Worte zu fassen", gab der ehemalige Moto2-Weltmeister Einblick in seinen Gemütszustand. Auf Nachfrage von Motorsport-Magazin.com stellte der Bayer klar, dass der Rennfahrerehrgeiz trotz Testfahrer-Rolle immer noch in ihm ist: "Ich bin nicht glücklich mit Platz 21. Das wurmt mich ein bisschen. Ich will mehr und fahrerisch geht auch mehr, das merke ich. Aber wir stehen an. Und das zu akzeptieren ist auf Dauer nicht so leicht. Es muss jetzt irgendwann einmal besser werden."

Die Honda vermittelt kein Vertrauen: Pushen bedeutet Stürze

Selbst Superstar Marc Marquez kann aus der Honda RC213V keine Spitzenzeiten mehr pressen und wenn er es doch versucht, dann stürzt er wie auch am Freitag in den Niederlanden gesehen. Bradl will dieses Risiko, wie am Donnerstag angekündigt, kaum eingehen: "Wir versuchen weiter unser Möglichstes, um näher an die Spitze heranzukommen, aber ernüchternderweise ist es das Problem, dass das dann immer mit viel Risiko verbunden ist. Irgendwann kommst du an einen Punkt, wo du dich fragst: Soll ich das Risiko eingehen für zwei Zehntel? Weil es trotzdem nicht reicht."

Nicht nur die Honda ist schwach, sondern auch ihr Fahrer. Das eine bedingt aber das andere: "Mein Fahren ist auf keinem guten Level, weil du einfach kein Vertrauen [in die Honda, Anm. d. Red.] hast." Dazu kommt auch noch, dass er bei LCR altes Material fährt und nicht seine Testkonfiguration: "Ich fahre kein Kalex-Chassis, sondern die beiden von Alex [Rins, Anm. d. Red.]." Der 33-Jährige hätte lieber das Bauteil aus seiner Heimat: "Ich würde das Kalex-Chassis wählen, weil es etwas besser mit unserem Schwungarm zusammenpasst. Es steht mir aber nicht zur Verfügung." Und dennoch wäre selbst dann nicht viel zu erwarten: "Es ist nicht meine präferierte Bike-Konfiguration, aber ehrlicherweise würde auch meine bevorzugte Wahl keinen großen Unterschied machen."

Bradl und Marc Marquez fahren nicht das gleiche Material, Foto: LAT Images
Bradl und Marc Marquez fahren nicht das gleiche Material, Foto: LAT Images

Honda-Krise schon vor Jahren begonnen, Trendwende nicht in Sicht

Platz 21 für Bradl, Marc Marquez weit von Q2 entfernt. Wie konnte Honda dermaßen abrutschen? Auch das fragten wir den Testfahrer. Eine genaue Antwort konnte er auch nicht geben: "Ich glaube das war ein Prozess der 2019 oder 2020 losgegangen ist. Vielleicht auch schon früher, keine Ahnung. Wir sind nicht gravierend falsch abgebogen, sondern haben nur einen leichten Schlenker gemacht. Aber wir haben nie mehr den Weg zurückgefunden." Die Entwicklung der aktuellen Dominatoren kann er aber auch nicht wirklich nachvollziehen: "Ducati hat auch erst letztes Jahr den Titel geholt und 15 Jahre davor nichts. Das ist schon auch komisch, manchmal verstehe ich das auch nicht."

Kann Honda auch so eine Trendwende wie bei Ducati gelingen? Bradl weiß im Moment noch nicht einmal, was bei den nächsten Testfahrten passieren soll. "Ich habe keine Informationen über den Misano-Test, ich kann die Fragen dazu nicht beantworten" verwies Bradl an andere Stellen. Ihm selbst bleibt angesichts der aktuellen Misere nur, weiter auf die Zähne zu beißen: "Es ist schwer zu akzeptieren, aber wir müssen es akzeptieren. Wir haben keine andere Option." Der Sprint und das Rennen werden wohl noch schwieriger zu akzeptieren sein als Trainings.