Die Dutch TT des Jahres 2017 in Assen war ein Rennen, das den MotoGP-Fans noch einige Zeit lang in Erinnerung bleiben wird. Der Lauf in den Niederlanden hatte einfach alles: Forsche Underdogs (Johann Zarco und Danilo Petrucci), die die Stars (Valentino Rossi und Marc Marquez) an der Spitze in sehenswerte Zweikämpfe verstrickten, einen WM-Leader, der das Rennen und damit die Gesamtführung wegwarf, das Sieg-Comeback des Doktors im Zielsprint, überraschende Wendungen, und on top noch das unberechenbare Wetter.

Wir von Motorsport-Magazin.com haben die Faktenlage mal sortiert und das Rennen in seine wichtigsten Einzelteile seziert. In unserer Rennanalyse erklären wir diesmal anhand der wichtigsten Schlüsselereignisse, warum sich am Ende Valentino Rossi und Danilo Petrucci um den Sieg duellierten und wie es zum Ausgang des Zweikampfs kam, und warum Johann Zarco, der das Rennen lange anführte, am Ende keine Rolle mehr spielte.

Schlüsselmoment 1 in Assen: Rossi presst sich an Zarco vorbei

Schon nach drei von 26 Rennrunden hat sich an der Spitze eine Vierergruppe formiert, bestehend aus Johann Zarco, Marc Marquez, Valentino Rossi und Danilo Petrucci. Zu diesem Zeitpunkt fehlte Alvaro Bautista als Fünftem schon über eine Sekunde auf seinen Vordermann Petrucci. Das Polster der Spitzengruppe sollte bis in Runde 12 auf etwas mehr als vier Sekunden heranwachsen.

Dies war exakt jene Phase, in der Valentino Rossi schließlich seinen Angriff lancierte. Der Doktor schnappte sich in Runde 11 Marquez und in Runde 12 Zarco und übernahm damit die Führung. Dabei kam es zu einer folgenschweren Szene: Zarco versuchte in Kurve 4 innen nochmal einen Konter gegen Rossi, der jedoch seine Linie gnadenlos durchzog und Zarco keine Chance ließ. Beide Yamaha-Fahrer berührten sich dabei, Rossi blieb jedoch vorn, während Zarco noch einen Platz an Marquez verlor.

Rossi war darüber not amused: "Er ist kein schlechter Kerl, aber er kann einfach nicht den Abstand zwischen zwei Bikes einschätzen. Heute hat wieder, wie schon in Austin, ein unmögliches Manöver versucht. Wenn man jemanden überholt, dann muss man auch miteinbeziehen, dass sich derjenige nicht in Luft auflösen kann." In Runde 13 gab Zarco schließlich auch P3 an Petrucci ab. Der Franzose hatte durch diese Angriffe etwas den Anschluss verloren, wie auch das obenstehende Diagramm zeigt.

Schlüsselmoment 2 in Assen: Der Regen setzt ein

Im letzten Renndrittel setzte Regen ein, was die Rennleitung acht Runden vor Schluss dazu bewog, die Regenflaggen rauszuholen. Damit signalisierte man den Fahrern, dass sie das Bike an der Box wechseln dürfen. Die Spitzengruppe hatte sich inzwischen etwas verändert, denn nun war Andrea Dovizioso mit im Spiel. Der Ducati-Pilot machte vorher in Siebenmeilen-Schritten den Rückstand auf die Spitzengruppe wieder wett. Den Grundstein dafür legte Dovizioso noch in den Kämpfen der zweiten Gruppe.

"Hinter Maverick habe ich versucht, etwas zu finden in dem ich mich verbessern könnte. Die eine Runde vor seinem Sturz hat mir dabei gereicht. Danach war ich der schnellste Fahrer auf der Strecke", so Dovizioso. Diesen Eindruck verdeutlicht auch die nachstehende Tabelle. In den Umläufen 14 und 16 etwa war Dovizioso der einzige Pilot in den Top-5, der 34er-Zeiten gehen konnte. Einmal den Anschluss an das Top-Quartett hergestellt, machte Dovizioso auf inzwischen leicht feuchter Strecke auch gleich kurzen Prozess: Binnen weniger Kurven schnupfte er erst Zarco, dann auch Marquez auf und lag damit auf der dritten Position.

RundeP4AbstandZeit DoviziosoBeste Zeit Top-4
12Petrucci4.145 sec1:35.6581:35.474 (Marquez)
13Zarco3.657 sec1:35.1701:35.140 (Rossi)
14Zarco3.233 sec1:34.7731:35.057 (Petrucci)
15Zarco3.189 sec1:34.9521:34.996 (Zarco)
16Zarco2.390 sec1:34.7741:35.128 (Rossi)
17Zarco1.789 sec1:35.1351:35.221 (Rossi)
18Zarco0.357 sec1:35.1991:36.092 (Petrucci)

Eine Vorentscheidung führte unterdessen Zarco herbei: Der Franzose kam zum Bike-Wechsel herein. Vergebens, wie sich herausstellen sollte. Es regnete bei noch sieben Runden auf der Uhr nicht stark genug, um davon zu profitieren. Letztlich blieb Zarco nur der enttäuschende 14. Platz. "Als es zu regnen begann, hatte ich auf den Slicks wirklich Angst. Wir waren im Trockenen schon am Limit, also kann man sich ja vorstellen, wie es im Nassen war. Ich hätte stürzen können. Dieses Risiko wollte ich nicht eingehen und beschloss, an die Box zu kommen", erklärte Zarco hinterher.

Schlüsselmoment 3 in Assen: Sieg-Duell kristallisiert sich heraus

Ohne Zarco wurde aus dem Quintett an der Spitze wieder ein Quartett. Vier Runden vor Schluss sollte hier die nächste Vorentscheidung folgen: Rossi und Petrucci konnten sich entscheidend von Marquez und Dovizioso absetzen. Auf immer feuchter werdender Strecke konnten Rossi und Petrucci ihre Pace im Bereich von 1:38 Minuten halten, während Marquez und Dovizioso in die 1:40er abrutschten.

Damit wuchs der Abstand zwischen Platz zwei und drei innerhalb von einer Runde von 0,4 auf 2,1 Sekunden an. Ein Faktor, der in dieser Situation sowohl bei Marquez als auch bei Dovizioso eine Hauptrolle gespielt hatte, war die Situation in der WM. Beide durften sich keinen Ausrutscher leisten. "Als der leichte Regen aufkam, habe ich begonnen, über die WM nachzudenken. Das ist eines dieser Rennen, die sehr gefährlich sind", bekannte Marquez.

Dovizioso sah es ähnlich: "In der Schlussphase habe ich schon an die Weltmeisterschaft gedacht. Es war unmöglich einzuschätzen, wie nass es in den unterschiedlichen Kurven ist. Das Risiko eines Sturzes war daher einfach zu hoch." Am Ende holte Cal Crutchlow noch Marquez und Dovizioso ein. Den Dreikampf um Platz drei entschied letztlich der amtierende Weltmeister Marquez im Zielsprint für sich.

Schlüsselmoment 4 in Assen: Die Last-Lap-Überrundungen

Neben Zarco hatten sich noch einige weitere Fahrer in der Schlussphase zu einem Bike-Wechsel entschieden, namentlich Hector Barbera, Alex Rins und Jorge Lorenzo. Das letztgenannte Trio sollte im Kampf um den Sieg zwischen Rossi und Petrucci noch unfreiwillig eine große Rolle spielen. Denn auf den letzten gut fünf Kilometern des Rennens galt es für die Spitze, Barbera, Rins und Lorenzo zu überrunden. Zunächst liefen Rossi und Petrucci in der vorletzten Runde in der Schikane vor Start-Ziel auf Barbera auf, der beiden Platz machte. Petrucci verlor hier jedoch drei Zehntel, da er die Schikane enger als gewohnt anfahren musste.

Mit viel Überschuss am Eingang verlor Petrucci beim Herausbeschleunigen etwas den Anschluss zu Rossi. Geschlagen gab sich der Pramac-Pilot aber noch lange nicht. Auch nicht, als er sich im zweiten Sektor der letzten Runde kompromisslos an Rins vorbei boxte. Der Suzuki-Pilot hatte ihn nicht bemerkt und auch die Blauen Flaggen nicht gesehen. Der Sektorenvergleich zeigt: Im Vergleich zur Runde davor hatte Petrucci das Manöver zwei Zehntel gekostet. Doch Petrucci robbte sich mit einem fabelhaften Schlusssektor nochmal heran an Rossi.

Rundei1 (Ros / Pet)i2 (Ros / Pet)i3 (Ros / Pet)i4 (Ros / Pet)
2531.885 / 32.15314.523 / 14.39628.324 / 28.31622.446 / 22.717
2631.721 / 31.78714.581 / 14.58928.249 / 28.24222.391 / 21.946

Viereinhalb Zehntel machte Petrucci dort nochmal gut, beim Herausbeschleunigen aus der Schikane sah er seine Chance gekommen. Doch der Zielsprint war zu kurz, und so konnte Rossi seinen Landsmann in Schach halten. Der ärgerte sich hinterher über den Verkehr: "Es gab keine Blauen Flaggen für Rins und Barbera. Wenn das nicht gewesen wäre, hätte ich gewinnen können!" Ob dem wirklich so gewesen wäre, darüber lässt sich freilich diskutieren. Fakt ist: Ohne Überrundungen wäre Petrucci sicherlich nahe genug dran gewesen, um beim Anbremsen der letzten Schikane eine Attacke zu reiten.