Wie sieht das generelle Kräfteverhältnis aus?

Der Weg zum MotoGP-Weltmeistertitel 2015 führt über Marc Marquez und sein Repsol-Honda-Team. So viel ist nach sechs vor neun Testtagen vor Saisonbeginn in diesem Jahr klar. Der Weltmeister, der schon Sepang I mit Fabelzeiten abschloss, war auch bei der Rückkehr nach Malaysia klar schnellster Mann auf der Strecke. Seine beste Runde war um mehr als drei Zehntel schneller als die seines ersten Verfolgers Jorge Lorenzo, auch in den Longruns wusste Marquez zu überzeugen.

Lorenzo machte ebenfalls einen überaus starken Eindruck und legte wie gewohnt beeindruckenden Konstanz an den Tag. Die Überraschung der drei Tage war ganz klar Cal Crutchlow, der nach dem Horrorjahr bei Ducati und bisher durchwachsenen Tests mit der Factory-Honda im Team von LCR nun wieder zu seiner Bestform gefunden zu haben scheint. Er belegte Rang drei, noch vor Andrea Iannone, der mit der neuen Ducati GP15 von Beginn an hervorragend zurechtkam. Aufholbedarf gibt es noch für Valentino Rossi und Dani Pedrosa, die jeweils mehr als sieben Zehntel auf Marquez liegen ließen.

Rossi verlor nach Bestzeit an Tag eins an Boden, Foto: Yamaha
Rossi verlor nach Bestzeit an Tag eins an Boden, Foto: Yamaha

Wie verlief das Debüt der Ducati GP15?

Grundsätzlich sehr positiv! Mit dem von Gigi Dall'Igna von Grund auf neu entwickeltem Prototypen scheint man das für Ducati jahrelang typische Untersteuern endlich in den Griff bekommen zu haben. Beide Piloten bestätigten nach dem ersten Outing der GP15 am Montag, dass das neue Motorrad ein deutlicher Fortschritt sei. Andrea Dovizioso, der bereits seine dritte Saison im Werksteam bestreitet, war vom guten Einlenkverhalten nahezu geschockt: "In den ersten zwei Kurven bin ich an der Innenseite auf den Kerb gefahren, obwohl ich das gar nicht wollte."

Das größte Problem der Ducatisti in den letzten Jahren konnte man also beseitigen, doch ist die GP15 nach drei Testtagen noch lange nicht auf dem Niveau der Konkurrenz, die mit ihren neuen Maschinen teilweise schon bis zu neun volle Tage abspulen konnte. Das Bike hat daher auch noch deutliche Schwäche, etwa im finalen Abschnitt des Bremsvorgangs vor einer Kurve. Vor allem Dovizioso leidet in diesem Bereich. Insgesamt tat sich der Routinier mit der GP15 etwas schwerer als sein Neo-Teamkollege Andrea Iannone. Dieser landete nach drei Tagen mit gut sechs Zehnteln Rückstand auf Spitzenreiter Marc Marquez auf dem vierten Platz der kombinierten Zeitenliste, während Dovizioso als Neunter über 1,1 Sekunden verlor.

Dovizioso ist mit der Bremsperformance der GP15 noch nicht glücklich, Foto: Ducati
Dovizioso ist mit der Bremsperformance der GP15 noch nicht glücklich, Foto: Ducati

Aufgrund des noch bescheidenen Entwicklungsstandes der GP15 hat man sich bei Ducati noch nicht entschieden, ob die neue Maschine bereits beim Saisonauftakt Ende März in Katar ihr Renndebüt feiern oder man noch mit der GP14.3, der letzten Entwicklungsstufe des Vorjahresmodells, an den Start gehen wird. Die endgültige Wahl wird nach den Testfahrten am Losail International Circuit getroffen. "Es ist nicht meine Entscheidung, sondern die der Fahrer", überlässt Technikguru Dall'Igna die Auswahl des Arbeitsgeräts seinen Piloten.

Wie schnitt Stefan Bradl in Sepang II ab?

War der Deutsche beim ersten Test in Sepang noch schnellster Open-Pilot und an zwei der drei Tage in den Top-10 zu finden, fiel er beim zweiten Test deutlich zurück. Nur in einer Tageswertung schaffte er es in die Top-15, in der Open-Klasse lag er an allen drei Tagen deutlich hinter Hector Barbera und dessen Ducati. "Ich kann nicht behaupten, dass ich mit diesen Tests in irgendeiner Weise glücklich wäre", sagte ein enttäuschter Bradl, der zu allem Überdruss auch noch einen Sturz verbuchen musste.

Bradl konnte seine Dominanz von Sepang I nicht wiederholen, Foto: Forward Racing
Bradl konnte seine Dominanz von Sepang I nicht wiederholen, Foto: Forward Racing

Bradls Problem: die enorme Hitze. Diese sorgte für Asphalttemperaturen von bis zu 60 Grad, womit die Yamaha in Open-Spezifikation überhaupt nicht zurechtkam. Bradl beschwerte sich permanent über mangelnden Grip auf der glühend heißen Strecke. Zwei positive Aspekte gab es aber dennoch. Mit seinen Longrun-Zeiten war Bradl zufrieden und seinen Rookie-Teamkollegen Loris Baz hatte er zu jedem Zeitpunkt klar im Griff.

Welche Erkenntnisse brachte der Michelin-Test?

Am Donnerstag durften die Einsatzpiloten zum ersten Mal in dieser Saison die Michelin-Reifen ausführen. Nicht alle Piloten nahmen dieses Angebot in Anspruch, denn Maverick Vinales, Scott Redding, aber auch Stefan Bradl verzichteten auf diesen Test. Ein Großteil der Fahrer startete, durfte nach dem Test aber keine Stellungnahme bezüglich der Reifen abgeben. Da auch keine offiziellen Zeiten genommen wurden, muss man sich auf die Aussagen der Michelin-Mitarbeiter in Sepang verlassen.

Der französische Hersteller gestand ein, dass zwischen dem Griplevel des Hinterreifens und jenem des Vorderreifens eine Diskrepanz bestehe. Während die Heckpartie auf Michelin schon ganz gut funktioniert, sollen viele Fahrer mit der Front weniger glücklich sein. Im Zuge des Testtages kam es auch zu vier Unfällen. Aleix Espargaro, Jack Miller, Andrea Dovizioso und Jorge Lorenzo flogen in schnellen Passagen ab. Lorenzo angeblich sogar mit 240 km/h - ein Crash bei dem er seine Yamaha M1 völlig schrottete. Der Pilot selbst blieb, wie alle anderen Gestürzten, zum Glück unverletzt.

Was war die große Neuerung an der Yamaha M1?

Jorge Lorenzo und Valentino Rossi forderten es schon lange, nun hatten die Yamaha-Ingenieure seine Entwicklung endlich abgeschlossen. Die Rede ist vom vollkommen stufenlosen Getriebe, wie man es bei Hauptkonkurrent Honda schon seit langem im Einsatz hat. Bisher konnte bei der M1 zwar ohne Unterbrechung der Leistungsübertragung hochgeschalten werden, das Herunterschalten verlief aber nach wie vor konventionell. Das machte die Yamahas in der Anfahrt im zu Kurven im Vergleich mit den Hondas deutlich unruhiger.

Foto: Yamaha
Foto: Yamaha

In Sepang II konnten Rossi und Lorenzo das neue System nun erstmals nutzen und waren überzeugt, Honda damit ein Stück näher zu rücken. "Es ist kein riesiger Unterschied, aber es hilft, das Motorrad am Kurveneingang stabiler zu halten", freute sich Rossi. "Man kann noch immer ein bisschen sliden, aber das Bike ist nicht mehr so unruhig." Das Fahrerduo war sich aber einig, dass das neue Getriebe noch einige Abstimmungsarbeit benötigt, um sein volles Potenzial entfalten zu können.

Welche Fortschritte waren bei Suzuki und Aprilia zu verzeichnen?

Suzuki machte bei Sepang II noch einmal einen ordentlichen Entwicklungsschub. War der Motor der GSX-RR bei den ersten Testfahrten des Jahres in Sepang zwar schon zuverlässig, aber noch relativ leistungsschwach, konnte man dieses Mal die Power bereits deutlich nach oben schrauben, ohne dabei von einem Defekt ereilt zu werden. Nachdem man die Baustelle Motor nun also größtenteils abgehakt hatte, konnten sich Aleix Espargaro und Maverick Vinales auch einmal um die Elektronik der neuen Suzuki kümmern. Das Duo arbeitete vor allem an der Traktionskontrolle und konnte so weitere Fortschritte erzielen. Am Ende der drei Tage lag Espargaro 1,1 und Vinales 1,4 Sekunden hinter Spitzenreiter Marquez. Das ist in beiden Fällen rund eine halbe Sekunde weniger als bei Sepang I.

Maverick Vinales' Lernkurve zeigt weiterhin steil nach oben, Foto: Suzuki
Maverick Vinales' Lernkurve zeigt weiterhin steil nach oben, Foto: Suzuki

Zeit gut auf die Spitze machten auch die Aprilia-Piloten Alvaro Bautista und Marco Melandri, was bei Rückständen von gut drei bei Bautista und fast fünf im Fall von Melandri beim ersten Sepang-Test aber auch zu erwarten war. Davon abgesehen, gab es bei Aprilia aber erneut wenig Grund zur Freude. Melandri scheint langsam die Hoffnung aufzugeben, mit der RS-GP und den Bridgestone-Reifen noch das richtige Gefühl zu finden. "Mir fehlen die Worte. Ich kann so einfach nicht fahren", erklärte er nach Tag zwei. Wenig besser lief es für Bautista, der zwar mehrere Rahmen testete, jedoch mit keinem wirklich glücklich wurde und sich nach wie vor auf der vom RSV4-Superbike abgeleiteten Maschine am wohlsten fühlt.