Saisonprognose Testweltmeister - Toro Rosso war die große Überraschung des letzten Jahres (2008), doch Sebastian Vettel und Gerhard Berger sind von Bord gegangen. Was ist das Team ohne sie wert? (...) Wenn bei den Wintertests ein Toro Rosso auf der Strecke war, konnte man sich sicher sein, dass er am Ende des Tages auch die Bestzeit halten würde. Allerdings zählt Toro Rosso deshalb noch lange nicht zu den Titelanwärtern oder gar Favoriten. (Auszug aus der Saisonvorschau 2009 - Motorsport-Magazin 3/09, März 2009)

Die Bilanz - Team Der Traum war schön, er war real, aber er war auch schnell vorbei. Nachdem Sebastian Vettel und seine kleine Toro Rosso Truppe in der Saison 2008 echte Wunder vollbrachten, in Monza auf der Pole und dem obersten Treppchen standen, begann 2009 wieder die Realität für das ehemalige Minardi-Team. Der letzte WM-Rang mag etwas negativer klingen, als es eigentlich war, aber nichtsdestotrotz: mit 8 Punkten war man weniger erfolgreich als der Neunte Force India, der in diesem Jahr beinahe das kleine Wunder schaffte.

Die Erfolge von 2008 sind vergessen. Sebastian Buemi musste auf kleinerer Flamme kochen., Foto: Sutton
Die Erfolge von 2008 sind vergessen. Sebastian Buemi musste auf kleinerer Flamme kochen., Foto: Sutton

Der Abschied von Gerhard Berger hatte sicherlich einen Einfluss, aber mit Franz Tost und Giorgio Ascanelli blieben zwei Mitglieder der erfolgreichen Führungscrew an Bord. Allerdings wurden wichtige Ressourcen der beiden Chefs als auch der Entwicklungsabteilung mit den Vorbereitungen für die Saison 2010 gebunden. Dann muss Toro Rosso sein Auto wieder selbst konstruieren und bauen - das Fahrzeugsharing mit Red Bull Racing über Red Bull Technologies hat dann ein Ende. Für diese Situation musste Toro Rosso neue Leute einstellen und die logistischen Voraussetzungen in der Fabrik schaffen. Das kostete Geld, Zeit und Nerven. Gleichzeitig fehlte der Vettel-Effekt: Keiner der Fahrer war erfahren, fähig oder aufgeweckt genug, um das Team mitzureißen und zu Wunderdingen zu beflügeln.

Die Bilanz - Auto Ressourcenknappheit war das Stichwort des Jahres für den STR4. Das Auto wurde erst sehr spät fertig gestellt, so dass dem Team nur wenige Testfahrten blieben, um sich an das neue Reglement (unter anderem die veränderte Aerodynamik und den beweglichen Frontflügel) zu gewöhnen, auf KERS verzichtete man von Anfang an. Zudem hatten die Fahrer wenig Zeit, um am Setup des Autos zu feilen und sich einzuschießen. Immerhin konnten sie lange mit einem Interimsauto testen, was Sebastien Buemi wenigstens Fahrpraxis vor seinem F1-Debüt verschaffte. Die Testbestzeiten wurden durch die alte Aerodynamik verfälscht.

Der STR4 litt unter der mangelnden Weiterentwicklung und einigen Zuverlässigkeitsproblemen., Foto: Sutton
Der STR4 litt unter der mangelnden Weiterentwicklung und einigen Zuverlässigkeitsproblemen., Foto: Sutton

Auch bei der Weiterentwicklung des STR4 waren die Mittel knapp bemessen: Das Team führte als letztes den Doppeldiffusor ein - beim zehnten Saisonrennen in Ungarn. Oft fehlten die Ressourcen, das Geld oder die Zeit, um neue Teile so schnell wie möglich zu bauen und ans Auto zu schrauben. Ein Problem war auch, dass man die Entwürfe von Red Bull Technologies teilweise erst an das eigene Auto und dessen Eigenheiten anpassen musste. Nach einem guten Saisonstart hinkte die Weiterentwicklung hinterher und das Team fiel zurück.

Erst gegen Saisonende holte Toro Rosso mit einem neuen Aerodynamikpaket auf und punktete wieder. Allerdings wäre mit dem STR4 in den letzten Rennen mehr drin gewesen, wenn die Fahrer nicht Fehler gemacht hätten oder die Zuverlässigkeit besser gewesen wäre. 13 Mal sahen die drei Piloten die Zielflagge nicht - das sind die meisten Ausfälle von allen zehn Teams und fast doppelt so viele wie McLaren und Renault dahinter haben (jeweils 7 Ausfälle). Neben Unfällen und Fahrfehlern streikte sieben Mal die Technik (Bremsen, Kupplung, Hydraulik und Getriebe). Das war zu oft.

Sebastien Bourdais wusste auch in Jahr 2 nicht zu überzeugen., Foto: Sutton
Sebastien Bourdais wusste auch in Jahr 2 nicht zu überzeugen., Foto: Sutton

Die Bilanz - Fahrer Sebastien Buemi war der Lichtblick des Toro Rosso-Trios. Der Schweizer startete stark in seine erste Formel-1-Saison, machte dann aber einige Fehler und durchlebte (wie sein Team) zur Saisonmitte eine schwache Phase. Aus einem schlechten Auto konnte er keine Überraschungen herausquetschen. Zum Saisonabschluss war er mit einem verbesserten Auto wieder der alte vom Saisonbeginn. Buemi fuhr alle 6 der 8 WM-Punkte des Teams ein, hatte aber auch einige Unfälle und Dreher, die ihm als Neuling verziehen werden sollten. Er erhält zu Recht 2010 eine weitere Chance. Dann muss er aber konstantere Leistungen zeigen - auch weil Red Bull nicht gerade für seinen langen Atem mit Nachwuchstalenten bekannt ist.

Sebastien Bourdais erhielt 2009 seine zweite Chance - und verspielte sie. Erst kurz vor Saisonbeginn entschied sich Toro Rosso für den Franzosen und gegen Takuma Sato, den man bei Testfahrten eine Gelegenheit gab, sich zu beweisen. Mangels echter Alternativen vertraute man aber erneut auf Bourdais, der aufgrund seiner Erfahrung als mehrfacher ChampCar-Meister das Team hätte führen sollen. Das blieb aus. Stattdessen klagte er im Boxenfunk pausenlos über das Auto. Das tat der Stimmung nicht sonderlich gut. Auch hatte man sich von seiner Erfahrung mit Slicks mehr erwartet. Bourdais wurde vom F1-Rookie Buemi klar geschlagen und folgerichtig nach neun Rennen ausgetauscht. Sein F1-Ausflug blieb ohne bleibenden Eindruck.

Jaime Alguersuari war kein Überflieger à la Vettel, aber ohne Testfahrten gehandikapt., Foto: Sutton
Jaime Alguersuari war kein Überflieger à la Vettel, aber ohne Testfahrten gehandikapt., Foto: Sutton

Jaime Alguersuari wurde der jüngste GP-Pilot aller Zeiten. Dabei zeigte sich: Das Testverbot senkt die Kosten, ist aber ein riesiger Nachteil für Nachwuchsfahrer. Alguersuari hatte vor seinem ersten Renneinsatz in der Formel 1 gerade einmal ein paar Straight-Line-Tests auf der Gerade vorzuweisen. Bei seinem Debütwochenende in Ungarn schlug er sich trotzdem beachtlich, obwohl er vorher von vielen Experten nicht als Überflieger angesehen wurde - was sich später bewahrheiten sollte.

In den folgenden Rennen war er manchmal eine fahrende Blockade - vor allem auf dem Straßenkurs in Singapur. Auch fiel er durch wilde Abflüge wie in Suzuka auf und bereitete dem Team damit viel Kopferschmerzen und hohe Ersatzteilrechnungen - zu letzteren trug aber auch Buemi hin und wieder bei. Alguersuari fuhr parallel zu seinem F1-Debüt in der Renault World Series, was sicherlich nicht optimal war - wie die Ergebnisse dort bestätigten. Trotzdem hätte er eine weitere Chance mit einer echten Vorbereitung und Testfahrten verdient. Toro Rosso denkt noch darüber nach, sein Name fehlt in der provisorischen Starterliste für 2010. Er wäre das nächste verheizte Red Bull Talent.

Toro Rosso

Saisonziel Regelmäßig Punkte
Saisonergebnis 10. Platz (8 WM-Punkte)
Ziel erreicht? Nein.
Top oder Flop? Flop. Von einem Rennsieg wie 2008 konnte Toro Rosso in diesem Jahr nur träumen. Mit Sebastian Vettel schien auch der Erfolg weg zu sein. Die Schlagzeilen um Jaime Alguersuari, der als jüngster Pilot der F1-Geschichte sein Debüt feierte, waren die einzig halbwegs positiven Schlagzeilen rund um Toro Rosso. Am Ende wurde man mit 8 Punkten Gesamt-Letzter. (Kerstin Hasenbichler)