Am Samstag sahst du in Abu Dhabi unschlagbar aus, aber das Rennen brachte dann den ersten technischen Ausfall deiner Formel-1-Karriere - war es ein unglückliches Wochenende?
Lewis Hamilton: Nicht wirklich. Natürlich ist es enttäuschend, wenn man ein Rennen nicht beendet - vor allem wenn man in Führung liegt -, aber ich muss realistisch sein: dass ich bereits fast drei Saisonen fahre und erst jetzt durch einen mechanischen Fehler gestoppt wurde, ist eine unglaubliche Statistik. Heutzutage nimmt man die Zuverlässigkeit fast schon als gegeben hin, es war also eigenartig, in der Garage zu stehen und dem Rennen zuzusehen, anstatt mitzufahren.

Aber ich denke, wir können alle stolz darauf sein, was wir dieses Jahr erreicht haben. Wir haben die Saison mit dem langsamsten Auto im Feld begonnen, gaben aber nie auf und am Samstag in Abu Dhabi hatten wir wohl das schnellste Auto da draußen. Das ist eine unglaubliche Leistung - und ich kann mir kein anderes Team als McLaren-Mercedes vorstellen, das das geschafft hätte. Es wäre toll gewesen, das Rennen zu gewinnen, damit wir alle mit erhobenen Häuptern in den Winter hätten gehen können, aber es sollte nicht sein. Ich liebte die Strecke - für eine neue Strecke hat sie eine gute Mischung an Kurven und man muss sehr konzentriert und präzise sein, damit man eine gute Zeit holt. Wir werden nächstes Jahr versuchen, den Sieg zu holen.

Blicken wir auf die Saison zurück - es gab Hochs und Tiefs, aber was war dein Highlight?
Lewis Hamilton: Ich denke, es gibt einige Momente, die mir von diesem Jahr in Erinnerung bleiben werden. Der erste war in Silverstone, wo ich ankam und wusste, dass ich nicht um den Sieg würde kämpfen können und dann von der tollen Unterstützung der Leute an der Strecke überwältigt war. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass es ein so positives und inspirierendes Wochenende für mich wird - auch wenn unser Ergebnis nicht toll war. Ich hatte 2008 so ein tolles Rennen in Silverstone und es bedeutete mir sehr viel, dass die Leute ihren Glauben an mich behalten hatten und hinter mir standen, obwohl ich ihnen keinen Sieg bringen konnte.

Auf dem Nürburgring kehrte der Spaß zurück, Foto: Sutton
Auf dem Nürburgring kehrte der Spaß zurück, Foto: Sutton

Auf der Strecke war Deutschland eines meiner größten Highlights, als wir das erste Mal das Upgrade-Paket ausprobiert haben. Schon bevor ich mit dem Auto gefahren war, konnte man sehen, dass es ein großer Schritt nach vorne war - wir hatten den Vorderflügel, die Verkleidung und den Unterboden komplett verändert und es gab da viel Druck, dass es passen muss. Es sah gut aus und das Auto sah fantastisch aus. Ich brauchte dann nur ein paar Runden, um zu merken, dass das Auto eine tolle Verbesserung war. Endlich, nach Monaten der Probleme, konnte ich das Auto das tun lassen, was ich wollte: ich konnte ordentlich einlenken und voll aufs Gas steigen, wobei ich mich einfach auf den Grip verlassen konnte, um aus der Kurve zu kommen. Als ich aus der Nürburgring-Haarnadel herauskam und bergauf in die schnellen S-Kurven fuhr, habe ich aus Versehen meinen Funk angelassen und das ganze Team konnte mich jubeln und schreien hören, weil sich das Auto so gut anfühlte. Ich fühlte mich danach etwas peinlich berührt, vor allem als mir Martin erzählte, dass er die ganze Aufnahme dem Team vorgespielt hatte. Ich erkenne jetzt aber, dass das wichtig für die Moral aller war.

Das andere Highlight war Ungarn. Ich habe immer gesagt, dass ein Sieg dieses Jahr süßer wäre als alles Andere, das ich erreicht habe, weil es einfach so ein befriedigender Abschluss unserer ganzen harten Arbeit gewesen wäre. Und der Ungarn Grand Prix war ein Traum, der wahr wurde - ich konnte mich mit meiner Pace mit den anderen messen und das Auto als Erster ins Ziel bringen, das war unglaublich. Totale Befriedigung...

Und was war dein schwierigster Moment?
Lewis Hamilton: Da gab es einige. Das erste Mal, dass wir dieses Jahr Schwierigkeiten bemerkten, war beim Testen: wir wussten, das Auto war nicht das schnellste, aber beim Barcelona-Test in Woche elf wurde uns wirklich klar, dass wir Probleme hatten und uns einfach die Pace auf die Spitze fehlte. Ich erinnere mich, dass ich Ron und Martin anrief und ihnen erklärte, dass wir viel Arbeit vor uns hatten, wenn wir den MP4-24 in ein Siegauto verwandeln wollten. Das war ein schwieriges Gespräch, aber Ron und Martin gaben mir ihre volle Unterstützung und wir haben sofort an einem Rettungsplan gearbeitet - es gab kein Warten. Das war also eine schwierige Erfahrung, die später zu einer positiven wurde.

Der andere schwierige Moment war nicht kurz danach, in Melbourne und Malaysia. Das war für mich persönlich eine schwierige Zeit - aber ich glaube, dass ich diese Erfahrung genutzt habe, um als Person zu wachsen und ich wurde dadurch stärker. Ich glaube fest daran, dass jede Erfahrung - auch eine schlechte - dabei hilft, den Charakter zu definieren und zu formen. Man kann die Vergangenheit nicht ändern, aber man kann definitiv daraus lernen und ich bewältigte die Situation in Melbourne, hatte die Courage und die Überzeugung, mich ihr in Malaysia zu stellen und war danach stärker.

Ein paar schnelle Fragen: was war deine Lieblingsstrecke dieses Jahr?
Lewis Hamilton: Abu Dhabi war ein unglaublicher Ort, aber die beste Strecke, die ich dieses Jahr besucht habe, war Suzuka. Monaco hat einen besonderen Platz in meinem Herzen - und es ist völlig einzigartig -, aber Suzuka ist die beste Rennstrecke der Welt. Ich kann auch Silverstone nicht unerwähnt lassen - die älteren Strecken im Kalender haben alle diesen unglaublichen Charakter. Strecken wie Silverstone, Monaco, Spa, Monza, sie sind die besten Strecken, die wir besuchen und wir brauchen sie im Kalender. Ich weiß, dass Silverstone immer noch nicht für 2010 bestätigt ist, aber es muss im Kalender sein. Ich kann mir nicht vorstellen, in der Formel 1 zu fahren und nicht dort zu sein.

In Brasilien gab Lewis Hamilton alles, Foto: Sutton
In Brasilien gab Lewis Hamilton alles, Foto: Sutton

Dein Lieblingsrennen?
Lewis Hamilton: Monza hat Spaß gemacht, aber entweder Suzuka oder Brasilien. Ich habe mir in Suzuka das Herz raus gefahren, mein Kampf mit Jarno im ersten Stint war wirklich hart - es war wie 20 Qualifying-Runden am Stück. Aber Brasilien war noch verrückter - das Auto war wahrscheinlich so gut wie das ganze Jahr nicht und ich habe von der ersten bis zur letzten Kurve gepusht. Das war vielleicht meine beste Fahrt des ganzen Jahres.

Stolzester Moment?
Lewis Hamilton: Als ich das Team in Ungarn wieder auf die oberste Stufe des Podests bringen konnte - und danach vier Wochen zu haben, um sich darüber zu freuen. Das war wirklich der beste Erfolg der Saison. Ich bin so stolz auf jeden, der eine Rolle dabei gespielt hat, uns wieder nach vorne zu bringen. Glaubt mir, wir haben das Ergebnis wirklich verdient.

Was nimmst du aus dieser Saison mit?
Lewis Hamilton: Ich habe viel über Einsatz, Entschlossenheit und Motivation gelernt: Dinge, die man beinahe als gegeben nimmt, wenn man vorne ist, über die man aber viel mehr herausfindet, wenn man hinten kämpft. Ich bin als Mensch und als Fahrer gewachsen - ich habe dieses Jahr größere Hürden nehmen müssen als in meinen vorigen zwei Saisonen und ich denke, ich weiß, wie ich besser mit bestimmten Dingen umgehe als früher - auch besser als vor einem Jahr. Ich denke auch, dass wir jetzt eine viel enger verbundene Gruppe sind. Wir kennen uns nun eine Saison länger und die Verbindung zwischen uns ist nun so viel fester - wir haben gemeinsam viel durchgemacht und wir kennen uns gegenseitig viel besser. Das weiß ich wirklich zu schätzen - und ich denke, dadurch sind wir nächste Saison auch eine bessere Einheit.

Was kommt für Lewis Hamilton als nächstes?
Lewis Hamilton: Ich bin dieses Wochenende für den powered by Mercedes-Benz Event in Brooklands. Ich werde dort mit Heikki sein und wir werden den MP4-23 aus dem Vorjahr fahren. Danach werde ich hart zu trainieren beginnen: ich will die nächste Saison fitter beginnen als ich es je war. Ich habe auch mit unserem Teamarzt gearbeitet, damit ich sicherstelle, dass ich für nächstes Jahr besser vorbereitet bin denn je. Ich werde zuhause in Genf und in Finnland hart trainieren. Danach werde ich eine kurze Pause für Weihnachten haben - ich plane keine Reise irgendwohin, aber ich werde es wohl mit meiner Familie verbringen. Danach geht es wieder an die Arbeit - Treffen mit den Ingenieuren, der Launch und das Testen des neuen Autos - das fantastisch aussieht. Ehrlich gesagt, ich wäre bereit, nächste Woche wieder Rennen zu fahren - im Moment kann ich mit Sicherheit sagen, dass ich die Formel 1 mehr liebe als je zuvor und ich kann es einfach nicht erwarten, wieder da draußen zu sein.