Das Motorhome war schnell mit indischen Flaggen geschmückt, der Sekt floss - Force India feierte und ließ sich feiern: Der zweite Platz für Giancarlo Fisichella das erste Podium in der Teamgeschichte überhaupt, kaum einer im Fahrerlager, der dieser Truppe den Erfolg nicht gegönnt hätte. Aber trotzdem fragen sich nun viele: Wie kann so ein kleines Team, mit wenig Geld, vielleicht einem Drittel bis einem Viertel des Budgets der Top-Teams und im Verhältnis auch wenigen Mitarbeitern, 280 statt über 700 da und dort, plötzlich so weit nach vorne kommen?

Force India hat es geschafft: Die erste Pole und das erste Podium., Foto: Sutton
Force India hat es geschafft: Die erste Pole und das erste Podium., Foto: Sutton

Wobei das Wort plötzlich nicht ganz richtig ist: Seit im vergangenen Jahr Teambesitzer Vijay Mallya erstens den Kooperationsvertrag mit McLaren-Mercedes abschloss und zweitens die ewigen Streithammel, Teamchef Colin Kolles und Technikchef Mike Gascoyne vor die Tür setzte, geht grundsätzlich einiges voran. Aus der silbernen Ecke kam nicht nur der neue Motor und der komplette Antriebsstrang, sondern mit Simon Roberts als Teamchef auch einer, der viel McLaren-Wissen über Organisation, Arbeitsweise und Strukturen mitbrachte - was sich bezahlt machte.

In Spa kam dann noch der Faktor dazu, dass das Auto perfekt zur Streckencharakteristik passte, die weniger Abtrieb und mechanischen Grip verlangt als bisher alle anderen im Kalender. "Wir haben so ein Auto, das hat sich einfach so in diese Richtung entwickelt, das war gar nicht einmal besonders gezielt angestrebt", gibt Roberts zu. Was auf anderen, engen und langsamen Kursen eher ein Nachteil ist, wurde in Spa zum großen Plus - und kann es eventuell auch in zwei Wochen in Monza werden. Dazu kam: Giancarlo Fisichella kam schon im Qualifying mit dem weichen Reifen, der vielen anderen Fahrern, auch seinem Teamkollegen Adrian Sutil, massive Probleme machte, bestens zurecht - die Pole-Position war schon die halbe Miete für den Erfolg.

Und dann fuhr der 36-jährige Italiener, der sich bis dahin in dieser Saison doch auch schon einige Klöpse geleistet hatte, ob nun beflügelt von der Chance, sich vielleicht als Ersatz für Luca Badoer doch noch einmal seinen Ferrari-Traum verwirklichen zu können, oder auch nicht, ein absolut perfektes und fehlerfreies Rennen. Und auch das Team wusste die vielleicht einmalige Chance zu nutzen, da ging nichts schief, kein Reifenwechsel, kein Nachtanken - da könnte sich jemand wie Toyota mal eine Scheibe abschneiden.

Aber trotz der seit Wochen, ja Monaten, anhaltenden Aufwärtstendenz bei Force India halten sich im Fahrerlager immer noch Gerüchte, dass es dem Team finanziell so schlecht gehe, dass eine Zukunft 2010 in Zweifel stehe. Was den großen Boss Vijay Mallya inzwischen ziemlich erzürnt: "Ich möchte bloß wissen, wo das alles immer herkommt, da scheinen einige Leute gezielt Fehlinformation zu betreiben." Wo ein Teil herkommt, ist klar: Im Bezahlen seiner Rechnungen ist Mallya nicht unbedingt der Schnellste, manchmal wird es dann eben auch mal so knapp, dass es wie am Nürburgring zu einer vorübergehenden Pfändung des Motorhomes kommt.

Giancarlo Fisichella durfte endlich wieder Champagner spritzen., Foto: Sutton
Giancarlo Fisichella durfte endlich wieder Champagner spritzen., Foto: Sutton

Was aber viele, die mit Mallya schon länger und direkt zu tun haben, als großes Missverständnis sehen: "Das ist eine Mentalitätsfrage, Mallya ist eben Inder. Da wird erst gezahlt, wenn es absolut nicht mehr anders geht. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob Geld da ist oder nicht", sagt einer, der es eigentlich wissen muss - aber seinen Namen natürlich lieber nicht genannt wissen will. "Der kommt zu spät und zahlt zu spät - ist da halt so. Der macht sich ja auch nichts draus, wenn er zu einem vereinbarten Termin eine, zwei oder drei Stunden später auftaucht." Nachvollziehbar, wenn man, auch aus eigener Erfahrung, die Gegebenheiten in anderen Kulturkreisen kennt, in Brasilien zum Beispiel kann man leicht ähnliche Erfahrungen machen...

Der zigfache Millionär, Besitzer unter anderem einer Fluglinie und einer großen Brauerei, "der es derzeit übrigens sehr gut geht, wir spüren da überhaupt nichts von Krise", ist es dazu einfach gewohnt, dass Geschäftspartner nach seinen Regeln spielen, man könnte auch sagen, nach seiner Pfeife tanzen - vor allem kleinere, dass er da genauso die Macht und die Kontrolle hat wie in seinen eigenen Unternehmen, wo ja auch alles über ihn läuft. So sieht er das auch bei seinem Formel-1-Team: "Ich finanziere Force India zu 95 Prozent. Wenn ich happy bin, sind alle happy." Und da er schließlich derzeit glücklicher denn je ist, angesichts der neuen Erfolge, muss man sich um die Zukunft von Force India 2010 wohl weniger Sorgen machen als um die so einiger anderer derzeitiger oder zukünftiger Teams...