Der Boss der Roten, genannt Stefano, war mit dem Tagwerk seiner Truppe zufrieden. "Heute Nacht können wir länger schlafen", gestand er dem Iceman zu. Aber auch Andere dürfen mit ihrem Werk zufrieden sein. Etwa fünf Deutsche und ein Schweizer, die sich anstrengten, ihrem großen Vorbild Nelsinho nachzueifern. Der Brasilianer ist ein wahrer König, nicht unbedingt bei der Schnelligkeit, die hat Alvaro gepachtet, der gerne mal eine "Runde für die Götter" fährt, sondern bei der entschlossenen Umsetzung von Dingen, die ihm sein Papa erkauft hat. Kein Abreißtrupp oder Stuntman schlägt so schön und filmreif in die Mauer ein wie Nelsinho - und das mit voller Absicht.

Oh nein, das habe ich doch nicht mit Absicht getan, nein, nein., Foto: Sutton
Oh nein, das habe ich doch nicht mit Absicht getan, nein, nein., Foto: Sutton

Als erster Nacheiferer war da Adrian. Ihm gefiel die Nummer mit der Mauer so gut, dass er etwas Ähnliches plante. Aber schlichtes Kopieren ist ja langweilig, dachte sich Adrian, dem das restliche Chaos im belgischen Verkehr gerade recht kam. Er verschleierte seinen absichtlichen Unfall im Startgetümmel. "Nach dem Crash in der ersten Kurve war mein Rennen eigentlich schon zu Ende", sagte er mit traurigem Blick, aber innerlich freute er sich über die gelungene, absichtliche Aktion. Doch Adrian ist eben noch kein Meister wie Nelsinho. Statt seinem Partner Fisico zu helfen, kostete ihn das Ganze einen möglichen Erfolg.

Timo ging die Sache geschickter an. Eine reine Nachahmung kam für ihn nicht in Frage, als gelernter Gerüstbauer wollte er etwas Eigenes konstruieren. Also warf er vor dem Start einen Schraubenschlüssel in den Tankschlauch. "Beim ersten Boxenstopp hatten wir ein Problem, der Tankstutzen ging nicht richtig drauf und wir mussten den Ersatz nehmen", sagte er offiziell, in dem Wissen, dass sein Plan aufgegangen war. "Das hat uns zehn Sekunden gekostet. Dann gab es beim zweiten Stopp ein anderes Problem. Ich habe heute alles an der Box verloren." Note 1 für mutwillige Sabotage.

Ha ha, ausgetrickst!, Foto: Sutton
Ha ha, ausgetrickst!, Foto: Sutton

Nico plante sein aktives Versagen von langer Hand. Bereits am Freitag spielte er den Geschockten: "Das ist alles eine Katastrophe!" Da der clevere Nico nicht auf den Kopf gefallen ist, spann er seinen Plan weiter: Damit niemand Verdacht schöpft, dass er sein Tun bewusst selbst manipulierte, war er am Samstag plötzlich etwas besser und drückte sich auch am Sonntag um eine vollkommene Blamage - die überließ er dem italienischen Anfänger-Selbstsaboteur Luca, dessen absichtliche Langsamkeit von Anfang an so was von offensichtlich war... "Das ist mehr, als ich zu Beginn des Wochenendes erhoffen konnte", rückte Nico sein gewolltes Versagen ins rechte Licht.

Was Nico kann, kann Nick schon lange. Schließlich ist er ein Altmeister der manipulativen Zunft. Auch er überlegte lange, wie er denn mit dem geringsten Aufsehen den größten Schaden bei sich selbst anrichten könnte. "Ich habe lange hin- und herüberlegt, ob ich mit den weicheren oder den härteren Reifen starten soll", gab er Einblick in seine heimtückische Gedankenwelt. "Die Entscheidung war im Nachhinein offensichtlich die falsche." Welch Überraschung, als ob er das nicht vorher gewusst und geplant hätte. Aber das war nur der erste Teil seines Masterplans zur vorsätzlichen Selbsteinbremsung. In Schritt zwei räumte er Jarno zur Seite, so dass sein Kumpan Robert ungesehen durchflutschen konnte. Schritt drei krönte die Leistung mit einem gemeinsamen Rutschen durch den Dreck. "Da habe ich alles verloren." Also alles wie geplant.

Sebastian konnte sich nicht mehr zusammenreißen: Er hat alle absichtlich an der Nase herumgeführt., Foto: Sutton
Sebastian konnte sich nicht mehr zusammenreißen: Er hat alle absichtlich an der Nase herumgeführt., Foto: Sutton

Die Schweizer mögen neutral sein, aber gewieft sind sie obendrein. Und so brauchte sich Sebastien gar nicht hinter seiner Neutralität verstecken, um sich bewusst zu sabotieren. "Ich war konstant, machte keine Fehler und alles funktionierte reibungslos", wollte er den Anschein eines unschuldigen Exil-Schweizers erwecken. Dabei hatte er es faustdick hinter den Ohren: "Es ist schade, dass ich Heikki Kovalainen nicht überholen konnte, obwohl ich schneller war als er. Ich habe es versucht." Aber ja doch, sicher. Vielleicht wäre eine andere Strategie besser gewesen, mutmaßte er. Dabei wusste er doch schon lange, dass er nur richtig aufs Gaspedal hätte treten müssen, schon wäre er vorbei und über alle Berge gewesen. Freiwillige Zurückhaltung - davon kann selbst Nelsinho noch etwas lernen, oder war es etwa das, was er anderthalb Jahre lang machte?

Auch Sebastian übte sich in der Kunst der Selbstbeschränkung. Selbstverständlich würde er das niemals zugeben. Er habe das Beste herausgeholt, was möglich gewesen sei, meinte er. "Ich bin sehr zufrieden." Aber das Funkeln in seinen Augen und das verschmitzte Lächeln bewiesen: Die Zufriedenheit rührte von der gelungenen Verschwörungsumsetzung. "Vielleicht war ich am Anfang etwas zu konservativ." Er habe gesehen, wie Nick durch den Dreck rutschte und wusste natürlich sofort: Das ist Absicht! Doch Sebastian dachte sich: Nicht mit mir! "In dieser Situation verlor ich einen Platz an Nico und musste ihn nach dem Re-Start wieder überholen. Dadurch verlor ich viel Zeit auf die Spitze." Ein absichtlicher Platzverlust, der beim geplanten Zurücküberholen noch viel mehr Zeit kostete - das ist wahres Genie.