Mit Sebastian Vettel gewinnt wieder ein Deutscher Formel-1-Rennen, hat sogar Chancen auf die Weltmeisterschaft. Mit Jenson Button und Brawn GP gibt es einen WM-Spitzenreiter, der im letzten Winter noch um das Überleben bangte. Mit Ferrari, McLaren und BMW Sauber straucheln die Favoriten der letzten Jahre. Trotzdem steht all das nicht im Mittelpunkt der F1-Welt. "Für mich ist das lächerlich", sagte Ex-F1-Pilot Olivier Panis Motorsport-Magazin.com. "Ich liebe diese Saison, weil Brawn GP tolle Arbeit leistet und andere Fahrer auf dem Podium stehen. Aber die Politik ist ein Witz."

Das findet auch ein anderer ehemaliger Aktiver: "Ich finde es extrem schade, dass in letzter Zeit in der Formel 1 so viel über Politik geredet wird und so wenig über den Sport", beklagte sich Michael Schumacher. Obwohl sich der Ferrari-Berater PR-wirksam vor die Ferrari-/FOTA-Maschinerie spannen ließ und die neue Rennserie lobpreiste, sprach er auch vielen Fans aus der Seele: "Hoffentlich ist jetzt bald mal Schluss mit den politischen Spielchen, die mich schon immer genervt haben."

Worum geht es?

Seinen Anfang nahm der Streit zwischen der Teamvereinigung FOTA und dem Weltverband FIA irgendwann im März, damals noch wegen neuer Regeln, etwa einer Budgetobergrenze mit einem Zweiklassenreglement für Budget-Teams und Nicht-Budget-Teams. Damit sollten unabhängige Teams geschützt, Neueinsteiger ermuntert und Hersteller zum Bleiben bewegt werden - trotz Krise. Doch das ist schon lange vorbei. Die Budgetgrenze ist nicht mehr der springende Punkt. Beide Seiten hatten sich sogar auf einen Kompromiss geeinigt.

"Bei den Regeln für 2010 waren wir uns eigentlich einig, als ich mit Ross Brawn, Stefano Domenicali, Christian Horner und John Howett gesprochen habe", sagt Max Mosley. "Diese Einigung wurde danach aber wieder zerrissen. Bestimmte Leute in der FOTA wollten da keine Übereinkunft." Denn es geht vor allem um Macht. Mosley wird seit Wochen nicht müde zu betonen, dass es innerhalb der FOTA gewisse Personen gebe, die keine Einigung erzielen möchten, entweder um eine eigene Serie zu gründen oder um so die Rolle von Mosley und Bernie Ecclestone zu übernehmen.

Force India und Williams sind die einzigen aktuellen Teams, die derzeit für Mosleys F1 fahren., Foto: Sutton
Force India und Williams sind die einzigen aktuellen Teams, die derzeit für Mosleys F1 fahren., Foto: Sutton

"Es geht nicht um Gier, sondern mehr um Macht", so Mosley. "Es gibt da ein oder zwei Individuen... na ja, es gibt eine Person, die sich selbst als Bernie sieht." Gemeint ist Flavio Briatore, aber auch Luca di Montezemolo wehrt sich rigoros gegen eine Einigung. Teilweise wird der FOTA nachgesagt, dass sie erst zu Verhandlungen und einer Lösung bereit sei, wenn Mosley sein Amt aufgegeben hat oder abgesetzt wurde. "Wir fordern Inhalte", betonte Mario Theissen, keine Köpfe.

Was fordert die FOTA?

Die Inhalte beinhalten mehr Einnahmen für die Teams, eine transparente Führung seitens der FIA, ein neues Berufungsgericht und die Regeln von 2009 als Basis, ergänzt um einige Veränderungen wie das Nachtankverbot. Gleichzeitig soll es eine neue Formel-1-Verfassung geben, das Concorde Agreement. Mosley und Ecclestone würden eine Verlängerung bis 2014 bevorzugen. Die Teams wollen sich nur bis 2012 binden, weil dann alle Verträge gleichzeitig auslaufen und man so ein einheitliches Concorde Agreement für alle Teams abschließen könnte, nicht lauter Einzelverträge, die teils Sondervereinbarungen enthalten, etwa Vetorechte, Sonderzahlungen oder Ähnliches.

Wieder ein Thema ist übrigens das Zweiklassenreglement. Allerdings nicht wegen der Budgetgrenze, sondern wegen der Cosworth-Motoren für die drei neuen Teams. Mosley will diesen gestatten, die Motoren von 2006 nicht an das Reglement von 2010 anzupassen. Dafür habe Cosworth weder die Zeit noch das Geld. "Es ist egal, weil der Motor schwächer ist", sagt Mosley. "Es gab Zeiten, als V10 gegen V8 fuhren, das machte auch nichts aus. Wir können einen Kompromiss finden."

Theissen kann sich damit nicht anfreunden. Die FOTA unterstütze neue Teams und einen unabhängigen Motorenhersteller. "Aber natürlich muss jeder nach den Bedingungen antreten, nach denen auch die anderen antreten", betonte er auf unsere Nachfrage. "Ein zweiteiliges Reglement mit einem Motor, der höher drehen kann, ist für uns nicht attraktiv und nicht akzeptabel."

Wie steht es um die neue Serie?

Um nicht dem Risiko ausgesetzt zu sein, im kommenden Jahr gar keine Rennen zu fahren, hat die FOTA das Schreckgespenst einer eigenen Rennserie offiziell losgelassen. "Wir mussten die Initiative ergreifen", so Theissen. "Es ist nicht unser bevorzugtes Szenario, aber absolut realistisch." Teilweise könne man auf die Vorbereitungsarbeiten der ehemaligen Herstellerserie aus den Jahren 2004 und 2005 zurückgreifen, die vor allem im Marketingbereich einige gute Ideen hervorgebracht habe, die selbst der Formel 1 weiterhelfen könnten.

Michael Schumacher bezeichnet die Serie als "echte Alternative" und Ross Brawn kündigte für diese Woche die ersten Meetings an, in denen die technischen Spezifikationen beschlossen werden sollen, die für den Sport und die Kosten am besten sein sollen. Auch habe es schon viel Interesse von Streckenbetreibern und Medien gegeben, teilte Martin Whitmarsh mit. "Diese Signale machen die Leute zuversichtlich, dass es machbar ist."

Bernie Ecclestone muss Theissen & Co umstimmen., Foto: Sutton
Bernie Ecclestone muss Theissen & Co umstimmen., Foto: Sutton

Die Sponsoren wurden mit der Ankündigung ebenfalls ruhig gestellt. Sie wüssten somit, dass die Teams auf jeden Fall in einer Serie fahren werden. "Der Name spielt keine so große Rolle, wichtig sind die Fahrer, die Teams und die Marken", meinte Theissen. Es gebe auch bereits in allen Bereichen Eckpunkte: Also welche Strecken man im Auge habe, welche Partner man sich vorstellen könne, wie alles konstruiert sein soll, "aber wir sind noch nicht so weit, dass wir darüber reden sollten".

Sogar eine Zusammenarbeit mit der FIA ist möglich. "Ironischerweise besagt das Abkommen der FIA mit der Europäischen Kommission, dass die FIA allen konkurrenzfähigen neuen Serien anbieten muss, dies für sie zu übernehmen", verriet Brawn. "Sie müssen nicht die Regeln machen, das kann auf andere Weise geschehen, aber wenn man möchte, muss die FIA die Serie für dich austragen. Sie müssen die Rennkommissare, die Technische Abnahme und solche Dinge stellen."

Welche Gefahr besteht für die neue Serie?

Christian Danner glaubt nicht an eine neue Rennserie unter Team- und Herstellerregie. "Wenn Teilnehmer ihre eigenen Regeln machen, führt das zwangsläufig in ein grenzenloses Desaster", sagte er uns. "Das wäre so, als ob der FC Bayern die Regeln für die Fußball-Bundesliga machen würde." Irgendwann müssten die Hersteller vielleicht gegen die Interessen ihrer Aktionäre entscheiden, das ginge nicht. "Es ist eine klassische Lose-Lose-Situation." Eine Abspaltung habe in der Vergangenheit der jeweiligen Sportart immer extremen Schaden zugefügt. "Es gibt nur einen Weg: Mit der FIA."

Zumal sich um BMW, Toyota und Renault weiterhin Ausstiegsgerüchte ranken. Zwar glaubt Theissen, dass die neue Serie auch den Wegfall eines Herstellers verkraften könnte, aber Mosley rechnet mit noch mehr Aussteigern für 2010. "Wir werden ein oder zwei oder vielleicht drei Herstellerteams verlieren", kündigte er an. Theissen war davon überrascht: "Ich finde es erstaunlich, dass die Träger der Formel 1 in der Öffentlichkeit das eigene Teilnehmerfeld schwach reden und die Verbundenheit ihrer Teams, von denen sie leben, in Zweifel ziehen."

Wie reagierte die FIA?

Max Mosley blieb nach der Ankündigung der Konkurrenzserie gelassen. "Ich nehme es [die Drohung einer eigenen Serie, d. Red.] nicht so ernst wie einige andere Leute, weil ich weiß, dass es alles nur Drohgebärden sind", sagte er. "Es wird alles irgendwann zwischen Anfang 2010 und März 2010 aufhören." Denn dann gehe es in Richtung des ersten Rennens der neuen Saison. "Dann wird es aufhören, sich beruhigen und alle werden Rennen fahren."

Mosley hält eine Abspaltung für rein theoretisch. "Sie wird in der Praxis nie erfolgen." Sobald die Teams für Gespräche bereit seien, würde man reden, zeigte er sich gesprächsbereit. "Es wird 2010 eine Formel 1 Weltmeisterschaft geben und alle werden dabei sein. Wie viele Schmerzen zwischen jetzt und dann auszuhalten sind, kommt auf sie an. Für mich ist das lösbar."

Max Mosley reagierte erst gelassen und später kompromissbereit., Foto: Sutton
Max Mosley reagierte erst gelassen und später kompromissbereit., Foto: Sutton

Trotzdem kündigte die FIA am Freitag rechtliche Schritte gegen die FOTA-Teams an, weil diese gegen bestehende Verträge, das Wettbewerbsrecht und einiges mehr verstoßen hätten. So besteht die FIA unter anderem darauf, dass Ferrari, Red Bull und Toro Rosso bis Ende 2012 vertraglich an die Formel 1 gebunden sind.

Wie reagierte die FOTA?

"Unterschreibt unter meinen Bedingungen und dann sprechen wir vielleicht noch mal darüber." So und nicht anders interpretierte Mario Theissen den letzten Briefwechsel mit der FIA. Das akzeptierte die FOTA in dieser Form nicht. Trotzdem zeigten sich Teamchefs wie Christian Horner und Martin Whitmarsh weiter gesprächs- und kompromissbereit. Sie hoffen, dass es doch noch eine Einigung geben wird.

Nur Flavio Briatore blieb hart. "Wir haben so viel gesprochen, jetzt ist es genug", sagte er. "Wir haben unser Statement abgegeben, das ist klar und basta." Den angedrohten klagen sieht Theissen entspannt entgegen. "Ich bin sehr gespannt auf diese Klagen, unsere Juristen warten darauf." Besonders interessant ist daran, dass die FOTA in ihrem letzten Kompromissvorschlag eine Verschiebung der Einschreibungs-Deadline für 2010 um einige Tage vorgeschlagen hatte. "Die Antwort lautete nein, weil die neuen Teams Klarheit benötigten", erinnerte Theissen. "Jetzt ist die Deadline komplett weg."

Die FIA setzt sie aus, so lange man die juristischen Optionen abwegt. Gleichzeitig bedeutet dies nichts anderes, als dass die FIA damit die Möglichkeit offen lässt, die FOTA-Teams nach einer nachträglichen Einigung in den kommenden Tagen in die Starterliste zu integrieren. Hätte man am Samstag, wie angekündigt, Nachrückerteams benannt, wäre das nicht mehr so einfach möglich gewesen. Gleichzeitig haben sich mit N.Technology und Lola zwei potenzielle Nachrücker zurückgezogen, weil sie mit der FIA und dem möglichen Fehlen der Topteams nicht einverstanden waren.

Wie geht es weiter?

Am Mittwoch trifft sich der FIA-Weltrat, jenes Gremium, das McLaren einst bestrafte, aber auch den FIA-Präsidenten kippen könnte. Das wird nicht geschehen, denn Mosley hat den World Motor Sport Council fest im Griff. Trotzdem könnte es eine Einigung geben. "In dieser Situation ist Bernie Ecclestone normalerweise happy, denn das Chaos ist so grenzenlos, dass niemand mehr durchblickt", sagt Christian Danner. "Dann betritt Bernie den Raum und ist der große Retter. Davon gehe ich diesmal auch aus."

Auch Niki Lauda rechnet mit einer Lösung. "Sonst ist der Sport kaputt", sagte er uns. "Die Verantwortlichen müssen sich hinsetzen, nicht egoistisch herumdiskutieren, sondern für den Sport und für alle die richtige Lösung finden." Mosley sei auf jeden Fall dazu bereit.

Das betont auch Alex Wurz. "Mosley hat einen wichtigen Schritt getan, indem er in Interviews gesagt hat 'Wir müssen einen Kompromiss finden, sonst gefährdet das die Formel 1.'", so der Österreicher. "Gratulation nach Paris an die FIA. Sie sind die Ersten, die einlenken wollen, weil ein paar Egoisten wollen das bisher nicht", gibt Wurz auch der FOTA eine Teilschuld. Zum Streiten gehörten schließlich immer zwei. "Das Verrückte ist, dass sie das Gleiche wollen und nicht weit auseinander liegen." Die Formel 1 darf weiter auf eine bessere, gemeinsame Zukunft hoffen.