Rund um Lewis Hamilton splitterte das Karbon, kollidierten die Kontrahenten und flogen die Autos durch den Melbourner Luftraum. Den Briten ließ das kalt. Er drehte seine Runden unbeeindruckt vom Chaos im Albert Park. Nur in den Runden kurz nach seinen beiden Boxenstopps gab er die Führung zwischenzeitlich an seinen Teamkollegen Heikki Kovalainen ab. Nach den verlorenen WM-Titeln, der Strafe und dem Spionagewirbel des Vorjahres war das Balsam auf die silberne Seele.

Wirklich gefordert wurde Hamilton nie - das sollte sich im Laufe der Saison jedoch noch ändern, wenn auch nicht unbedingt durch jenen Fahrer, den man vor Saisonbeginn in dieser Rolle erwartet hatte. In Melbourne war Robert Kubica von Beginn an nicht schnell genug, um den McLaren mit der Startnummer 22 zu gefährden, fiel mit körnenden Reifen immer weiter zurück. Auch Kovalainen konnte nur bedingt mithalten und hätte wohl eh kein Überholmanöver riskiert. Die Ferrari-Piloten Felipe Massa und Kimi Räikkönen eliminierten sich durch Fehler und Defekte selbst. Und die Podestbesucher Nick Heidfeld und Nico Rosberg waren keine Gegner für Hamilton.

"Wenn ich gemusst hätte, hätte ich noch mehr pushen können", sagte Hamilton folgerichtig. "Aber ich lag mit meiner Pace ziemlich komfortabel vorne." Die Spazierfahrt im Chaos von Melbourne bedeutete allerdings noch lange nicht, dass es so weitergehen würde. Die Strecke im Albert Park hat eine einzigartige Charakteristik, die sich nicht 1:1 auf die folgenden Kurse übertragen ließ. So dominierte 2007 Kimi Räikkönen den Auftakt-GP, aber schon beim nächsten Rennen in Malaysia war McLaren vorne.

Rotes Debakel

Apropos Ferrari: was war los mit den Roten? Ganz einfach: beide patzten. Felipe Massa hatte seinen Aussetzer schon am Start. "In der ersten Kurve habe ich die Kontrolle über das Auto verloren, während ich mit Kovalainen kämpfte und kam von der Strecke", sagte er gelassen. Christian Danner analysierte die Situation mit etwas mehr Feuer: "Massa ging es zu brasilianisch an, etwas mehr Ruhe im Team wäre vielleicht angebracht. Dann wird man Ferrari auch wieder vorne sehen."

Der Weltmeister von 2007, Kimi Räikkönen, leistete sich gleich zwei Fehler: einen Dreher und einen Ausrutscher ins Kiesbett. "Beim ersten Mal mit Glock kam ich mit einem Rad auf das Gras und beim zweiten Mal mit Kovalainen war ich etwas zu optimistisch." Fahrfehler, eine schlechte Ausgangslage nach dem Qualifying und Pech mit dem Safety-Car - das war die frustrierende Dreifaltigkeit aus Maranello.

Weiß-Blauer Fingerzeig

Pleiten, Pech und Pannen bei Ferrari., Foto: Sutton
Pleiten, Pech und Pannen bei Ferrari., Foto: Sutton

An die Stelle von Ferrari trat in Melbourne BMW Sauber - und nicht nur dort, wie sich in den folgenden Rennen der ersten Saisonhälfte herausstellen sollte. "Wir waren auf einer Runde mit fast leerem Tank und mit Benzin für das Rennen dran, aber vielleicht sind wir das noch nicht unter allen Rennbedingungen, sprich auf Long Runs", analysierte Mario Theissen.

Beweise für diese These lieferten das starke Qualifying von Kubica, der nur zwei Runden früher tankte als Pole-Mann Hamilton, und die Anfangsphase des Rennens, in welcher der Pole dem Führenden, trotz ähnlicher Spritladung, nicht nah genug folgen konnte. BMW Sauber schaffte das, was man in dieser Situation machen musste - die Fehler der Konkurrenz ausnutzen. "Genau dann muss man zur Stelle sein", lächelte Theissen. Es sollte nicht das letzte Mal in dieser Saison der Fall sein.

Schwarz-Rot-Goldenes Podium

Hinter Hamilton hetzten zwei Deutsche her: Nick Heidfeld und Nico Rosberg belegten die Plätze 2 und 3. Für Rosberg sollte es eines der wenigen Highlights einer enttäuschenden Saison sein, für Heidfeld ein starker Auftakt in eine schwierige erste Saisonhälfte. Ausgerechnet die beiden Deutschen lagen schon am Start im Clinch. "Ich habe den Start perfekt hinbekommen", sagte Rosberg, der an Trulli und Heidfeld vorbeiging. Heidfeld schrieb das Rennen danach bereits ab. "Mein Start war nicht gut und der von Nico war sensationell."

Aber den Platz, den er am Start verloren hatte, holte sich Heidfeld an der Box zurück. "Beim Rausfahren war es eng zwischen Nico und mir, aber noch im Rahmen." Heidfeld glaubte, Rosberg so viel Platz wie möglich gelassen zu haben, was Rosberg etwas anders sah. "Aber man muss einfach gestehen, dass wir bessere Arbeit gemacht haben", beharrte Heidfeld. "Ich habe bei der Boxeneinfahrt ein paar Meter gutgemacht und dann hatten wir den besseren Boxenstopp." Rosberg war es - offiziell - letztlich egal: "Ich sehe es nicht so, dass ich einen Platz verloren habe, ich habe einen Podestplatz gewonnen."

Zum Überflieger wurde Timo Glock. Er wollte den Vorsprung auf Kimi Räikkönen vergrößern, kam dabei zu weit über den Kerb hinaus und nutzte auf dem Weg zurück auf die Strecke eine Bodenwelle als Sprungrampe: "In dem Moment gab es den Megaschlag und es hat mich ausgehebelt." Bei der Landung brach seine Radaufhängung. "So etwas kann man nur als Skandal bezeichnen", schimpfte Christian Danner. "Der Übergang zwischen Strecke und Auslaufzone muss glatt sein, sonst heben die Autos ab." Glock nahm es hinterher mit Humor: "Diese Bodenwelle sollte auf gar keinen Fall da sein. Ich weiß nicht, ob die hier im Winter Skispringen machen..."

Brasilianischer Pechvogel

Rubens Barrichello nahm das Pech mit in die nächsten 17 Rennen., Foto: Sutton
Rubens Barrichello nahm das Pech mit in die nächsten 17 Rennen., Foto: Sutton

Noch mehr Pech hatte nur Rubens Barrichello. Der Brasilianer war der Unglücksrabe des Rennens. Kurz vor seinem geplanten zweiten Boxenstopp kam das Safety Car auf die Strecke. Barrichello musste jedoch in die Box, da ihm sonst der Sprit ausgegangen wäre. Weil die Boxengasse noch nicht geöffnet war, erhielt er eine 10 Sekunden Stop-and-Go-Strafe - ein Malheur, das im Laufe des Jahres noch anderen passieren und für viel Kritik an den Regeln sorgen sollte.

Beim Boxenstopp schickte der Lollipopmann Barrichello zu früh los, so dass er den Tankschlauch beim Wegfahren aus dem Auto riss. Zu allem Überfluss überfuhr er eine rote Boxenampel, wofür er im Nachhinein disqualifiziert wurde. Statt eines Podestplatzes fuhr Barrichello also null Punkte ein. Zu Saisonbeginn nahm er es noch locker: "Das war eine ungünstige Verkettung der Ereignisse." Wie seine gesamte Saison...