Die Überraschung war den Verantwortlichen bei BMW Sauber anzusehen. WM-Spitzenreiter nach drei Rennen. Damit hatte vor Saisonbeginn, ja sogar vor dem dritten Rennwochenende in Bahrain niemand gerechnet. Dank der langen Pause zwischen den Rennen in Bahrain und Spanien dürfen die Weiß-Blauen ihren Erfolg sogar noch etwas länger genießen. In Mario Theissens Büro hängt dennoch keine eingerahmte WM-Tabelle. "Dafür sind Ingenieure zu nüchtern", gesteht der BMW-Motorsportdirektor im Gespräch mit motorsport-magazin.com. Trotzdem erlebt er derzeit ein tolles Arbeitsklima in München und Hinwil. Am Tag nach Bahrain erhielt er unzählige E-Mails von BMW-Mitarbeitern weltweit. "Da habe ich gespürt, welcher Schub durch das Unternehmen gegangen ist."

Kurz nach dem Debüt des neuen F1.08 in Valencia sah die BMW-Welt noch anders aus. "Mit dem Launch des neuen Autos waren wir überhaupt nicht zufrieden", gibt Theissen zu. "Das Auto hat auf der Strecke nicht sofort gezeigt, was es in der Simulation, im Windkanal und auf den Prüfständen versprochen hat." Die Fahrer waren mit dem Fahrverhalten nicht zufrieden. "Es war eine Ärmelaufkrempel-Situation." Für einen Moment stellte sich Theissen sogar die Frage: bekommen wir das dieses Jahr überhaupt noch hin? Doch das flaue Gefühl hielt nur bis zur ersten Besprechung ein paar Tage nach dem Valencia-Test an. "Dann kamen die ersten Erkenntnisse auf den Tisch und dann haben wir schnell erkannt, dass unser Konzept keinen grundlegenden Fehler hatte." Das war die entscheidende Erleichterung.

Von diesem Moment an ging es nur noch bergauf. "Die sechs bis acht Wochen vor Saisonbeginn waren für mich die tollste Erfahrung mit dem neuen Team", sagt Theissen. Die Ingenieure hätten nie den Glauben verloren und seien nie in Panik verfallen. Man analysierte konzentriert die Ursachen und fand Schritt für Schritt Lösungen. "Es war klasse, dabei zu sein", betont Theissen. In dieser Zeit habe BMW Sauber nicht nur das Auto schneller gemacht, sondern auch viel über das eigene Team, die Werkzeuge wie den Windkanal und die Simulationscomputer gelernt. Im Laufe dieses kontinuierlichen Entwicklungsprozesses gab es keinen einzigen Schlüsselmoment. "Es gab nicht den Knoten, der plötzlich geplatzt ist." Stattdessen wurde Puzzleteil für Puzzleteil zusammengesetzt. "Es ja nicht so, dass einzelne Bauteile völlig danebengelegen hätten, sie haben nur nicht richtig zusammengespielt."

Theissen kann mit dem Saisonverlauf sehr zufrieden sein., Foto: Sutton
Theissen kann mit dem Saisonverlauf sehr zufrieden sein., Foto: Sutton

Das hat sich geändert. In den ersten drei Rennen war der F1.08 schnell und zuverlässig. "Das hat uns unmittelbar in den Kreis der bisherigen Topteams hineingebracht - wir sind jetzt nicht mehr der Dritte, wir sind jetzt einer der Top-3." Das sei ein großer Unterschied. Eines der beiden Saisonziele habe man damit erreicht. "Das zweite ist der erste Sieg, aber der Start stimmt mich sehr zuversichtlich, dass dieser nicht mehr sehr weit weg ist." Denn noch sieht Theissen viel Entwicklungspotenzial im Auto.

Der Spanien GP stellt dennoch eine Art zweiten Saisonstart dar. Alle Teams werden neue Teile mitbringen, die sie vergangene Woche an Ort und Stelle getestet haben. "Danach ist eine neue Standortbestimmung angesagt", so Theissen. "Wenn es so eng zugeht, können sich sehr wohl die Kräfteverhältnisse verschieben." Die entscheidende Frage ist: Wie groß fallen die Fortschritte der Teams im Vergleich zur Konkurrenz aus? "Deshalb wird das ein sehr interessantes Rennen, das auch die Richtung für die kommenden Wochen und Monate vorgeben wird", glaubt Technikchef Willy Rampf. "Wir waren mit unseren Fortschritten recht zufrieden, so dass wir weiterhin in der Lage sein sollten, vorne dabei zu sein."

Das wird nicht einfach. Aufgrund der vielen Tests auf dem Circuit de Catalunya erwartet Robert Kubica erneut ein enges Feld. "Ich denke, wir werden ein berechenbareres Rennen erleben als bei den ersten drei Grands Prix in Übersee", sagt der Pole. "Ich gehe deswegen davon aus, dass die Abstände zwischen den Teams deutlich kleiner werden als in den zurückliegenden Rennen." BMW Sauber müsse deswegen das Maximum aus dem Auto herausholen. "Wenn uns das gelingt, und davon bin ich nach den jüngsten Testfahrten in Barcelona fest überzeugt, kann ich wieder ganz vorne mitfahren." Möglichst viele Punkte sind das Mindestziel des zweifachen Podestbesuchers dieser Saison. Bis es soweit ist, dürfen die Weiß-Blauen noch ein bisschen die WM-Führung genießen. "Im Motorsport heißt es so schön: Wenn dir am Abend etwas gelingt, dann lass sofort den Löffel fallen und geh nach hause", zitiert Theissen mit einem Lächeln, "dann kannst du dich wenigstens übernacht darüber freuen."