Auf die Gefahr hin, von einigen für befangen erklärt zu werden: Die inzwischen in einigen, unter anderem in australischen, deutschen und italienischen Medien in verschiedenen Versionen kursierende Meldung, Ayrton Sennas Vater Milton da Silva sei in Brasilien zu einer hohen Geldstrafe verurteilt worden, weil er 82 Arbeiter auf einer Farm unter menschenunwürdigen Bedingungen habe leben und arbeiten lassen, sorgte bei mir doch für einiges Erstaunen - auch dank persönlicher Bekanntschaft mit der Familie. Und gab damit den Anstoß, der Sache und den Hintergründen etwas tiefer auf den Grund zu gehen.

Und bei genauerer Recherche in Brasilien relativiert sich doch einiges: Es gab tatsächlich eine Untersuchung der brasilianischen Behörden im März 2007 auf der Farm "Campo Alberto" im nordöstlichen brasilianischen Bundesstaat Bahia, deren Mitbesitzer Milton da Silva ist. Bei den insgesamt von den Kontrolleuren aufgelisteten angeblichen 29 Punkten, die Eingang in eine Anklageschrift fanden, geht es aber in erster Linie um Verstöße gegen das Arbeitsrecht, etwa nicht gegebene freie Tage oder Pausenzeiten.

Ayrton Senna ist auch heute noch unvergessen., Foto: Sutton
Ayrton Senna ist auch heute noch unvergessen., Foto: Sutton

Dazu kommt: Die brasilianische Website, die die ganze Geschichte mit einer Mischung aus Fakten, Anschuldigungen und Vermutungen ursprünglich in die Welt setzte, musste schon ein paar Stunden später eine Gegendarstellung der Anwälte von Milton da Silva und seiner Geschäftspartner veröffentlichen. Darin stellen diese klar, dass es bis jetzt zu keiner rechtskräftigen Entscheidung oder Verurteilung, weder auf administrativer noch juristischer Ebene gekommen ist. Die immer wieder zitierten umgerechnet über 250.000 Euro Strafe bzw. Entschädigung für die 82 betroffenen Arbeiter sind eine Forderung der Staatsanwaltschaft - das Verfahren liegt noch bei einem Arbeitsgericht. Im Übrigen weise man die meisten der angeblichen Missstände entschieden zurück und habe das auch mit Dokumenten bei der Justiz belegen können. Die eine beanstandete Unterkunft, in der tatsächlich nicht alle Sicherheitsbestimmungen eingehalten worden seien, wäre sofort renoviert worden.

Ganz nebenbei - nur als persönliche Anmerkung: An der besagten Farm ist Milton da Silva zwar mit 50 Prozent beteiligt. Doch der fast 80-Jährige, der sich auf Grund gesundheitlicher Probleme schon seit einiger Zeit praktisch nur noch in Sao Paulo aufhält und nicht im weit über 2.000 Kilometer entfernten Bahia, überlässt das aktive Geschäft mehr und mehr seinen beiden Partnern, Ubirajara Guimaraes, der auch schon zusammen mit Ayrtons Bruder Leonardo Senna das Audi-Business führte, und Ricardo Ferrigno Teixeira. Dass er über die aktuellen Vorgänge auf der Farm im Detail noch wirklich informiert war, ist da eher unwahrscheinlich.

Senna wird an vielen Rennstrecken gedacht., Foto: Sutton
Senna wird an vielen Rennstrecken gedacht., Foto: Sutton

Teixeira ist derjenige, der die Farm als Verwalter führt und dort regelmäßig anwesend ist - und der möglicherweise auch auf Grund politischer Hintergründe ins Schussfeld geraten sein könnte: Er trat durch mehrere Parteispenden in Erscheinung - nicht nur in Brasilien, wo die Justiz auch nach politischen Gesichtspunkten besetzt ist, natürlich ein Anreiz für die Gegenseite, mal ein bisschen Stimmung zu machen...

Das ist jetzt beileibe nicht als Generalabsolution für alle Beteiligten gemeint. Dass da und dort auf der 6.000-Hektar Farm nicht alles hundertprozentig in Ordnung war, ist durchaus möglich. In der brasilianischen Landwirtschaft sind Arbeitsrecht und Arbeitsschutz leider generell eher ein Fremdwort - in den letzten Jahren gab es insgesamt 621 Anklagen deswegen. Dass es richtig ist, diese Missstände mit Kontrollen und Strafen zu unterbinden, steht außer Frage. Dass es für einen an Öffentlichkeit interessierten Staatsanwalt und auch den ein oder anderen Journalisten aber eine Versuchung ist, auch mal vorschnell Gerüchte oder Übertreibungen in die Welt zu setzen, wenn sie im Zusammenhang mit "Ayrton Sennas Vater" Schlagzeilen versprechen, ist aber leider auch nicht von der Hand zu weisen...