Manche Diskussionen sind unvorhersehbar, entwickeln ihr Eigenleben. Dazu gehören auch die Teamchefmeetings der F1-Bosse. "Die machen sehr viel Spaß", stimmen die Teilnehmer regelmäßig übereinstimmend zu. Wer Colin Kolles nach seiner Meinung zu Kundenautos fragt, erhält hingegen eine extrem vorhersehbare Antwort: "Nichts."

So begann er auch seine Ausführungen bei der Podiumsdiskussion beim Motorsport Business Forum in Monaco. "Aus unserer Sicht ist es eine Frage des Überlebens", sagte er. "Wir bauen unser eigenes Auto, haben mehr als 250 Mitarbeiter, betreiben den Windkanal derzeit 18 Stunden pro Tag, bald rund um die Uhr, es geht um viel Geld, viele Familien hängen daran, deswegen ist es nicht der richtige Weg, wenn ein Team ohne Ressourcen kommt, viel weniger Budget hat und daraus Vorteile zieht."

Das passende Beispiel spielt sich gerade in Jerez ab, wo Honda und Super Aguri Autos und Fahrer nach Belieben tauschen. "Das Reglement besagt, dass sie nur mit einem Auto testen dürfen, aber sie testen mit zwei, das ist ein Problem für die F1 und nicht der richtige Weg", so Kolles weiter. "Ich verstehe es ehrlich gesagt nicht. Es ist so offensichtlich, was dort passiert. In der Super Aguri Box sind Honda Mechaniker und Honda-Ingenieure, die ein Honda-Auto einsetzen. Daneben steht ein Super Aguri in der gleichen Box, fünf Meter weiter stehen zwei Honda-Autos in der Honda-Box - das ist grundsätzlich das gleiche Team, das vier Autos einsetzt."

Red Bull Sportdirektor Christian Horner hat erwartungsgemäß eine andere Sichtweise, auch Red Bull baut bei Toro Rosso auf Kundenautos. "Aber Colin ist viel größer als ich, also empfinde ich Kundenautos als eine schreckliche Idee", scherzte er. Für Horner stellt sich eine andere Frage: "Ist es richtig, dass ein F1-Team 600 Leute beschäftigen muss, um konkurrenzfähig zu sein?" Red Bull habe eine Interpretation des Reglements, die ihnen sagt, dass sie für ihre beiden Teams eine zentrale Designstelle haben dürfen. "Darüber gibt es unterschiedliche Auffassungen, deswegen gehen wir nächste Woche vor Gericht." Aber hauptsächlich sei es eine Diskussion darüber, was ein Konstrukteur ist und was nicht. "Das muss die FIA entscheiden", so Horner, dem Kolles darin nicht zustimmte. "Gerade das, muss nicht die FIA entscheiden." Sondern ein normales Gericht, vor dem der Fall verhandelt wird.

Für Pat Symonds soll die F1 eine Konstrukteurs-WM sein. "Aber ich mag die Idee auch nicht, dass sechs Teams mit je vier Autos antreten." Mit einem leicht überzogenen Beispiel verriet er wieso: "Es ist bekannt, dass wir momentan mit Fernando darüber sprechen, ob er nächstes Jahr für uns fährt oder für Red Bull, also habe ich ihm gesagt: Ich würde mir überlegen, ob die Red Bull Motoren nächstes Jahr so zuverlässig sein werden wie unsere..." Zur Erinnerung: Red Bull setzt Kundenmotoren von Renault ein.

Genau aus diesem Grund setzt sich Nick Fry für unabhängige Beobachter und Richter der FIA ein. "Sie müssen auf die Einhaltung der Regeln achten. Ich kann Colins Situation verstehen, er hat nicht die Möglichkeiten, die wir bei Honda oder Christian bei Red Bull haben, aber meine Sichtweise ist logischerweise leicht zu erraten." Er steht hinter dem Kundenautokonzept. "Das Problem der F1 sind aber nicht unbedingt die Kosten für ein Team, um ein Auto einzusetzen, es sind die Kosten dafür, um ein Auto zu entwickeln und zu designen." Das würde andere Teams vom Einstieg abhalten. "Einige der besten Teams haben einst mit einem Kundenauto begonnen", erinnerte Fry. "Vielleicht sollte man sich daran erinnern."