Seit Monaten wiederholten sich die Aussagen der Fahrer und Verantwortlichen. Normalerweise ist das in der Formel 1 nichts Besonderes; ausgefallene Meinungen, etwas anderes als PR-Gewäsch sind selten. Doch in diesem speziellen Fall waren sich nicht nur alle einig (was ebenfalls etwas Besonderes darstellt), sondern hatten auch Recht: "Fernando Alonso blockiert das Fahrerkarussell. Erst wenn er sich für ein Team entschieden hat, werden nach und nach die Dominosteinchen für 2008 fallen."

Am Freitag war er endlich: der Domino Day. Was in Sao Paulo noch mit einem gespielten Kasperltheater übertüncht wurde, fand in einem braven Presseschreiben sein Ende: McLaren Mercedes und Fernando Alonso gehen nach nur einer Saison getrennte Wege. Nach Juan Pablo Montoya ist dies bereits der zweite Fahrer in Folge, der McLaren vorzeitig und im Streit verlässt. Aus irgendeinem Grund habe die Kombination McLaren Mercedes und Fernando Alonso nicht richtig funktioniert, ließ Teamboss Ron Dennis ausrichten.

Gegenüber dem FIA World Motor Sport Council war er einige Monate zuvor deutlicher: "Dass das Verhältnis zwischen Fernando und mir extrem kalt ist, ist eine Untertreibung. Fernando hat die feste Überzeugung, dass unsere Politik, wonach jeder Fahrer gleich behandelt wird, seinen Status als Weltmeister nicht ausreichend würdigt. Er begründet das damit, dass seine Erfahrung und sein Wissen, dass er bei seinem alten Team erworben hatte, so groß ist, dass er einen Vorteil bekommen sollte." Das ist allerdings gegen die Prinzipien von Dennis und McLaren. "Seit meiner Kindheit wollte ich für McLaren fahren, aber manchmal laufen die Dinge nicht so, wie erwartet", wurde Alonso im Abschieds-PR zitiert. "Ich glaube dennoch weiterhin, dass McLaren ein großartiges Team ist."

Bild mit Erinnerungswert: diese Fahrerpaarung wird es bei McLaren nicht mehr geben., Foto: Sutton
Bild mit Erinnerungswert: diese Fahrerpaarung wird es bei McLaren nicht mehr geben., Foto: Sutton

Er selbst sucht nun nach einem neuen großartigen Team. Ganz oben auf der Liste steht Renault, die zwar 2007 nicht zu den Spitzenteams zählten, aber für 2008 Alonsos beste Möglichkeit darstellen. Denn bei Ferrari wurde gerade der Vertrag von Felipe Massa verlängert, Weltmeister Kimi Räikkönen sitzt sowieso fest im F2008. Bei Renault verzögert Flavio Briatore hingegen seit Wochen die Fahrerbekanntgabe. Giancarlo Fisichella, Heikki Kovalainen und Nelson Piquet jnr. bangen um mindestens ein Cockpit.

Bislang stehen nur zwei Dinge fest: Briatore hat seinem Ex-Schützling ein Angebot unterbreitet und Alonsos Manager Luis Garcia Abad dementierte Meldungen, wonach der Spanier nur zu einem Privatteam wechseln dürfe, was wohl Red Bull oder Williams zur ersten Anlaufstelle gemacht hätte. "Er kann nächstes Jahr für jedes Team fahren." Und fast jedes Team würde ihn gerne nehmen - einmal abgesehen von McLaren. Dort trauert Lewis Hamilton seinem Ex-Teamkollegen nicht nach.

"Ich habe es erst am Freitag erfahren und wünsche ihm alles Gute", sagte Hamilton kurz und knapp. Als Nachfolger brachte er die üblichen Verdächtigen ins Spiel: Nico Rosberg, Adrian Sutil und Heikki Kovalainen. Die Option Ralf Schumacher erscheint wohl nicht nur ihm zu obskur. "Alle drei sind fantastische Fahrer und ich kenne sie alle ziemlich gut. Ich weiß nicht, wen ich wählen würde, aber wir brauchen einen Teamplayer." Ein Seitenhieb gegen seinen bisherigen Teamkollegen? Nach Budapest nicht unmöglich. Oder eine Forderung nach einer Nummer 1B? "Egal wer es wird, ich komme mit allen im Feld gut aus." Nur einer kam mit ihm und dem Team nicht klar...

Ein bisschen Unterstützung bekam Alonso in seiner Meinung über Lewis Hamilton von Max Mosley. "Ich glaube, dass es eine Tendenz gibt, die Wichtigkeit von Lewis Hamilton über zu bewerten", sagte der FIA-Präsident der BBC. Damit zog sich Mosley auf der Insel noch weniger Freunde zu; erst vor Kurzem hatte Mosley Sir Jackie Stewart als Witzfigur und Trottel bezeichnet. Seine Aussage über Hamilton wurde von der britischen Presse als "verrückte Schimpftirade in Richtung des Helden" tituliert.

Jenson hat alles schon hinter sich: Vertragsgerangel und Britenhype., Foto: Sutton
Jenson hat alles schon hinter sich: Vertragsgerangel und Britenhype., Foto: Sutton

Der normalerweise gemäßigte Daily Telegraph schrieb sogar: "Wäre er gestern durch die Straßen von London marschiert und hätte Babys mit Stöcken gestoßen, hätte Mosley auch keine größere Beleidigung für die britische Öffentlichkeit verursacht." Zumindest Fernando Alonso dürfte die gar nicht einmal so falsche Aussage des Präsidenten gemocht haben. Denn der Hype um Lewis ist weiterhin ebenso ungebrochen wie unverhältnismäßig. Das bewiesen in dieser Woche die Diskussionen um seinen Wohnortwechsel - und ließen diesen damit gar nicht mehr so unverständlich erscheinen.

Etwas unverständlicher ist die Situation um Timo Glock. Zwei, drei Wochen nach Saisonende wollte Glock seine Zukunft geklärt wissen, doch momentan sieht es nicht danach aus. BMW Sauber würde ihn gerne als Testfahrer behalten, soll eine Option gezogen haben. Andererseits soll sich Glock mit Toyota einig sein, bereits einen Vertrag unterzeichnet haben, der dem Contract Recognition Board vorliegen soll - eine Situation, die wir aus den Buttongate-Affären noch allzu gut in Erinnerung haben.

Wenn da nicht Alonso wäre, der nun auch offiziell auf der Toyota-Liste auftauchen darf, wenn er deren angebliches Millionenangebot nicht eh schon abgelehnt hat, wie es manche Gerüchteköche schon aus ihren Töpfen gefischt haben wollen. Wenn nicht könnte auch Jarno Trullis Cockpit noch einmal in Gefahr geraten; bei Rubens Barrichello soll dies nach den enttäuschenden Leistungen in der zweiten Saisonhälfte bereits geschehen sein. Trotz Vertrags mit Honda soll eine Abschiebung zu Super Aguri drohen. Noch sind die Dominosteine nicht gefallen, noch verharren sie im Matrixstil in eingefrorener Schräglage - denn noch sind wir nicht schlauer als in den letzten Wochen: "Fernando Alonso blockiert das Fahrerkarussell. Erst wenn er sich für ein Team entschieden hat, werden nach und nach die Dominosteinchen für 2008 fallen."