Dass Ferrari beim Heimspiel in Monza voll angreift, ist nichts Neues. Dass man dabei auf größte Unterstützung der Tifosi bauen kann, auch nicht. Wie das mit sonstiger Unterstützung aussieht, ist eine andere Frage, die sich aber auch dieses Jahr mal wieder stellt. Denn es passiert, immer passend genau vor Monza - einiges, was auf Angriff an allen Fronten schließen lässt. Langjährige Formel-1-Beobachter sind davon nicht unbedingt überrascht - man glaubt, das Spiel zu kennen.

McLaren steht immer wieder in den Schlagzeilen. Ein Zufall?, Foto: Sutton
McLaren steht immer wieder in den Schlagzeilen. Ein Zufall?, Foto: Sutton

Denn ein bisschen auffällig ist es ja schon: Zuerst kommt aus Italien die Meldung, ein Staatsanwalt in Mailand habe geäußert, es gebe nun neue Beweise gegen Nigel Stepney, den ehemaligen Ferrari-Chefmechaniker, dass der doch entgegen seiner Beteuerungen in den angeblichen Sabotage-Versuch an den Ferrari-Autos vor dem Monaco-GP beteiligt gewesen sei. Bei näherem Hinsehen entpuppt sich das ganze als alter Hut: Es geht um Augenzeugenaussagen, die bezeugen, dass sich das dubiose weiße Pulver in den Taschen einer Hose von Stepney befunden habe. Das hatte der allerdings auch nie abgestritten - aber immer erklärt, jemand habe das dort hineinbefördert, um ihn in Schwierigkeiten zu bringen...

Wenige Stunden später erklärt dann die FIA, dass es auf einmal neue Beweise in der Ferrari-McLaren-Spionageaffäre gebe und cancelled deshalb die für den 13. September zu diesem Thema ursprünglich angesetzte Verhandlung vor dem Berufungsgericht der FIA, setzt statt dessen eine erneute Anhörung vor dem FIA-Weltrat an, bei der McLaren-Mercedes Stellung nehmen soll. Nur - worum es bei diesem neuen Material geht, was darin enthalten sein soll - dazu hüllt man sich in Schweigen...

Allmählich aber scheint ein bisschen Licht ins Dunkel zu kommen. Bei dem neuen Beweismaterial geht es um private E-Mails zwischen Alonso und dem McLaren-Testfahrer Pedro de la Rosa. Darin soll de la Rosa Alonso erzählen, er wisse einige Abstimmungsdetails des Ferrari - von Coughlan. Das Ganze soll im März geschehen sein, also noch vor der Übergabe des 780-seitigen Dossiers über den neuen Ferrari seitens Stepney an Coughlan im April. An die FIA herangetragen worden sein sollen die Hinweise von einer dritten Partei - die den e-mail-Verkehr der beiden offenbar ausspioniert hat... Dass auch Alonso und de la Rosa unter Androhung, ihnen die Superlizenz zu entziehen, von der FIA quasi zu einer Bestätigung des Vorfalls gezwungen wurden, wird ebenfalls kolportiert. Alonso, von spanischen Journalisten klipp und klar danach gefragt, wich aus: "Das ist nicht mein Problem, ich kümmere mich nur ums Fahren." Ein Dementi ist das nicht...

Ferrari greift an - auf und neben der Strecke., Foto: Sutton
Ferrari greift an - auf und neben der Strecke., Foto: Sutton

Interessanterweise hatte die FIA ja vor einigen Tagen alle Teams per Rundschreiben aufgefordert, wenn sie etwas zu dieser Sache wüssten, das der Sportbehörden zu melden... Der "Hauptverdächtige" für den "Tipp" ist jetzt Renault-Teamchef Flavio Briatore, der ja in der Vergangenheit schon auffällig oft eine Strafe für McLaren gefordert hatte. Was ihm natürlich doppelt gelegen käme: Denn erstens würde er nichts mehr genießen, als seinem Lieblingsfeind Ron Dennis eins auszuwischen. Und zweitens würden sich seine Chancen erhöhen, Fernando Alonso eventuell zurückzuholen, denn bei einer Verurteilung von McLaren könnte der sicher aus seinem Vertrag aussteigen...

Nur - gerade die Tatsache, dass sich all das lange vor der Übergabe des brisanten 780-Seiten-Dossiers Ende April abspielte, möglicherweise also der gesamte "Informationsaustauch" auf simplen Gesprächen zwischen Stepney und Coughlan beruhte, wirft schon eine grundsätzliche Frage auf: Kann man das McLaren-Team wirklich dafür bestrafen, dass ein Ferrari-Angestellter einem McLaren-Mitarbeiter, mit dem er früher lange zusammengearbeitet hat und mit dem er befreundet ist, etwas erzählt? Denn wer glaubt, dass solche Unterhaltungen nicht tagtäglich gang und gäbe sind, der lebt auch in einer Fantasiewelt... Aber dass es in der Formel 1 bei der Obrigkeit beliebtere und unbeliebtere Teams gibt, das schreiben nicht alle Experten nur überbordender Fantasie zu...